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Die falschen Nutznießer

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Österreichfreundliche Amerikaner haben es in Zeiten wie diesen genauso schwerwieamerikafreund-liche Österreicher. Mehr gegenseitiges Verständnis ist jetzt wieder gefragt.

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Österreichfreundliche Amerikaner haben es in Zeiten wie diesen genauso schwerwieamerikafreund-liche Österreicher. Mehr gegenseitiges Verständnis ist jetzt wieder gefragt.

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Ich bin erstaunt über das mangelnde Verständnis für die politische Kultur der USA, zum Beispiel über die Illusion, daß in den USA irgendwann einmal Gras über die „Waldheim-Affäre“ wachsen würde.

Nicht nur die in den österreichischen Medien allgegenwärtigen amerikanischen Juden, sondern die meisten Amerikaner werden nie sehr viel Verständnis für einen ehemaligen Offizier Nazi-

Deutschlands aufbringen können, dessen Einheit in Repressalien und Deportationen involviert war vmd der im Umgang mit seiner Vergangenheit enorme Probleme der Vertrauenswürdigkeit aufkommen ließ.

Eine juristische Bereinigung der Anschuldigungen gegen Kurt Waldheim bringt wenig in den USA, nicht nur weil die Amerikaner keine vergleichbare historische Erfahrung wie die der NS-Zeit besitzen, sondern auch weil -trotz aller amerikanischen Doppelmoral (Iran-Waffengeschäfte) - moralische Bedenken bleiben werden.

Die Amerikaner setzen besonders hohe Maßstäbe an demokratisch gewählte Staatsoberhäupter. Richard Nixon ging wegen ein paar Notlügen; Ronald Reagan hält sich (noch) mittels Gedächtnislücken.

Ich bin über die In-Frage-Stel-lung der amerikanischen Rechtsordnung bestürzt. Die rhetorische Vereinfachimg und Ausbeutung eines äußerst komplizierten juridischen Sachverhaltes sowie die Vermengung von Straf-, Verfas-sungs-, Verwaltimgs- und Einwanderungsrecht mit Unterstellungen über das Rechts- oder Demokratieverständnis der USA tragen wenig zur Sache bei.

Man möge bitte nicht die verfahrenstechnischen Eigenarten einer Einwanderungsbehörde mit dem Straf- oder Verfassungsrecht verwechseln, um die amerikanische Rechtsordnung oder Demokratie zu hinterfragen. Hinweise auf die amerikanische Doppelmoral in der Einwanderungspolitik (von Wernher von Braim bis Ferdinando Marcos) sind gerechtfertigt und aufschlußreich. Sie dienen aber lediglich der pragmatischen imd nicht der moralischen Rechtfertigung.

Ich bin überrascht, daß man in Österreich überrascht ist Wenn einmal ein behördlicher Akt vorliegt, gibt es einen Dienstweg — genauso wie in Osterreich -, vmd dieser Weg wurde jetzt mit einem Bescheid der zuständigen Behörde aufgnmd gewisser Verdachtsmomente nach einer einjährigen Untersuchimg abgeschlossen.

Ich bezweifle, daß die Entscheidung, Waldheim auf die „watch list“ zu setzen, letztlich auf irmen-politisches Taktieren in den USA zurückzuführen ist. Wenn schon, dann hat man die „außenpolitischen Kosten - innenpolitische Nutzen-Rechnung“ mittels der brutalen Asymmetrie des Verhältnisses einer Großmacht zu einem Kleinstaat aufgestellt

Jedoch scheint mir die mehrmalige amerikanische Beteuerung, daß die Maßnahmen gegen Waldheim als Privatperson gerichtet waren, nicht nur formal-juridisch korrekt - da die Untersuchung gegen ihn in seinem damaligen Status als Privatperson eingeleitet wurde —, sondern auch äußerst wichtig, denn es war ein Versuch, den Schaden für die bilateralen Beziehungen, trotz Waldheims Wahl in der Zwischenzeit, einzudämmen.

Diese vielfach als tjrpisch amerikanische Überheblichkeit interpretierte diplomatische Geste war ein Signal an die österreichische Bundesregierung und an das Volk, daß für die USA Waldheim nicht gleich Osterreich ist.

Diese amerikanische Geste zeigt vielleicht ein mangelndes Verständnis für die politische Kultur Österreichs, denn die innenpolitische Logik der großen Koalition zwingt zu der außenpolitisch problematischen „Waldheim ist gleich Osterreich“ -Argu-mentation.

Ich wundere mich manchmal über die Wortwahl der österreichischen Medien, die das Verschwörungsvokabular des Präsidentschaftswahlkampfes auf Österreich übertragen. Es gibt sehr wohl Anti-Waldheimismus, aber kaum Anti-Österreichismus in den USA. Es gibt keine „gezielten Aktionen“ oder „Teüe einer Kampagne“ gegen die Republik Osterreich.

Die USA sind angesichts der historisch guten und freundschaftlichen Beziehungen zu Osterreich und der wichtigen geopolitischen Lage des Landes keineswegs an einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen interessiert.

Ich bedaure, daß die einzigen Nutznießer der „watch list“ -Af-färe in Österreich folgende sind: anti-amerikanische Linke, die sich als Waldheim- und USA-Gegner doppelt freuen, und national gesinnte Politiker, die mit ihrem anti-amerikanischen Vokabular bei den ehemaligen Waffenbrüdern wohl die Früchte des (verständlicherweise) verletzten Nationalstolzes zu ernten wissen werden.

Ein austrophiler Amerikaner hat es in Zeiten wie diesen besonders schwer, denn als Austrophiler versteht er die österreichischen Reaktionen ebenso wie er als Amerikaner die Maßnahme der USA versteht. Möge die belastete Freundschaft diese schwierige Probe letzten Endes heil überstehen.

Der Autor, Jahrgang 1952, Doktor der Philosophie, lebt und arbeitet seit 1973 in Wien und ist derzeit stellvertretender Direktor des .Jn-stituts für Europäische Studien“ .

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