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Die Familie aufwerten!

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In den Programmen von ÖVP und SPÖ findet man zu Ehe und Familie schöne Absichtserklärungen. Beim wirksamen Bekenntnis zu diesen Werten spalten sich die Meinungen.

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In den Programmen von ÖVP und SPÖ findet man zu Ehe und Familie schöne Absichtserklärungen. Beim wirksamen Bekenntnis zu diesen Werten spalten sich die Meinungen.

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Während der Familienverband und die ÖVP die Verfassungsverankerung mit Nachdruck fordern, wird sie von Teilen der sozialdemokratischen Seite vehement abgelehnt. Erst kürzlich hat der Bundesparteitag der SPÖ beschlossen, „von der Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung Abstand zu nehmen“. „Warum wollen gerade wir Sozialisten“ - fragte Ingrid Smejkal auf diesem Parteitag — „einen gesellschaftlichen Veränderungsprozeß mit formalen Mitteln behindern?“

Deutlicher geht es gar nicht mehr: Man nimmt es als gegebene und positive Tatsache hin, daß manche die Verantwortung und die Mühe einer dauerhaften Beziehung a priori ablehnen. Sicher hat man es leichter, sich in einer losen Zweierbeziehung bei Schwierigkeiten aus dem Staub zu machen. Glaubt man wirklich, dies als frauenfreundliche Politik und Beitrag zur Emanzipation verkaufen zu können?

In der Gesellschaft ist das Ansehen von Ehe und Familie in Wirklichkeit nur scheinbar geringer geworden. Ich sage deshalb scheinbar, da es auch klare Daten gibt, die geradezu das Gegenteil zeigen: Nach dem Wiener Jugendbericht 1985 rangieren Ehe und Familie in der Werteskala ganz oben!

73 Prozent der Jugendlichen wollen bis zum 30. Lebensjahr unbedingt verheiratet sein. Elf Prozent wollen ohne Heirat mit einem festen Partner zusammenleben. Und nur fünf Prozent haben vor, später nicht mit einem festen Partner zusammenzuleben.

Ähnliches läßt sich retrospektiv aus den Daten der letzten Volkszählung (1981) ablesen: Von den erwachsenen Wienern sind tatsächlich 75 Prozent verheiratet oder verwitwet. Nur 16 Prozent der über 19jährigen sind ledig und knapp neun Prozent geschieden — wollten also auch eine dauerhafte Bindung, die aber nicht gelungen ist.

Diese trockenen Zahlen zeigen deutlich: 75 Prozent der Wiener wollen in einer dauerhaften Beziehung leben oder tun dies auch. Worin besteht dann aber der gesellschaftliche Veränderungsprozeß?

Das Schließen einer Ehe vor dem Standesamt - darum geht es in der Diskussion und nicht etwa um die Verfassungsverankerung eines für uns Christen heiligen Sakraments — ist natürlich noch kein Garantieschein für das Gelingen und Halten einer dauerhaften Beziehung. Wir wissen alle, daß ein Drittel der Ehen geschieden wird.

In der Folge nimmt daher die

Zahl der Alleinerzieher - meistens sind es Frauen, die diese schwere Last zu tragen haben — zu. Dazu kommen auch noch jene letztlich bewundernswerten Frauen, die ihre Kinder liebevoll aufziehen, obwohl sie mit ihrem Partner keine dauerhafte Beziehung realisieren konnten.

Wie viele Menschen wollen diesen Weg aber freiwillig, bewußt und vorgeplant, frei von äußeren Zwängen gehen? Es ist sicher eine verschwindende Minderheit. Konkretes Zahlenmaterial liegt kaum vor. Ein gesellschaftlicher Veränderungsprozeß ist in diesem Sinne nur schwerlich zu erkennen.

Ist es nicht eher so, daß von gewisser Seite suggeriert wird, daß dauerhafte Beziehung „out“ und unverbindliche Lebensgemeinschaften „in“ sind? Daß die unverbindliche Lebensgemeinschaft ebenso gut wie die auf Dauer ausgerichtete Ehe sei? Daß bei Verfassungsverankerung von Ehe und Familie auch die Lebensgemeinschaft zu verankern sei? Daß die Gesetze so gestaltet werden, daß Mann und Frau ohne standesamtlichen Ehevertrag finanziell günstiger aussteigen?

Eine solche gesellschaftliche Entwicklung kommt eher von oben als von unten, sie wird eher gefördert, als daß versucht wird, ähnlich wie bei einer Gesundheitsstörung, helfend und heilend einzuwirken.

Ehe und Familie sind vor allem dadurch bedroht, daß man offensichtlich versucht, diese höchste Kulturform menschlichen Zusammenlebens unattraktiv und schwer zu machen!

Die Folgen einer solchen Politik zeigen sich bereits in unserer Wienerstadt: Bis zum Jahr 2000 wird Wien um 200.000 Einwohner weniger haben. Bereits jetzt ist jeder vierte Wiener über 60 Jahre alt. Den knapp 15.000 Kindern, die noch jährlich in Wien geboren werden, stehen beinahe 70.000 neu zugelassene Autos gegenüber!

Ein klares Bekenntnis zur dauerhaften Partnerschaft, die von Verantwortung getragen ist und die für die optimale Entwicklung der Kinder eine unabdingbare Voraussetzung ist, sollte durch die Verfassungsverankerung als Orientierungshilfe und Zielvorstellung festgeschrieben werden.

Eine solche Zielvorstellung diskriminiert nicht automatisch jene, die ein solches Ziel nicht erreichen oder nicht verfolgen. Die Teilfamilie soll weder gesellschaftlich abgewertet noch finanziell benachteiligt werden!

Ich halte die Verfassungsverankerung von Ehe und Familie für ebenso wichtig wie das bereits jetzt verankerte Staatsziel des Umweltschutzes. Die Auswirkungen eines solchen Zielbekenntnisses sind mehr als ein trockener Gesetzestext.

Sie können dies bereits aus den Zwängen der Politik des Umwelt-und Familienministeriums erkennen: Weil Wald bedroht ist, muß mehr Geld und mehr Initiative für den Umweltschutz bereitgestellt werden. Bei den Familien aber muß gespart werden. Sie müssen im nächsten Jahr zwei Milliarden auf den Budgettisch legen. Das Staatsziel Umweltschutz ist klar definiert, jenes der Familie leider nicht, obwohl die Familie ebenso bedroht ist wie unsere Umwelt!

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kucera ist Präsident des Katholischen Famüienverbandes Wien.

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