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Die FDP kämpft ums Überleben

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In der Bundesrepublik Deutschland hat die FDP ihre Götterdämmerung. Nach zwei Wahldebakeln in Hamburg und Niedersachsen sowie schlechten Aussichten für den Herbst in Bayern und Hessen zweifelt mancher Liberale an der Fähigkeit der eigenen Partei zum Überleben. In der Tat, die Zeiten sind überaus hart geworden für die Freien Demokraten. Zwar hat es noch nie besonders rosig ausgesehen für die kleinste unter den drei großen Parteien. Und es ist auch nicht das erste Mal, daß die FDP aus einem Landesparlament verschwindet. Aber diesmal kommen mehrere Dinge zusammen, die den Liberalen ans Mark gehen.

Das Gravierendste: Der Wählerstamm, auf den sich die FDP bisher eigentlich immer verlassen konnte, ist unter die magische 5-Prozent-Marke gesunken. Die Wechselwähler, die politischen Modetrends folgen und von denen die Liberalen meist profitieren, haben sich anderen Ufern zugewandt. Fazit: Die Freien Demokraten sind unattraktiv geworden - für eine kleine Partei eine tödliche Entwicklung.

Wo liegen die Gründe? In der Parteizentrale in Bonn wird am häufigsten das Argument gehandelt, die FDP habe es nicht geschafft, ihr Profil vor dem Wähler deutlich zu machen. Mag sein. Nur, um dies tun zu können, muß man Profil besitzen, und gerade das kann man den Liberalen kaum noch zusprechen. Die neunjährige Partnerschaft mit der SPD in Bonn hat der FDP nur in den ersten Jahren in Prozenten meßbare Zuneigung der Wähler eingebracht. Das resultierte vor allem aus der „Bremserfunktion“ der Liberalen angesichts allzu hochfliegender sozialistischer Reformpläne. Gleichzeitig wurde auch sie mitgetragen von der Euphorie, die die neue Ostpolitik begleitete. Mit dem Wechsel von Brandt und Scheel zu Schmidt und Genscher änderte sich dann das Bild. Was bis dahin noch als deutlich anders geartetes politisches Wollen der FDP neben der häufig utopischen Reformitis der SPD auszumachen war, wurde mehr und mehr deckungsgleich mit dem gemäßigten Kurs des SPD-Kanzlers Schmidt

Die von der CDU/CSU-Opposition mit Fleiß verbreitete Behauptung, die FDP sei nur noch ein Anhängsel der Sozialdemokraten, traf die Liberalen

deshalb so tief, weil sie stimmte. Die Suche nach dem Ausweg führte zu einer typischen Genscher-Lösung - widersprüchlich, verschwommen, getragen von der Prämisse, nur ja niemandem wehzutun. Das Motto wurde ausgegeben, nur noch mit dem Partner zu koalieren, an dessen Seite man am ehesten liberale Politik verwirklichen könne. Während im Programmatischen dieses Rezept zu dem grotesken Ergebnis führte, daß der Partner SPD in vielen Bereichen links überholt, in anderen altliberale Grundsätze wieder aus der Mottenkiste hervorgekramt wurden, proklamierte man gleichzeitig Offenheit nach allen Seiten.

In der Praxis der Beteiligung an der Macht sollte sich nach Genschers Vorstellungen dies so darstellen, daß man

in den Ländern durchaus Koalitionen mit der CDU eingehen könne, um in Bonn den Wechsel nicht vollziehen zu müssen und trotzdem überall am Drücker zu bleiben. Diese Koalitionsarithmetik allerdings ist dem Wähler zu hoch. Angesichts der Tatsache, daß etwa die bisherige Regierungspolitik in Niedersachsen (Koalition der CDU mit einer gemäßigten FDP) mit der in Hamburg (SPD mit radikal linker FDP) kaum etwas gemeinsam hatte, daß sich im Gegenteil die Liberalen dort wie zwei völlig verschiedene Parteien aufführten, mußte manchen Wähler nachdenklich stimmen. Zur Profilneurose kam daher noch eine handfeste Identitätskrise hinzu.

Spezifisch Liberales hat die FDP ohnehin kaum ncteh zu bieten. Eine

thematische Marktlücke gibt es nicht mehr, dafür haben sowohl die Christ-wie die Sozialdemokraten gesorgt und - für die FpP besonders verheerend -die sogenannten „grünen Listen Umweltschutz“ (GLU). Sie haben bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hamburg zum ersten Mal kandidiert und der FDP auf Anhieb die Prozente abgenommen, die sie unter die 5-Prozent-Hürde drückte.

Daß diese „Grüne Liste“ ihre Prozente nicht von CDU und SPD bezogen, sondern in der Hauptsache von der FDP, könnte der Anfang von ihrem Ende sein. Einmal besteht die Gefahr des Ausblutens einer auf unzufriedene Wechselwähler angewiesenen Partei. Zum anderen könnte der Zwang, dieses Wählerpotential zurückzugewinnen, dazu führen, daß die FDP stets den Finger in den Wind hält und damit als Koalitionspartner völlig unberechenbar und gefährlich wird.

Fast gleichzeitig spielte sich in Bonn ein anderer Akt dieses merkwürdigen Theaters ab. SPD-Mitglied Fredersdorf, Vorsitzender der sogenannten Steuer-Gewerkschaft, hatte die Parteien mit der Ankündigung in Aufregung versetzt, er wolle eine Steuerprotestpartei nach dem Muster des Dänen Glistrup gründen, wenn sich nicht bald der undurchdringliche deutsche Steuerdschungel Uchte. Flugs machte sich die FDP auf die Spuren des Steuermatadors und verärgerte den Koalitionspartner SPD mit dem Verlangen, eine umfangreiche Steuerreform in Angriff zu nehmen. Den Sozialdemokraten mußte dies doppelt infam vorkommen: Zum einen war die Koalition schon einmal fast zerbrochen, als ein Steuerreförmchen am Widerstand linker SPD-Abgeordneter zu scheitern drohte. Zum anderen hatte die FDP bisher immer entsprechende Reformvorschläge der CDU/CSU in Bausch und Bogen abgelehnt. Der plötzliche Sinneswandel der Liberalen kündet von keiner rosigen Koalitionszukunft.

Ein Opfer dieser neuen ungemütlichen Zeiten ist der einstige Renom-mier-Liberale und Innenminister Mai-hofer. Tatsache ist, daß er als Innenminister in einer vom Terror bedrohten Zeit Entscheidungen traf und Vorgänge verantworten mußte, die im Zweifel der Sicherheit der Allgemeinheit und des Staates den Vorrang vor der Freiheit des einzelnen gaben. Das machte ihn zum Buhmann der gesamten Linken und brach ihm schließlich nach den Wahldebakeln politisch das Genick. Nichts deutet aber bisher darauf hin, daß sein Abgang die Chancen der FDP steigern würde. Den sogenannten Mitleidseffekt für die FDP suchten die Demoskopen bisher jedenfalls vergebens.

Fixpunkt für die Freien Demokraten ist nun die Landtagswahl im Oktober in Hessen, für die sie bereits eine - allerdings umstrittene - Koalitionsaussage zugunsten der seit dreißig Jahren dort regierenden SPD getroffen haben. Dann wird möglicherweise eine Vorentscheidung über die Zukunft der FDP und der deutschen Parteienlandschaft getroffen. Der für die FDP unerfreuliche Stand der Dinge im Augenblick: Es wird eifrig in der Öffentlichkeit diskutiert, ob die Bundesrepublik die Freien Demokraten überhaupt braucht.

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