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Digital In Arbeit

Die Fernsehwerbung verkauft uns Glück

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Auf die Frage: „Was verkaufen Sie eigentlich" antwortete mir ein Werbungmacher: „Das Produkt natürlich..."

Daran gäbe es nichts auszusetzen -ein Produzent will seine Waren verkaufen, macht für sie Werbung, um ihre Vorteile darzustellen und Informationen zu liefern. Der/die Konsumentin kann frei entscheiden, welches Produkt am ehesten den Bedürfnissen entspricht. Doch die alltägliche Werbepraxis geht viel weiter -vor allem in Femsehspots wird das Produkt mit allen möglichen und unmöglichen Assoziationen verknüpft. Was hat etwa eine schöne Frau mit einem Auto gemeinsam -oder auf welchen Produktvorteil wird dabei hingewiesen? Aber es soll hier nicht allein um frauenfeindliche Werbungen gehen.

„Werbung verkauft Bilder vom idealen Leben, sie verkauft Vorstellungen von gut, richtig und erstrebenswert, kurz sie verkauft Wertvorstellungen." (Christine Schmerl) Angepriesen wird ein Stück Glück, ein Stück „heile Welt", das auf den Käufer auf geheimnisvolle Weise übergeht, natürlich nur wenn er/sie sich für eine bestimmte Marke entscheidet.

Wie sieht dieses angepriesene Glück nun aus? Das Fundament sind die Beziehungen zwischen Männem und Frauen, die „glückliche" Partnerschaft oder noch besser Familie. In der Werbung wimmelt es geradezu von glücklichen Beziehungen: Sie putzt die Küche besonders schnell und natürlich streifenfrei rein - so wird sie vom Mann, der nach harter Arbeit ins gemütliche Zuhause zurückkehrt, gelobt - und, um die Glückseligkeit vollkommen zu machen: dem meist im Bild präsentierten Kind kann sie bis dahin noch viel von ihrer Zeit schenken.

Dieses Muster kehrt immer wieder: die Frau, die den Haushalt im Schuß hält, die Kinder mit den neuesten Innovationen bei Laune hält und dafür lobende Blicke oder vielleicht auch einmal eine Streicheleinheit des Mannes einheimst. Auch wenn Frauen in der Werbung der neunziger Jahre manchmal berufstätig sind; das Aussehen in der Öffentlichkeit, die Haare, die (genormte) Figur, die Kleidung machen weiterhin ihren „Wert", ihr .Anerkanntsein" - ihr Glück - allein aus. Männer gehen in ihrem Beruf auf - oder sie vermitteln ein Stück vom Lebensglück als gelehrte Berater, die (hilflose?) Frauen beraten: etwa bei Problemen mit der Wäsche und mit den dritten Zähnen.

Werbefamilien sind glücklich, sie schwelgen sogar im Glück - und tauchen Probleme auf: schon sind sie durch die schnelle Zubereitung einer Suppe gelöst -oder durch eine andere Kreation der Meisterköchin. Was kann ein größeres Glück sein, als wenn die ganze Familie um den Tisch sitzt, auf den Tellern, Gläsern und Schüsseln fröhlich Musik macht und die (tüchtige) Hausfrau im Rhythmus her-einschwingt und ihren Beitrag zum Familienglück auftischt? Und wenn einmal das fesche Tanz-Kleidchen des Töchterchens oder die Fußballhose des heroischen Sohnes schmutzig ist, eilt schon die Mutter herbei mit dem Waschmittel, das alle Trübsal und Mühsal vertreibt.

Sie meinen, es gibt auch Werbungen, in denen Männer im Haushalt oder mit den Kindern zu sehen sind? Stimmt - aber zumindest über Telefon gibt „Mutti" Ratschläge und er ist so tapsig, wie ein Mann halt so in der Küche ist oder zumindest, wie man(n) ihn sich dort vorstellt. Er fühlt sich meist sichtlich unsicher, unwohl -unglücklich. Perfektes Glück herrscht, wenn sie wieder zurückkehrt. Für das perfekte Glück scheint es einige unumstößliche Gleichungen zu geben:

Mann = aktiv, wirkt anziehend, ist der Verführer, das Arbeitstier, der Harte, der Konsequente, der auswählen darf. Frau = passiv, schön, ist meist die Verführte, die perfekte Hausfrau und Mutter und Unterstützerin der schweren Arbeit des Mannes in einem, die Erwählte. Und nur wenn dieses Gleichnis stimmt, wenn es aufgeht, können alle Beteiligten Glück erfahren.

Partnerschaftliche Lebensmodelle haben extremen Seltenheitswert, Männer und Frauen haben - von Geburt an - hellblaue und rosarote Lebenskorsetts. Um - glückliche(r) -Frau/Mann zu sein braucht es bestimmter Produkte, die eine(n) erst zur Frau, zum Mann machen.

Es stellt sich die Frage, inwieweit Werbung überhaupt wahr- und ernstgenommen wird. Neue Untersuchungen meinen, Produktnamen würden schnell vergessen werden - und es reicht ja, einfach nicht hinzuschauen, abzuschalten. Aber: Werbung ist, gerade im Fernsehen allgegenwärtig. Auf Sendeplätzen plaziert, die es letztlich unmöglich machen, sie nie zu sehen. Werbungen zeichnen sich vor allem durch eine Konstanz der Werthaltungen, die vermittelt werden aus. Die rosa/blauen Grundmuster bleiben gleich.

Der Weg führt meiner Meinung nach über das Erlernen des kritischen Zusehens. Verfolgen Sie über einige Tage die Werbungen - die angesprochenen Muster sind schnell zu erkennen und leicht zu durchschauen. Es fällt immer leichter, darüber zu lachen. Wer erkennt und durchschaut, kann sich auch wehren - Firmen reagieren empfindlich auf Boykottdrohungen. Werbung wird letztlich auch von Menschen gemacht, die zum Nachdenken und vielleicht Umdenken gebracht werden können.

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