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Die feste Burg

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In Niederösterreich geht man wieder zur Tagesordnung über. Im Juli wird der neue Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Seine erste Aufgabe wird es sein, die Wahl der Regierung vorzunehmen — es ist das Kabinett Maurer III.

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In Niederösterreich geht man wieder zur Tagesordnung über. Im Juli wird der neue Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Seine erste Aufgabe wird es sein, die Wahl der Regierung vorzunehmen — es ist das Kabinett Maurer III.

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In den Parteihauptquartieren hat man in der vergangenen Woche die Ursachen des Wahlergebnisses analysiert. Der Trend mit diversen Schwankungen verursacht natürlich den Sozialisten die meisten Kopfschmerzen. In einigen Bezirken — vor allem nördlich der Donau — kann auch die Volkspartei mit dem Ergebnis nicht voll zufrieden sein, denn der ÖVP-Erfolg resultiert bekanntlich in erster Linie aus den überdurchschnittlichen Gewinnen in den mittleren Industriegemeinden. In den typischen Landgebieten war der Pendelausschlag nur gering. Nun, im großen und ganzen bewahrheitete

Landeshauptmann Maurer (am Wahltag): Trend nur „schaumgebremst“

Photo: Kern

sich eben, daß zwischen Enns und Leitha jeder Trend — ob er von rechts oder links kommt — nur „schaumgebremst“ in Erscheinung

tritt.

Das Landtagswahlergebniss zeigte auch, daß die politische Stabilität trotz der Entwicklung vom Agrarland zum Industrieland erhalten blieb.

Es ist auch symptomatisch für die geringe Mobilität der Niederösterreicher, daß die SPÖ ihr 26. Mandat nicht deshalb verloren hat, weil ihr etwa viele Wechselwähler den Rük-ken kehrten, sondern weil so mancher ihrer Sympathisanten zu Hause blieb oder bereits in Urlaub war. Die geringe Wahlbeteiligung bei den ersten niederöstenreichischen Landtagswahlen im Juni hat — was etwas überraschte — mehr den Sozialisten als der Volkspartei geschadet. Eine zweite Tatsache wird der SPÖ-Nie-derösterreich überdies zu denken geben: Die Volkspartei war imstande, einen weit größeren Teil der 80.000 Jungwähler anzusprechen als die Sozialisten,

Es stellt sich nun die Frage, wie sich das neue politische Kräfteverhältnis im Landtag auf die weitere Arbeit im Regionalparlament, in der Exekutive auswirken wird.

Nach den Präsidentschaftswahlen werden die Vertreter der ÖVP und der SPÖ zu den ersten Gesprächen zusammentreten. Der Grund für die zwei Wochen lange Pause nach dem 9. Juni ist bekanntlich nicht der, daß sich die niederösterreichischen Spitzenpolitiker nach den Landtagswahlen erholen mußten, sondern, daß nun Maurer und seine Freunde für Lugger, dagegen Czettel und Genossen für Kirchschläger werben müssen. Da aber der neue Landtag von Niederösterreich innerhalb eines Monats zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten muß, bleibt

dann für die Parteienverhandlungen nicht mehr allzu viel Zeit.

Natürlich kommt es darauf an, was neu ausgehandelt werden muß. Nun, der Gewinn eines Mandates durch die ÖVP — im Landtag steht es bekanntlich jetzt 31 ÖVP-Mandate zu 25 SPÖ-Mandaten — wird keine Auswirkung auf die Zusammensetzung der Landesregierung haben. Da zudem keine der beiden Regierungsparteien personelle Änderungen vornehmen wird, bleibt alles beim Alten.

Die SPÖ hätte erst dann einen Sitz in der Regierung verloren, hätte sie bei den Landtagswahlen drei Abgeordnetensitze eingebüßt.

Kleine Änderungen können sich jedoch auf Grund des Mandatsverhältnisses in der Kompetenzverteilung der Landesregierung ergeben. ÖVP-Landesparteisekretär Bernau

sprach den Wunsch der Volkspartei nach einer Kompetenzbereinigung in der Landesverwaltung aus. Er ließ sich allerdings noch nicht in die Karten schauen. Man muß also abwarten, um zu sehen, was die Volkspartei genau darunter versteht. Zweige-leisigkeiten gibt es vor allem im Bauwesen. Von einer Kompetenzteilung kann man zur Zeit in der Raumordnung und in der Wohnbauförderung sprechen. So ist Landeshauptmannstellvertreter Ludwig für die überörtliche Raumplanung und für die Förderung des Eigenheimbaues zuständig, Landeshauptmannstellvertreter Czettel dagegen für die örtliche Raumplanung und für die Förderung von Wohnhausbauten gemeinnütziger Bau- und Siedlungsgenossenschaften.

Auch als die SPÖ im Jahr 1969 einen Landtagssitz gewonnen hatte, wirkte sich dies nur geringfügig in der Ressortverteilung aus.

Auf die Gesetzgebung in Niederösterreich wird die neue Machtverteilung im Landtag nur insoferne eine Auswirkung haben, als sich die Zusammensetzung der Ausschüsse

ändern wird. Die Hauptarbeit bei der Gesetzeswerdung wird ja in der Regel in den verschiedensten Ausschüssen und nicht im Plenum des Landtages geleistet. Auf Grund der Geschäftsordnung bildet der Landtag nach seiner Konstituierung neun Ausschüsse. In der abgelaufenen Legislaturperiode gehörten jedem Ausschuß elf Abgeordnete an, jeweils sechs von der Volkspartei und fünf von der SPÖ. In fünf Ausschüssen stellte die Mehrheitspartei den Vorsitzenden, in vier die Sozialisten. Dazu kam noch der Finanzkontrollausschuß, dessen Vorsitzenden ebenfalls die ÖVP stellte.

Auf die Machtverteilung im Landhaus hat der Gewinn eines Mandates durch die Mehrheitspartei also nur geringen Einfluß. Die politische Bedeutung liegt auf höherer Ebene: der Abstand zwischen ÖVP und SPÖ im Landhaus hat sich von vier auf sechs Sitze erhöht. Für Hans Czettel, der bereits 1969 antrat, um die ÖVP-Mehrheit zu brechen, ist dieses Ziel wieder in weite Ferne gerückt. Die Volkspartei hat ihre Burg gefestigt.

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