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Die Flucht — ihr Schicksal
Eine Studie der Österreichischen Kommission „lustitia et Pax” resümiert knapp: „Die achtziger Jahre sind für Asylwerber und Flüchtlinge besorgniserregend.”
Eine Studie der Österreichischen Kommission „lustitia et Pax” resümiert knapp: „Die achtziger Jahre sind für Asylwerber und Flüchtlinge besorgniserregend.”
Der „goldene Westen” existiert nicht mehr — zumindest nicht für jene Menschen, die mit der Hoffnung auf Freiheit und menschenwürdige Lebensbedingungen in unser Land kommen.
„Dies liegt nicht in erster Linie am österreichischen Asylgesetz, sondern an dessen Interpretation durch die zuständigen Behörden, die zunehmend zuungunsten der Flüchtlinge ausfällt”, meint der Leiter des Polish American Immigration & Relief Committee, An-drzej Balko.
Als Hauptursachen für Restriktionen werden immer wieder die nach wie vor angespannte wirtschaftliche Lage und steigende Arbeitslosenraten genannt.
Aber vergleicht man die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge mit der in anderen Ländern, dann kann in Österreich keineswegs „Uberbelag” festgestellt werden - im Gegenteil: Betrug 1984 in Österreich der Anteil der Konventionsflüchtlinge (siehe Kasten „Wer gilt als Flüchtling?”) an der Gesamtbevölkerung 0,29 Prozent (21.500 Personen) und der der Asylwerber 0,09 Prozent (7.208 Personen), so wurden etwa in der Schweiz 31.500 Konventionsflüchtlinge (0,49 Prozent der Gesamtbevölkerung) und 7.435 Asylwerber (0,12 Prozent) registriert.
Österreich gilt aber nach wie vor als das typische Transitland, obwohl die Weiterreise in Zweitasylländer heute weitaus problematischer ist als noch vor einigen Jahren. Klassische Asylländer für Ostblockflüchtlinge wie Südafrika, Australien, Kanada und die USA sind „wählerischer” geworden, weiß Andrzej Balko aus der Praxis.
Diese Entwicklung macht Österreich für Flüchtlinge verstärkt auch als Integrationsland, als zweite Heimat, interessant — doch die Regierung betreibt dabei in der Praxis eine restriktive Politik..
Ist der Flüchtling erst einmal in Österreich, so hat er mehrere rechtliche Möglichkeiten, von denen seine weitere Behandlung durch die Behörden abhängt. „Aber”, meint Andrzej Balko, „die meisten Flüchtlinge kommen mit unbestimmten Vorstellungen und meist ohne Kenntnis der rechtlichen Situation nach Österreich.” Ein vordringliches Anliegen sind daher bundesweite Beratungsstellen für Flüchtlinge, die noch vor dem Gang zur Behörde informieren. „Bei mir waren schon viele Polen, deren Informationsstand drei Jahre alt war und die dann in Kenntnis der aktuellen rechtlichen Lage die Rückkehr nach Polen vorgezogen haben” (Balko).
Will ein Flüchtling etwa in die USA auswandern, dann ist er nicht verpflichtet, in Österreich um Asyl anzusuchen. Bei Nachweis entsprechender finanzieller Mittel für den Lebensunterhalt wird in solchen Fällen das Visum über die gesetzlichen drei Monate hinaus meist problemlos verlängert, bis der Asylantrag von den amerikanischen Behörden endgültig entschieden wurde. Während dieser Zeit — in der Regel dauert es einige Monate - hat der Flüchtling in Österreich jedoch weder das Recht auf Arbeit noch Anspruch auf Sozialhilfe.
Die Beschränkungen des Sozialstaats Österreich gegenüber
Flüchtlingen treiben dann seltsame Blüten. „Um den verlangten Nachweis der Existenzgrundlage zu erbringen, macht oft ein und dasselbe Sparbuch die Runde” (Balko).
Während die Existenz der Asylwerber, die im Lager Traiskirchen bei Wien untergebracht sind, zumindest was die primären Bedürfnisse anlangt - Essen, Wohnen, Schlafen -, gesichert ist, beginnt für die Flüchtlinge außerhalb des Lagers der Spießrutenlauf von Behörde zu Behörde jeden Tag aufs neue.
Das Verfahren bis zu Anerkennung als Asylant dauert heute beträchtlich länger. Und schlecht ausgebildete Dolmetscher fassen die mündliche Begründung des Antrags des Asylwerbers oft in vier knappen Sätzen zusammen, was zu Mißverständnissen führen kann. Dazu kommt der „psychische Druck, der durch verhörartige Befragungen — vor allem bei den Flüchtlingen aus dem Ostblock - entsteht”, ergänzt Balko.
„Nützt er uns?”
Da ein als Flüchtling anerkannter Ausländer auf dem Arbeitsmarkt wie ein Inländer behandelt werden muß, glaubt Balko auch, daß heute „der. Asylantrag vielfach hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens der betreffenden Person für die Republik erledigt wird. Ein Bauarbeiter hat im Gegensatz zu einem Chirurgen dabei natürlich weniger Chancen.”
Kein Wunder, daß die Zahl der anerkannten Flüchtlinge eher im Sinken begriffen ist. So weiß Balko, daß „von früher fünfzig Polen im Schnitt nur noch dreißig anerkannt werden.”
Doch auch nach der Anerkennung als Flüchtling sind die Probleme noch lange nicht gelöst: besonders für Familien ist das Wohnungsproblem virulent, da die angebotenen Wohnungen oft nicht einmal für Inländer erschwinglich sind. Auch die Arbeitssuche — noch erschwert durch mangelnde Deutschkenntnisse — ist für Flüchtlinge fast aussichtslos. „Von Integration im Sinne des Wortes kann man heute nur schwer sprechen”, zieht Balko die Bilanz vieler Flüchtlingsschicksale.
Wird ein Flüchtling, dessen Asylantrag abgewiesen wurde und dessen Visum abgelaufen ist, von der Polizei aufgegriffen, dann droht ihm zu guter Letzt die zwangsweise Rückkehr in sein Heimatland. Laut fremdenpolizeilicher Bestimmungen darf dabei die Schubhaft bis zu drei Monaten verhängt werden, ohne daß dies von einem unabhängigen Richter geprüft und entschieden werden müßte — kein Ruhmesblatt für einen Rechtsstaat.
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