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Die Flucht vordem Tod

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Als vor einigen Jahren ein mir nahestehender Verwandter starb, erkannte icherst, wie oberflächlich die meisten Menschen sind und wie wenig sie sich um die Grundsätze der christlichen Lehre kümmern.

Meine sogenannten guten Freunde entpuppten sich als eiskalte Egoisten. Keiner von ihnen konnte den Schmerz um den Verstorbenen verstehen. Statt Mitleid zu äußern, versuchten sie mir begreiflich zu machen, daß der Tod früher oder später hätte kommen müssen. Das war nun wirklich ein schwacher Trost für mich. Doch plötzlich wurde mir bewußt, daß ich mich, so wie viele meiner Freunde, bisher noch nie so richtig mit dem Sterben und der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod auseinandergesetzt hatte.

Ich begann, das Leben von einem anderen Gesichtspunkt aus zu betrachten. Deshalb fragte ich meine Freunde, ob sie an Gott und an ein Weiterleben glaubten. Die meisten von ihnen meinten zwar, katholisch zu sein, sich aber bis dahin mit solchen Fragen noch

nicht auseinandergesetzt zu haben.

Ich merkte, daß meine beste Freundin den Umgang mit mir mied; ihr waren meine Fragen un-angenehm,denn sie wußte nicht, was sie mir antworten solle. Es störte sie, daß ich nicht mehr so in den Tag hineinlebte wie bisher. Außerdem spürte ich, daß sie Angst davor hatte, mit dem Tod näher in Berühnmg zu kommen.

Viele Menschen vermeiden sogar den Umgang mit ihren besten Freunden, wenn diese einen Todesfall in der Familie haben. Sie sind dem Tod gegenüber ratlos. Die Angst steckt in ihnen, sie wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden. Deshalb versuchen sie, die

Tatsache zu verdrängen, daß es den Tod gibt und auch sie von ihm betroffen werden.

Besonders stark ist mir diese Flucht vor dem Tod bei einem Freund der Familie aufgefallen. Er hatte zwischen zwei Terminen gerade noch Zeit gefunden, den letzten zehn Minuten der Beerdigung beizuwohnen. Für die Messe ging es sich natürlich nicht mehr aus.

Jugendliche flüchten in den Drogenrausch, Erwachsene greifen zum Alkohol, wenn sie mit dem Leben nicht fertig werden. Für sie hat alles keinen Sinn, sie wissen nicht, warum und wofür sie leben. Der heutige Mensch glaubt, daß das Glück im materiellen Erfolg liegt, er meint, sich mit Geld alles kaufen zu können, sogar das Prestige gegenüber dem Mitmenschen. Um so reicher er ist, desto mehr wird er von den anderen geschätzt. Darin unterliegt er einem schweren Irrtum.

Nicht umsonst hatte der bekannte Psychologe Viktor Frankl ein so großes Publilnim bei Vorträgen über das „Leiden am sinnlosen Leben". Der Großteil der Zuhörer entstammt Familien, die einen gewissen materiellen Wohlstand erreicht haben, aber sie suchen nichts anderes als Befreiung von ihrer Urangst.

Diesen Menschen erschiene das Leben weniger sinnlos, wenn sie nicht nur an sich und ihre Probleme dächten. Wer in christlicher Nächstenliebe lebt, sich fragt, wie er seinem Mitmenschen helfen kann und sein höchstes Streben nicht auf seine eigene Bequemlichkeit richtet, dem kann Gott Sinn in seinem Leben geben. Dann gäbe es keine Angst und keine Flucht vor dem Tod, dann hätte der Mensch erkannt, wofür er lebt.

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