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Die Frage des Zeitpunkts

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Es hat der österreichische Schriftsteller Friedrich Torberg das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen bekommen. Gerade in diesen Tagen. Ja, in diesen Tagen, in denen er durch Autoren eines ebenso umfangreichen wie fragwürdigen Buches ' beschimpft, beleidigt, mit Schmutz beworfen worden ist.

Gerade zur Zeit, in der diese „Österreichische Literaturgeschichte der Gegenwart“ auf das Publikum losgelassen wird, fand ein burgen-ländischer Historiker einige wichtige anerkennende Worte für Friedrich Torberg. Der Historiker heißt Fred Sinowatz und ist Bundesminister für Unterricht und Kunst.

In seiner Rede anläßlich der Übergabe des Ehrenzeichens an Torberg, ist Sinowatz auch darauf zu sprechen gekommen, daß der Theaterkritiker Torberg in der Nachkriegszeit mit den Mitteln der Publizistik das Erscheinen von Bert Brecht auf den Wiener Bühnen bekämpft hat. Ja, gewiß. Denn — so sagte Sinowatz sinngemäß — man muß auch die Zeiten in Betracht ziehen, und bei akuter Bedrohung durch eine Diktatur ist der Kampf gegen die Vertreter dieser Diktatur eine Notwendigkeit.

Auch hat Sinowatz in seiner Rede keinen Hehl daraus gemacht, daß ihm Torbergs ursprüngliches „Forum“ lieber war als das heutige „Neue Forum“.

Es blieben freilich, bei allen freundlichen Worten, noch genügend Vorbehalte und sachliche Differenzen; und auch scherzhafte Redewendungen wollten, konnten und sollten nicht verdecken, daß Sinowatz über sehr viele Dinge anders denkt als Torberg. Jedoch: der Minister wußte, was er tat, als er sich zur persönlichen Stellungnahme entschloß. Gerade jetzt. Und gerade so.

Die Dankrede, die Torberg anläßlich der Übernahme des Ehrenzeichens hielt, hat folgenden Wortlaut:

Bitte legen Sie es mir nicht als eitle Ruhmredigkeit aus, wenn ich Ihnen sage, daß ich mich nicht zum erstenmal in der ebenso erhebenden wie beschämenden Situation befinde, Worte des Dankes für eine mir erwiesene Auszeichnung zu formulieren. Ich sage das deshalb, weil die Verlegenheit, in die ich da gerate, heute um nichts geringer ist als beim erstenmal. Sie ist sogar größer als je zuvor, denn die Auszeichnung, die mir heute zuteil wird, ist die höchste meines Lebens, ja überhaupt die höchste, die un-sereinem von der Republik Österreich verliehen werden kann. Ich habe versucht, der Geschichte dieser Auszeichnung ein wenig nachzugehen, und dabei ist mir ein Beitrag in der jüngsten Nummer der „österreichischen Hochschul-Zeitung“ zu Hilfe gekommen; er stammt von Sektionschef Dr. Walter Brunner, dem Leiter der Hochschulsektion im Ministerium für Wissenschaft und Forschung, und der überaus kenntnisreiche Verfasser zitiert darin ein Handschreiben Kaiser Franz Josephs aus dem Jahr 1887. Dort heißt es — auszugsweise — wie folgt:

„Lieber Graf Trauttmansdorff! In Genehmigung Ihres diesfälligen, nach gepflogenem Einvernehmen mit dem Minister Meines Hauses und des Äußeren und mit Meinen beiderseitigen Ministerpräsidenten Mir erstatteten Antrages, finde ich Mich bestimmt..., ein Ehrenzeichen zu gründen, welches in Zukunft zur Anerkennung hervorragender Verdienste auf dem Gebiete der Wissenschaften und der Kunst dienen soll.“

Und es heißt dann weiter, daß auf dem Orden die Inschrift „litteris et artibus“ anzubringen ist.

Das war, wie gesagt, 1887. Ich war damals noch nicht geboren und noch nicht einmal annähernd geplant, aber ich bin dann doch noch unter der Regentschaft des Schöpfers dieser Auszeichnung zur Welt gekommen und habe immerhin acht Jahre noch unter seiner Regentschaft gelebt. Mit der Auszeichnung war es 1918, wie mit so manchem andern, vorbei. Aber sie ist 1956, vor genau zwanzig Jahren, wiederentstanden, sie wurde von der Republik Österreich, von der Zweiten Republik, neu geschaffen. — und siehe da: sie heißt genau wie damals „Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst“, und sie trägt genau wie damals die lateinische Inschrift „litteris et artibus“.

Meine Damen und Herren, ich erzähle Ihnen das nicht, um mit eilig erborgten Kenntnissen zu prunken, sondern weil mir hier eine Kontinuität gewahrt scheint, eine zutiefst humanistische Kontinuität, die zu unser aller Lebzeiten so grausam und grauenhaft unterbrochen war, daß wir während jener sieben Jahre, die wir vom „Tausendjährigen Reich“ abbekommen haben, bisweilen zweifeln mochten, ob sie sich jemals wieder fortsetzen würde. Nun, sie hat sich fortgesetzt. Das neue Österreich hat dafür gesorgt, daß sie gewahrt bleibt. Und ich glaube: darauf dürfen wir alle stolz sein.

Das war es, was ich sagen wollte. Und es geschieht im Sinn und im Geist dieser humanistischen Kontinuität, daß ich die hohe Auszeichnung, die mir heute zuteil wird, in Empfang nehme, mit Dank und Demut, und nicht nur als Auszeichnung, sondern mindestens gleichermaßen als Verpflichtung. Ich werde mein Bestes tun, um dem mir verliehenen Ehrenzeichen Ehre zu machen.

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