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Die Frau als „Nahrung" des Mannes

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Den Einheitlichen Islam gibt es nicht, schon gar nicht in Sachen Sexualität

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Den Einheitlichen Islam gibt es nicht, schon gar nicht in Sachen Sexualität

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Geographische, ethnologische, soziale und politische Unterschiede sorgen dafür, daß man nur schwer von einer „islamischen" Sexualethik sprechen kann. Keine überregionale geistliche Obrigkeit regelt verbindlich für alle Moslems Fragen wie Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch. Diese Fragen bleiben dem Gutdünken und der Ratio der islamischen Staaten überlassen. So konnte in Ägypten lange von staatlichen Stellen über Geburtenregelung diskutiert werden, ohne daß sich ein islamischer Würdenträger zu Wort gemeldet hätte. Andere Länder, die sich über zu geringe Geburtenraten Sorgen machen, beispielsweise der laizistische Irak, haben den Zugang zu Verhütungsmitteln wieder erschwert - ohne sich dabei auf Gottes Willen berufen zu müssen.

Im allgemeinen gilt für das Sexualverhalten in den islamischen Ländern dasselbe wie überall: Der Einsatz beispielsweise von Verhütungsmitteln oder auch die Anwendung gewisser Sexualpraktiken hängt eher von der sozialen Schicht als von religiöser Überzeugung ab.

Natürlich haben sich Islamisten -wie Fundamentalisten jeglicher Couleur - des Themas Sexualität angenommen. Sie beziehen sich außer auf den Koran vor allem auf die Überlieferungsliteratur (Anekdoten aus dem Leben des Propheten Muhammad, aus denen die Moslems das rechte Verhalten ableiten sollen).

Das Bild stellt sich nach den alten Quellen - vor allem auch nach dem „Buch von der Ehe" von al-Ghazali (gestorben 1111), einem Theologen von nachhaltigem Einfluß - so dar: Der Geschlechtstrieb ist keineswegs etwas Böses, ganz im Gegenteil, die lustvolle (!) Stillung des Triebes ist durchaus gottgefällig - sofern es im Rahmen des Erlaubten geschieht; außerehelicher Verkehr wird bekanntlich schwer geahndet.

Laut al-Ghazali ist die Ehe eine „Schutzwehr gegen den Teufel", die Sexualität „eine Nahrung, die der Mensch nicht als verboten betrachten soll" (Koran Sure 5, Vers 87), wobei sich Nahrung laut folgender Überlieferung von al-Ghazali auf die Frau bezieht: „Als einmal der Prophet ein fremdes Weib erblickte, ging er zur Zäinab (eine seiner Ehefrauen) und befriedigte sein Bedürfnis. Als er wieder hinauskam, sagte

er: Wenn ein Weib kommt, so ist es, als ob ein Teufel käme. Wenn darum einer von euch ein Weib sieht und es gefällt ihm, so gehe er zu seinem Weibe, denn er wird bei ihr dasselbe finden wie bei jener."

Dennoch wird der Orgasmus ursprünglich sehr wohl auch der Frau zugestanden. Muhammad selbst ermahnte immer wieder die Männer, ihre Frauen „nicht wie Tiere zu besteigen". Im Widerspruch dazu soll der Prophet laut einer Überlieferung die barbarische Beschneidung (Exzi-sion der Klitoris) der Frau, die nur dazu dient, der Frau die Orgasmus-fähigkeit zu nehmen, gestattet, ja sogar dazu ermutigt haben. Überhaupt ist die Sexualität der Frau etwas Bedrohliches, das unbedingt kontrolliert werden muß - nach Gutdünken dessen, der Gewalt über sie hat.

Der Sexualakt muß keineswegs an

den Wunsch zur Fortpflanzung gebunden sein. Al-Ghazali meint vielmehr, er solle dem Menschen Lust auf die im Paradies verheißenen Wonnen machen! So sind die in den Überlieferungen geschilderten moslemischen Menschen des Paradieses keine geschlechtslosen Wesen, ganz im Gegenteil: sie werden sich unbeschränkter Potenz (al-Suyuti: „Zustand der vollkommenen Erektion") erfreuen — wobei den Männern sich ständig erneuernde Jungfrauen zur Verfügung stehen werden.

Homosexualität gilt als Verstoß gegen die Ordnung der Welt; Gott verdammt diejenigen, welche die „Seiten der Erde" vertauschen. Doch wird in den Überlieferungen auch die Faszination des Knaben (größer als die von 70 Frauen) beschrieben, und der Löwenanteil von erotischer Poesie richtet sich an Männer.

Die Frage nach dem Unterschied zwischen christlicher und islamischer Sexualethik beantwortet vielleicht am besten ein Zitat aus dem Werk des tunesischen Scheichs al-Nefzawi: „Gepriesen sei Gott, der die größte Lust des Mannes in den Schoß der Frau gelegt hat, und die größte Lust der Frau in die entsprechenden Organe des Mannes."

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