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Die Frau für den Import-Abortus

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Im heurigen Frühjahr sorgte die praktische Ärztin Miha- ela Radauer in Kollegen- und Abtreiberkreisen für Aufregung: Die in der Wiener Gutenberggasse ordinierende Doktorin hatte in Serienrundschreiben an in- und ausländische Kollegen nicht nur ungeniert ihre Abtreibungsdienste ange- boten, sondern versuchte auch mit der Überweisung von unverlangten „Honoraranteilen” - kurz: Provisionen - Zutreiber zur Abtreibung bei Laune zu halten.

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Im heurigen Frühjahr sorgte die praktische Ärztin Miha- ela Radauer in Kollegen- und Abtreiberkreisen für Aufregung: Die in der Wiener Gutenberggasse ordinierende Doktorin hatte in Serienrundschreiben an in- und ausländische Kollegen nicht nur ungeniert ihre Abtreibungsdienste ange- boten, sondern versuchte auch mit der Überweisung von unverlangten „Honoraranteilen” - kurz: Provisionen - Zutreiber zur Abtreibung bei Laune zu halten.

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Die Radauer-Werbebriefe, mit denen sie sich als Frau für den Import- Abortus empfahl, nahmen ihren Weg nach Italien, Deutschland und die Schweiz. Und über die eidgenössische Korrektheit stolperte Radauer dann auch: Eine Züricher Ärztin, die nach eigenen Angaben nie Frauen zur Abtreibung nach Wien geschickt hatte, erhielt Anfang März von Radauer ein Schreiben, in dem diese sich „für die bisherige Zuweisung von Patientinnen” bedankte, sich aber leider auch gezwungen sah, ihr „mitzuteilen, daß ich infolge von Per- sonalrestruktuierungen und allgemeinen Teuerungen” den Preis für Interruptionen auf öS 5800,- bis 6300,- erhöhen müsse”.

„In Anbetracht der öfters auftretenden Situation, daß Patientinnen herkommen und nicht bezahlen können, mache ich Ihnen den Vorschlag, daß die Patientinnen den gesamten Preis Ihnen bezahlen, von Ihnen dann hierüber eine Bestätigung erhalten und Sie dann so freundlich sind, den entsprechenden Betrag für mich im Namen der Patientin auf ein Bank- oder ein Post- scheck-Konto überweisen”, bot Radauer „mit kollegialem Hochachtungsvoll” für die Geschäftsabwicklung an.

Da nun das Ärztegesetz es einem Arzt verbietet, für die Zuweisung von Patienten an ihn eine Vergütung sich oder einem anderen zusichern zu lassen und auch ein Arzt, der die Dienste eines Dritten für die Vermittlung von Patienten in Anspruch nimmt, dagegen verstößt, wurde der Disziplinar- anwalt der Ärztekammer aktiv.

Erfolg: Mit Erkenntnis des Diszi- plinarsenates beim Gesundheitsministerium vom 19. Mai wurde über Mihaela Radauer „die Disziplinarstrafe der Untersagung der Berufsausübung für die Dauer von drei Monaten unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren verhängt”.

Die Ärztin, in deren Ordination von gleichgesinnten Kollegen am Fließband abgetrieben wird - „Tagesrekord” waren, nach eigenen Angaben, 30 Abtreibungen -, kann zufrieden sein: Praktisch ist ihr nichts passiert, weil das Gesetz nicht mehr zuläßt.

Sie kann auch hoffnungsvoll in die Zukunft blicken: Sie hat sich ja schon ihren festen Zutreiberstock aufbauen können, womit auch künftig Schü- ling, Mark und Franken rollen.

Jetzt will sie auch die Enge ihrer Ordination verlassen, um noch größer ins Geschäft zu kommen: Von Mihaela Radauer stammt der - neben dem der „Gesellschaft für Schwange- renhüfe Ges. m. b. H” (FURCHE, Nummer 38) - zweite Antrag zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt, der nun den Wiener Gesundheitsbehörden zur Bewilligung oder Ablehnung vorliegt.

Der Standort der Radauer-Abtrei- beklinik soll - so die Unterlagen - die Wiener Mariahilferstraße 136 sein, ein Bürogebäude, in dem man derzeit noch die Miele-Verkaufsgesellschaft mit zwei anderen Büros vorfindet.

Mit ihren Anlockmethoden geht Radauer freilich - trotz Diziplinar- strafe - eigene Wege. Auf ihrem Ordinationsschild in der Gutenberggasse preist sie sich als praktische Ärztin für „alle Kassen” (Foto) an. Eine erste Stichprobe genügte, um die Irreführung ans Licht zu bringen: mit der Wiener Gebietskrankenkasse gibt es beispielsweise keinen Vertrag.

Mit der skrupellosen Vermarktung der Fristenlösung steht Radauer aber nicht allein da: In Zeitungsinseraten (siehe Faksimile aus der „Kronenzeitung” vom 16. September, Seite 55) bieten Privatgeschäftsvermittler ihre Zutreiberdienste an.

Die „Libera”-Gesellschaft in der Wiener Webgasse ist dabei ein eigenes Kapitel. Sie ist aus der „Beham T. Ges. m. b. H.”, die im Sommer 1976 gegründet wurde,’hervorgegangen. Gesellschafter der „Libera” sind die Wiener Krankenschwester Theresia Beham, ihr Gatte Alfred Beham (laut Handelsregistereintragung: Beamter) und die Krankenschwester Christine Ackerler aus Wien.

Mit von der Beham-Partie war zu Beginn auch der Angestellte Ludwig Mayrhofer aus dem niederösterrei-. chischen Sollenau, der jedoch seinen Anteil bei der Umwandlung in die „Libera” an die anderen Gesellschafter abgegeben hat

Den Behams ist dabei schon zweimal ein Mißgeschick passiert, ohne daß ihnen dabei etwas passiert wäre. Ähnlich wie Radauer verschickten sie Werbebriefe an Ärzte, in denen sie ihre Zutreiberdienste feilboten. Das konkrete Angebot bezog sich auf die Vermittlung von Abtreibungen mit der „Absaugmethode - und nachcurettieren!” mit folgenden Kosten: „je nach Fall ca. 5000,- bis 7000,- plus Vermittlungsgebühr incl. 10.000,-; Aufenthaltsdauer: ca. 4-5 Stunden”.

Ein Vorstoß der Ärztekammer beim Handelsgericht, dagegen einzuschreiten, wurde an das Magistratische Bezirksamt für den 6. und 7. Wiener Gemeindebezirk weitergeleitet. Doch der Magistrat fand sich zu nichts veranlaßt. „Die an das Handelsgericht Wien gerichtete Anzeige. .. wir rückübermittelt, da nach dem Wortlaut der Anzeige allfällige Verwaltungsübertretungen nur von den betroffenen Ärzten, nicht jedoch von der T. Beham Gesellschaft begangen wurden”, teilte die Bürokratie mit.

Auch der Entzug der Gewerbeberechtigung zur Privatgeschäftsvermittlung im heurigen Juni störte die Firma Beham nicht sonderlich; man verdiente zu diesem Zeitpunkt ja bereits als „Libera” an der „liberalen” Fristenlösung hierzulande.

Anders liegt der Fall bei der Privatgeschäftsvermittlerin Edeltrud Rustwurm in der Wiener Adamsgasse. Sie dürfte nach ihrer Berechtigung „zwischen befugten Gewerbetreibenden einerseits und deren Kunden andererseits” vermitteln. Da aber Ärzte nun einmal keine Gewerbetreibenden sind, für die sie via Inserat (s. Faksimile) Kundschaft anlockt, müßte ihr theoretisch die am 11. April 1978 erteilte Gewerbeberechtigung entzogen, das Handwerk gelegt werden.

Wer angesichts dieser Zu- und Abtreibepraktiken die Beteuerungen der politischen Verfechter der Fristenlösung im Ohr hat, daß man die Augen vor solchen menschlichen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, in denen geradezu „Profitmaximierung” betrieben, unappetitliche Reklame gemacht und die ärztliche Kunst ertragreich vermarktet wird, nicht verschließen wird, müßte annehmen, daß die beiden Anträge zur Errichtung von mehr oder minder getarnten Abtreibungskliniken in Wien abgelehnt werden - egal ob die „Gesellschaft für Schwangeren- hilfe Ges. m. b. H.” mit dem klingenden Namen Alfred Rocken- schraubs winken kann oder ob es sich - wie im Fall Radauer - um eine Ärztin mit einschlägigem Disziplinarvergehen handelt.

Wobei es für die Wiener Gesundheitsbehörden auch schwer sein dürfte, sich bei einer eventuellen Bewilligung auf den Bedarf auszureden.

Denn immerhin hat sich in der gynäkologischen Versorgung der Bundeshauptstadt eher ein gegenteiliger Bedarfstrend bei der Behörde gezeigt: Die Gersthofer Frauenklinik wurde in ein Krankenhaus für Fußmarode umgewandelt und das Wiener Frauenhospiz in der Peter Jor dan-Straße wurde von der Wiener Gebietskrankenkasse um 20 Millionen Schilling an den Bund verkauft; heute ist dort die Wiener Internationale Schule untergebracht.

Andererseits beschloß der Wiener Gemeinderat knapp vor den Sommerferien mit kompakter SPÖ- Mehrheit einen Zubau zum Florids- dorfer Krankenhaus für rund zehn Milli.onen Schilling, um dort eine gynäkologische Ambulanz einzurichten. In Ermangelung einer derartigen Ambulanz wird nämlich einstweilen in der chirurgiscBen abgetrieben. Dies aber stört die roten Stadtväter, da - so die Antragsbegründung -, ,der Ambulanzbetrieb mit täglich 80-90

Patienten völlig überlastet ist” und es „durch diese zusätzlichen .Eingriffe” zu stundenlangen Wartezeiten” kommt.

Heute machen nicht nur - offiziell und bewilligt - zwei Wiener Abtreibungskliniken als private Krankenanstalten ein gutes Geschäft, es werden auch an acht Abteüungen in Wiener Spitälern Schwangerschafts- abbrüche vorgenommen: Von August 1978 bis Ende des Vormonats ließen in diesen acht Krankenhäusern, amtlich registriert, 5578 Kinder vorzeitig ihr Leben.

Das sind aber auch schon die einzigen statistischen Daten, über die die Wiener Gesundheitsbehörde verfügt. Denn gegen eine umfassende Abtrei- bunsstatistik, die unter voller Wahrung der Anonymität über’Zahlen und Motive bei Abtreibungen Auskunft gibt, ist nicht nur Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter, sondern auch die SPÖ-Mehrheit im Nationalrat.

Aber ohne eine solche Statistik wird es nie gelingen, das Lippenbekenntnis, wonach die Abtreibung weder eine wünschenswerte noch eine empfehlenswerte Methode der Geburtenregelung sein soll, glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem starren Nein der SPÖ-Mehrheit, gesetzlich eine Trennung zwischen dem beratenden und dem abtreibenden Arzt vorzuschreiben. Wer zu einer derartigen Gesetzesänderung nein sagt, sagt ja zum derzeitigen Geschäft mit der Fristenlösung, bei dem die Abtreibungsärzte vor allem zum eigenen Vorteil und für die eigene Tasche beraten.

Wenn die Wiener Gesundheitsbehörden die Errichtung neuer Abtreibekliniken bewilligen, wird Wien zum europäischen Abtreibungsmekka. Vieles deutet darauf hin, daß der 45jährige Engländer Douglas F. Moore, über dessen Firmenimperium wir in der Vorwoche berichteten, schon längst die Weichen gestellt hat. Erhalten er und Radauer grünes Licht?

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