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Die Frau wird nicht allein gelassen

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Jahrhunderte hindurch war „die Frau” kein Thema der Diskussion, denn die Frau hatte ihren unangefochtenen Platz in der Kirche und im Ordnungsgefüge der Gesellschaft. Sie selbst war damit zufrieden, auch wenn sie nicht Priester werden konnte und nicht in der offiziellen Verkündigung ihre Stimme erheben durfte. Sie gab den Glauben zusammen mit ihrem Gatten weiter an ihre Kinder und begleitete den Glaubensweg ihrer Lieben. Sie betete in Heim und Gottesdienst. Sie litt und trug ihre Leiden und Sorgen aus der Kraft des Glaubens und erkannte sich vielfach im Bild der Schmerzensmutter.

So ist es auch erklärlich, daß diese Lebenssituation der Mutter des Herrn zum beliebtesten religiösen Bild wurde. Und wenn es die Lebensumstände so wollten und die Frau nicht heiratete, trug sie mit an den Sorgen und Aufgaben in den Familien ihrer Verwandten oder fand ihre sinnvolle Lebensaufgabe in einem der zahlreichen weiblichen Orden.

Heute ist die Frau in Kirche und Gesellschaft zum Thema, zur Frage geworden. Ja, die Stellung der Frau ist in allen Bereichen erschüttert, oder, positiv ausgedrückt, die Frau ist in Kirche und Gesellschaft auf der Suche nach ihrer Identität, Stellung, zukünftigen Rolle in der Gesellschaft.

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In diesem Suchen fühlen sich Frauen vielfach allein gelassen oder mißverstanden, leider auch von der Kirche oder von ihren Priestern.

Wie ist es zu diesem für viele schmerzlichen Zustand gekommen? Ausgangspunkt ist ein gesellschaftlicher Prozeß, der der Frau einen neuen Platz zuweist,nicht mehr bloß in Haus und Familie, sondern in der gesamten Gesellschaft, im kulturellen Bereich und in der Politik.

Die Kirche ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen, denn wenn sich die Stellung und Rolle der Frau in der Welt ändert, dann eben auch in der Kirche, denn die Kirche lebt in der Welt. Darüber hinaus muß auch die theologische Entwicklung und die Einbeziehung der Erkenntnisse der Antropologie als Ursache der kirchlichen Diskussion in Betracht gezogen werden.

Schließlich sind es die Frauen selbst, die an Ergebnissen in dieser Frage interessiert sind, die zwar gelassen, aber nicht mit unbegrenzter Geduld, auf Konsequenzen warten.

Papst Johannes XXIII. hat diese Entwicklung, daß nun „die Frau in die Verantwortung der Öffentlichkeit eintritt”, als Zeichen der Hoffnung für die gesamte Menschheit gedeutet. Es ist hoch an der Zeit, dieser prophetischen Deutung beizutreten und die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Der österreichische Katholikentag sollte sich in seiner Meinungsbildung und öffentlichen Deklaration dieser positiven Beurteilung anschließen und so einen Beitrag zur positiven Konsensbildung leisten.

Es mag auch negative Stimmen geben, die Probleme und Fehlentwicklungen in Detailbereichen so überbewerten, daß sie die Entwicklung selbst negativ bewerten. Einer Orientierung an der Botschaft Jesu wird eine solche Beurteilung nicht standhalten.

Es wird mitunter behauptet, daß der neuen Stellung der Frau die Haltung zugrunde liegt, daß die Frau nicht mehr dienen will. Sie will dienen, aber sie will anders dienen, aktiv und selbstbewußt, im vollen Bewußtsein ihrer Würde, ihrer Fähigkeiten und ihrer unersetzlichen Bedeutung. Die Frau will beachtet werden, nicht weil sie geltungssüchtig geworden wäre, sondern weil sie es ihrer Würde schuldig ist

Auch die Frage nach den Möglichkeiten der Mitarbeit am kirchlichen Auftrag ist aus der Kenntnis der Lehre des Konzils über das Volk Gottes und seine Aufgabe zu sehen.

Und wenn sich heute auch die Frage nach der Frauenordination neu stellt, so deswegen, weil im heutigen biblischen und theologischen Bewußtsein das Verhalten Jesu der Frau gegenüber als einzigartig und alle Dimensionen sprengend erkannt wurde.

Diese Frage ist allerdings nicht die erste und soll auch in der Katholikentagsvorbereitung nicht im Vordergrund stehen, weil die Zeit für eine emotionslose Antwort noch nicht gegeben ist. Wohl aber sollen alle jene Themen ausführlich behandelt werden, die schon heute Antworten zulassen und es sollen alle jene Möglichkeiten erschlossen werden, die heute schon gegeben sind und häufig nicht benützt werden, zum Teil, weil die Frauen selbst unsicher sind, zum Teil, weil bestehende Strukturen und Gewohnheiten eine Nützung der bestehenden Möglichkeiten erschweren.

Die mit der „Frauenfrage” zusammenhängenden Anliegen sollen bei der Studientagung vom 28. -30. 1. 1983 behandelt werden. Es wird dabei weniger auf — hoffentlich — geglückte Formulierungen als Ergebnis der Beratung ankommen als darauf, daß durch den österreichischen Katholikentag die Gewißheit vermittelt wird, daß die Frau in dieser schwierigen und zugleich hoffnungsvollen Situation nicht allein gelassen wird.

Schließlich sollen auch konkrete Taten folgen, nicht nur Worte. Denn die Frau hat in der Kirche nicht nur eine große Aufgabe, sondern auch ein Recht auf gute Beheimatung.

Kanonikus Monsignore Josef Wiener ist Direktor des Pastoralamtes der Diözese Linz und Vorsitzender der Diözesankommission für das Diözesanjubiläum.

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