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Die Frau zwischen zwei Stühlen

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Je länger man darüber nachdenkt, um so aberwitziger wird sie: die modische Verhöhnung der „Nur-Hausfrau“; denn in diesem „Nur“ steckt ja eine verordnete Verminderung, die heimliche Plakatierung: sinnloses Drohnenoder Sklavendasein, steckt die apodiktische Forderung nach Berufstätigkeit, nach Emanzipation und Selbstverwirklichung. Unter diesem Trend kommen unsere Frauen nicht wirklich zu ihrer Emanzipation, können sie nicht dort beginnen, wo sie allein beginnen dürften: nämlich beim vorurteilslosen Nachdenken über sich selbst und ihr eigenes persönliches Leben, sondern sie sitzen fatal alleingelassen zwischen zwei Stühlen und schlittern heute nur allzu leicht direkt zu ihrem Unheil mitläuferisch in einen Strudel hinein.

Wer will, wer kann es sich denn schon erlauben, ein Leben zuführen, das von der Umwelt mißachtet wird? Und so überläßt manche Frau ihre kleinen Kinder kopflos zwischen Kinderkrippe und Babyhotel einem Postpaketdasein, dreht sich hektisch im Achtstundenarbeitstag,dreht sich abends gereizt in den zu Bergen sich häufenden häuslichen Pflichten weiter. Und in wievielen Fällen dauert es nur ein paar Jähr-chen, ehe sich die grausame Rechnung auftut: eine verstörte, schließlich eine zerstörte Familie, nicht nur Sinnentleerung, sondern Sinnverhöhnung, Sinnentartung eines doch so bemühten Lebens.

Natürlich gibt es auch die eine oder andere Frau, die das alles kann, die mit dem großartigen Organisationstalent, das Gefühlsgenie, die mit dem dauerhaft zupackenden Ehemann (diesem so ganz seltenen Exemplar), den durch und durch robusten Kindern. Aber sie sind große Ausnahmen, keineswegs die Regel.

Für andere Frauen bedeutet die vom Trend erzwungene Berufstätigkeit neue und schlimme Versklavung, Überlastung, Entfremdung von sich selbst. Emanzipation heißt aber Befreiung. Die echte Befreiung der Frau ist nur möglich, wenn sie zunächst einmal zu mehr Bewußtsein und schließlich über diesen Weg zu mehr Selbstbewußtsein kommt. Sie muß mehr Gespür für die besondere Eigenart ihres Wesens und damit auch ihres Wertes bekommen.

“r y nser Trend heißt: unsere mit 1 I modernen Haushaltsgeräten ausgestattete Nur-Hausfrau hat nichts zu tun, sie fällt in der Isolation ihrer Drei-Zimmer-Großstadtwohnung der Verdummung anheim - nun, sie fällt auch sicher, wenn sie nicht aufpaßt; aber jeder Mensch kann in jeder Situation der Verdummung anheimfallen, wenn er sein Leben nicht in die Hand nimmt. Ob wir bereits als junge Erwachsene geistig Gestorbene sind oder ob wir seelisch und geistig weiterwachsen, hängt leider weniger davon ab, was wir tun, als vielmehr davon, wie wir es tun.

.Hausfrauenarbeit kann hohe Kunst, sie kann auch stumpfer Nonsens sein. Aufräumen ist an sich keine sinnlose Tätigkeit, denn sie bringt schöne Ordnung hervor. Kochen ist nicht überflüssig, sondern geheimnisvolle Verwandlungskunst, die höchst Wertvolles vorbereiten sollte: nämlich die notwendige Befriedigung, den Frieden der Allernächsten. Moderne Ernährungsforscher haben festgestellt, daß das Einnehmen der sorgfältig bereiteten Mahlzeit im Kreis von einander sympathischen Menschen eine entscheidende Voraussetzung zur Gesundheit ist. Je mehr Zeit eine .Nur-Hausfrau für Tätigkeiten dieser Art hat, je mehr sie aus dem Bewußtsein ihres Wertes vollzogen werden, um so wertvoller werden sie für die Familie.

y “T nsereZeit ist in Gefahr, an ih-I / rer verzweifelten Neugier, an der Gier nach Neuem einen ungeheuren Seelenverlust zu erleiden. Wir vergessen darüber, daß alle Dinge erst zu leben beginnen, sich uns erst öffnen und Freude schenken, wenn wir ihnen in besinnlicher Pflege und Beachtung entgegenkommen. Bei den Blumen auf dem Fensterbrett ist das sehr deutlich sichtbar, bei den Kindern, den Hunden und Katzen, bei den Dingen in unserer Wohnung, bei der Nahrung, ja selbst bei unseren Männern ist das nicht anders.

Alles wird erst zur Freude, wenn wir uns intensiv, d. h. von innen her öffnen. Was für unermeßlich vielseitige Aufgaben hat eine Nur-Hausfrau, wie rufen die Wesen und Dinge ihrer Umwelt mehr oder weniger laut, mehr oder weniger ungeduldig nach ihrem Geist, nach dem Geist der Frau, die Ohren und Gespür hat für die Bedürfnisse und Wesenheiten ihrer Umwelt.

Von Natur haben die meisten Frauen Begabung für das Horchen auf ihre Umwelt. Deshalb kann man meistens schon beim Eintreten in ein Haus spüren, ob hier der Geist einer echten Haus-Frau lebt. Das soll nicht heißen, daß manche FamU lienmutter ihr Leben daraufhin anlegt - nach einem berufslosen Intervall, solange die Kinder klein sind -nicht wieder in den Beruf zurückzukehren, weil er ihr Lebenserfüllung bedeutet. Aber zur Verwirklichung eines solchen Programms braucht die Frau Hilfe von außen.

Sie müßte bestehen in: Organisation von Fortbildungskursen durch die Betriebe und Kontakt zu den pausierenden Angehörigen durch die Betriebe.

Örtlich organisierte Babysitterdienste für den Fortbildungsabend einmal in der Woche, damit die Familienmutter nicht das Gefühl bekommt, randständig zu werden und ihre Hoffnung real bleibt, eines Tages wieder in ihrem geliebten Beruf arbeiten zu können, ohne den Anschluß verpaßt zu haben.

Dringend sollte auch ein finanzielles Hilfsprogramm für diejenigen Mütter entworfen werden, die sich aus finanzieller Not oder Belastung die Berufslosigkeit für einige Jahre sonst nicht leisten könnten.

Alle diese Programme werden aber wirkungslos bleiben müssen, solange wir es nicht schaffen, die Männer, die Ehepartner, die jungen Väter von ihrer Vorstellung zu emanzipieren, daß Macht durch Geld allein die Priorität des Lebens darzustellen hat.

Die harten Jahre der jungen Mutterschaft werden die Frauen der Zukunft nur mit Fröhlichkeit und kraftvoller Zufriedenheit durchstehen können, wenn die Väter, die Ehemänner lernen, ihren Frauen höchste Anerkennung für diese ihre Opferbereitschaft zu zollen, wenn sie sie um dieser ihrer Entscheidung willen mehr lieben und stolz auf sie sind. Eben weil auch sie wissen, daß das persönliche Glück, wie auch die Zukunft des ganzen Kollektivs in weitgehendem Maße davon abhängt, daß es den jungen Müttern gelingt, ihren Kindern du^ch das Erlebnis der Geborgenheit die überschüssige Kraft zu schenken, die nötig ist, damit es in unserer Welt menschlicher zugehen kann.

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