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Die Freiheit klopft an

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Laibach, 26. Oktober 1991,0.05 Uhr. Die Sirenen in Stadt und Land künden die Botschaft: der letzte Soldat der Bundesarmee hat das Land per Schiff verlassen. Zurück blieb nur noch Kriegsgerät. Freilich konnten nicht alle vorgesehenen Waffen und Fahrzeuge mitkommen. „Schuld" war der kommandierende Offizier, der als erstes sein Privatfahrzeug auf das Schiff gerettet hat.

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Laibach, 26. Oktober 1991,0.05 Uhr. Die Sirenen in Stadt und Land künden die Botschaft: der letzte Soldat der Bundesarmee hat das Land per Schiff verlassen. Zurück blieb nur noch Kriegsgerät. Freilich konnten nicht alle vorgesehenen Waffen und Fahrzeuge mitkommen. „Schuld" war der kommandierende Offizier, der als erstes sein Privatfahrzeug auf das Schiff gerettet hat.

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Die Freude der Slowenen ist diesmal nicht so offenkundig, vielmehr verhaltener. Sorgen bereiten dem Mann auf der Straße die zahlreichen Flüchtlinge aus Kroatien. 30.000 sind es bereits, wissen kirchliche Mitarbeiter zu berichten. Gleichzeitig erzählen sie auch, daß sowohl ihre Unterbringung als auch ihre finanzielle Unterstützung angesichts der eigenen schwierigen Lage zunehmend auf Schwierigkeiten stößt. So wurden in einem europaweit bekannten Kurhotel 320 Kroaten einquartiert. Da sich kein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen in Kroatien abzeichnet, fürchten die Verantwortlichen bereits jetzt um die nächste Saison.

Und noch eins wollen die Slowenen beobachtet haben: nur drei der 320 Flüchtlinge besuchen regelmäßig den Gottesdienst. Trotzdem versucht man zu helfen - so gut es eben geht. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer heiklen Mission des slowenischen Innenministers, der in Wien Geld für die Flüchtlingsbetreuung locker machen sollte.

Ums liebe Geld geht es in den Gesprächen mit dem Direktor der neugegründeten, schon früher luiter gleichem Namen existierenden Tageszeitung „Slovenec". Pavle Bratina dirigiert fast 100 Mitarbeiter in Redaktion und kaufmännischem Management. Der Verkauf bleibt weit unter den Erwartungen. 15.000 Exemplare bei leicht steigender Tendenz sind es. Doch wegen technischer Schwierigkeiten erreichen nicht alle Exemplare den Kunden, der übrigens mit Kreditkarte kauft. Lächelnd erklärt uns Bratina, daß diese Form des Kaufes gut angenommen werde und im übrigen in Österreich verboten sei. Hilfe muß von außen kommen; eine Erklärung, die auch sonst immer wieder in den Gesprächen an erster Stelle kommt. Hilfe zur Selbsthilfe deklariert man, und spricht von Österreich und von Deutschland. Noch mehr Geld wird man benötigen, um ein großzügiges Medienkonzept der slowenischen Kirche zu starten. Zeitschriften und Bücher werden es in der nahen Zukunft schwer haben, ihren Mann, ihre Frau zu finden.

Willkürlicher Tolar-Kurs

Mit dem lieben Geld wird der Besucher Laibachs in diesen Tagen auf der Straße und nicht in der Bank konfrontiert. Man will sogar beobachtet haben, daß auch die Banken auf der Straße Geld einkaufen. Es geht um die neue Währung, den Tolar (SLT), kommt natürlich von Taler. Mafiaartige Gruppen von Albanern bieten das neue, provisorische Geld zu den von ihnen diktierten Kursen an. Das gilt auch für den stark sinkenden Dinar, für Schilling und DM. Schon fragen sich mitdenkende Bürger, wie lange die Behörden diesem Treiben noch zusehen können. Somit mischt sich in die Freude um die nunmehr auch im militärischen Bereich erzielte Unabhängigkeit Sorge, schlichte Befürchtungen angesichts eines strengen und entbehrungsreichen Winters.

Bald werden die Slowenen auch eigene Pässe bekommen - um eine runde Summe; man spricht von einem Gegenwert von 500 Schilling, doch wird der Aktionsradius des slowenischen Passes beschränkt sein. Erst zwölf Staaten akzeptieren ihn. Die Slowenen werden also noch längere Zeit mit zwei Reisedokumenten unterwegs sein müssen. Ein Fall, der die schwierige und zugleich hoffnungsvolle Zukunft signalisiert.

Europa wird helfen müssen, will es eine moderne Völkerwanderung von noch ungeahnten Ausmaßen verhindern. Die Slowenen sind frei, ohne langen Krieg und großes Blutvergießen. Andere werden ihnen folgen, ob Europa will oder nicht.

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