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Die Freiheit und die freie Welt
„Ich war in dieser freien Welt nicht einen einzigen Tag lang frei." Deshalb ist Stalins Tochter Swetlana Jossipowna Allilujewa jetzt nach siebzehn Jahren der Emigration wieder in die Sowjetunion heimgekehrt.
Heimkehr, das ist mehr als nur Rückkehr. Das ist ein Zurück in eine Lebensumwelt, an die das Gemüt gebunden ist, wo man sich
— einmal unabhängig von den Lebensumständen — daheim und geborgen fühlt.
Heimkehr, das ist eine durchaus verständliche Antwort auf die Sehnsucht nach Geborgenheit, auf das Heimweh, weil man sich anderen — wohl auch fremden — Lebensumständen und Verhältnissen nicht anpassen kann oder will.
Heimkehr, das ist ein verständlicher Schritt, an dem nichts Unehrliches haftet, keine Verlogenheit und kein Verrat. Unfrei in unserer freien Welt kann sich jeder wähnen, der sich heimatlos fühlt, weil eine wesentliche Voraussetzung zur Freiheit fehlt: Die Möglichkeit, sich seinem Wesen gemäß, und dazu gehört eben auch die emotionale Einbettung in die Umwelt, entfalten zu können.
Doch die Gefahr besteht, daß Swetlanas Worte über die „sogenannte freie Welt" eine ganz andere, nämlich eine durch und durch ideologisch-propagandistische Deutung erfahren, daß der
— ohne alle Anführungszeichen — freie Westen auf eine Stufe mit dem Totalitarismus im Osten gestellt wird, zu dessen System die Unfreiheit, der Entzug der Freiheit gehört.
Der Entzug der Freiheit: Das ist, wie der Eisenstädter Diözesanbi-schof Stefan Laszlo am Wochenende abschließend zur Tagung „Christ und Weltgestaltung" sagte, eine der drei großen Sünden wider die Freiheit.
Die beiden anderen: der Mißbrauch der Freiheit und ihr NichtGebrauch.
Mißbrauch und Nicht-Gebrauch: Nur daher droht der Freiheit in unserer freien Welt Gefahr. Sie in ihrer geistigen, persönlichen, demokratischen und sozialen Dimension verantwortungsvoll zu nützen ist der beste Beitrag, sie zu verteidigen.
Wer, wie auch Jean-Paul Sartre, jede Transzendenz leugnet, mag die Freiheit als Last empfinden, die menschliche Kräfte übersteigt. „Der Mensch", so ein Wort des Existenziälisten, „ist zur Freiheit verurteilt." Eine Einladung an jeden und jedes System, ihm diese Last zu nehmen. Aber damit nimmt man dem Menschen auch seine Würde, die sich in der Freiheit verwirklicht — und nur in der Freiheit.
Wir Christen sollten uns demgegenüber „zur Freiheit berufen" fühlen (Gal 5,13), sind aufgerufen, sie befreiend zu bezeugen. Vielleicht liegt es deshalb auch an uns, wenn Zweifel an der Freiheit in der freien Welt da und dort aufkommen mögen. Dann ist es Zeit, sich dieser Verantwortung zu besinnen.
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