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Die Früchte der Arroganz

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Seit Schwedens „U-Boot-Kommission” festgestellt hat, daß die Eindringlinge im Stockholmer Schärengürtel letzten Oktober russische U-Boote waren, kriselt es in den sowjetisch-skandinavischen Beziehungen.

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Seit Schwedens „U-Boot-Kommission” festgestellt hat, daß die Eindringlinge im Stockholmer Schärengürtel letzten Oktober russische U-Boote waren, kriselt es in den sowjetisch-skandinavischen Beziehungen.

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Schwedens sozialdemokratische Regierung antwortete mit einem Protest, der an Schärfe seinesgleichen sucht. Mit Worten, wie sie im diplomatischen Sprachgebrauch nicht an der Tagesordnung sind, stellte sie klar, daß man sich Provokationen wie die , systematische Erforschung schwedischer Gewässer durch Spionage-U-Boote nicht länger gefallen lassen will.

Ein Jahr vor der letzten U- Boot-Jagd war ein sowjetisches U-Boot, Atomwaffen mitführend, vor der südschwedischen Küste auf Grund gelaufen. Wer damals geglaubt hatte, den Sowjets sei die Episode peinlich und ähnliches werde sich nicht wiederholen, wußte spätestens ein Jahr danach, daß er sich getäuscht hatte. Die Spionagefahrten setzten unvermindert fort.

Nicht einmal die große U-Boot- Jagd des vergangenen Oktober mit der auf sie folgenden Ankündigung, Schweden werde künftig versuchen, fremde U-Boote zu versenken und die Folgen hätte die Macht zu tragen, die den Spion in die schwedischen Territorialgewässer schickte, schreckte die U-Boote ab.

Am Tag nach der Veröffentlichung des Berichts der U-Boot- Kommission begann die norwegische Marine eine (vergebliche) Jagd auf ein offensichtlich östliches U-Boot, und es verging nicht einmal eine Woche, ehe es auch in Schweden schon wieder U-Boot- Alarm gab.

Einstimmige Empörung in ganz Skandinavien ist die Reaktion. Winzige Splittergruppen Moskau-treuer Kommunisten sind die einzigen, die — dem TASS- Wortlaut folgend — die schwedische Beweisführung mangelhaft und nicht die sowjetischen Provokationen sondern die schwedische Reaktion darauf skandalös nennen.

Sonst aber stimmen selbst Gruppen, denen man NATO-Nä- he bestimmt nicht vorwerfen kann, in den Chor des Protestes ein: Eurokommunisten, Linkssozialisten und die parteiungebundene linke Presse verurteilten übereinstimmend die „sowjetische Großmachtarroganz”. Moskau erntet die Früchte seiner Provokationen.

Die laute Verstimmung, die in

Skandinavien derzeit herrscht, wird allerdings nicht zu einer Neuorientierung der Politik der nordischen Länder führen. Aus einem ganz einfachen Grund: Die Auffassung, skandinavische Politik sei ungebührlich moskaufreundlich, die sich zwischen Bonn und Brüssel manchmal breitzumachen schien, beruhte stets auf einer Fehlinterpretation:

Skandinavische Politik hatte immer skandinavische Interessen im Auge. Nur sind diese skandinavischen Interessen nicht immer gleichbedeutend mit jenen der mitteleuropäischen NATO-Länder, die mit scheelem Blick nach Nordeuropa schauen.

Ein Beispiel sind die atomwaffenfreien Zonen, die meist gescholtene außenpolitische Idee, die aus Skandinavien kam: Nur ein nordisches Land ist an einem atomwaffenfreien Norden ohne viel Wenn und Aber interessiert. Das ist Finnland. Auch Finnland aber will die Anti-Atomwaffenzone, nicht weil die Sowjets sie gerne hätten, sondern weil sie für Finnland tatsächlich ein Beitrag zur eigenen Sicherheit wäre.

Wenn Schweden, Dänen oder Norweger vom atomwaffenfreien Norden sprechen, klingt das anders. Dann ist,eine solche Zone derart mit Bedingungen verbrämt, daß der Abständ zur Position Moskaus — und wohl auch zur Realität - sehr groß wird. Wenn diese Zone Teil einer allgemeinen europäischen Abrüstungslösung ist, wenn sie auch sowjetisches Gebiet umfaßt und dabei die Ostsee von sowjetischen atomwaffentragenden U-Booten reinigt, dann könnte wohl selbst ein NATO-Falke nur schwer gegen den atomwaffenfreien Norden sein.

Solche Bedingungen aber stellen die Skandinavier auf, wenn Sie ihre Zone fordern. Dänemark und Norwegen wollen die Zone zudem nur, wenn sie in Übereinstimmung mit den NATO-Partnern verankert werden kann. Und auch Olof Palme, der Ministerpräsident des neutralen Schwedens, hat stets nachdrücklich betont, daß einseitige Abrüstung nicht im schwedischen Interesse liegt und die Gegenseitigkeit zum Grundprinzip der so dringend notwendigen Reduzierung der Waffenarsenale gemacht.

Auch Olof Palmes Plan mit einem Gürtel ohne taktische Kernwaffen in Zentraleuropa, der im Westen negative und im Osten recht positive Aufnahme fand, ist von den Schweden nicht in die Diskussion geworfen worden, um sowjetische Positionen in Europa zu verbessern. Er soll vielmehr eine Gesprächsgrundlage in einer Zeit sein, in der das Klima zwischen Ost und West auf den Gefrierpunkt gerutscht ist. —

Das Gesprächsklima zwischen Ost und West zu verbessern, haben skandinavische Politiker stets als eine ihrer wichtigsten Aufgaben angesehen. Gerade deshalb sind sie jetzt so enttäuscht über Moskaus Vorgehen.

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