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Die „gefährlichen Sieben“

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Wie man aus der Not eine Tugend macht, bewies ÖVP-Ob-mann Karl Schleinzer mit der Nominierung einer 7er-Crew für die Nationalratswahlen am 5. Oktober 1975. Sein Wahlkampfteam, bestehend aus dem ÖAAB-Obmann Mock, dem Wirtschaftsexperten Professor Koren, dem Bauernbund-Direktor Lanner, den Landesräten Krainer (Steiermark) und Ratzenböck (Oberösterreich), dem Arbeiterkammerpräsidenten Bertram Jäger und schließlich dem Wirtschaftsbund-Generalsekretär Erhard Busek soll denkbare Lücken des VP-Image sowohl in sachlicher als auch bündischer und regionaler Hinsicht füllen.

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Wie man aus der Not eine Tugend macht, bewies ÖVP-Ob-mann Karl Schleinzer mit der Nominierung einer 7er-Crew für die Nationalratswahlen am 5. Oktober 1975. Sein Wahlkampfteam, bestehend aus dem ÖAAB-Obmann Mock, dem Wirtschaftsexperten Professor Koren, dem Bauernbund-Direktor Lanner, den Landesräten Krainer (Steiermark) und Ratzenböck (Oberösterreich), dem Arbeiterkammerpräsidenten Bertram Jäger und schließlich dem Wirtschaftsbund-Generalsekretär Erhard Busek soll denkbare Lücken des VP-Image sowohl in sachlicher als auch bündischer und regionaler Hinsicht füllen.

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Schleinzers „gefährliche Sieben“ werden bekanntlich mit dem Spitzenkandidaten auf keinem gemeinsamen Wahlplakat figurieren, sie werden, wie es heißt, getrennt marschieren und sollen am 5. Oktober vereint „zuschlagen“. Manche, die sich in der OVP berechtigte Hoffnungen auf einen Platz in der VP-Auslage gemacht haben, konnten nicht berücksichtigt werden: etwa Frau Hubinek, deren Wählerwirksamkeit freilich auch in der eigenen Partei umstritten ist; der Unterrichtssprecher Josef Gruber, bei dem allerdings die Innenwirkung über der Außenwirkung liegt; der Wiener Tausendsassa Fritz König und — nicht zuletzt — der ÖVP-Gesundheitssprecher Wiesinger. Im ersten Verdruß über die Nichtberücksichtigung wollten einige der Genannten das Handtuch werfen; nun scheint es, als hätten beschwichtigende Gespräche den größten Ärger beseitigt.

Die veröffentlichte Meinung wertete Schleinzers Maßnahme als Überraschungs-Coup; SPÖ-Sprecher, die sich schon auf einen Wahlkampf allein zwischen dem sozialistischen Parteiführer Kreisky und seinem ÖVP-Pendant Schleinzer eingestellt hatten, reagierten eher sauer. Das Wahlwerbekonzept des sozialistischen Werbe-Hexenmeisters Heinz Brantl muß, wie man aus Kreisen der sozialistischen Parteizentrale vernimmt, wieder revidiert werden. Nun will man im kommenden Natio-nalratswahlkampf herausstellen, daß Kreisky nicht die ganze SPÖ sei. In diesem Zusammenhang hofft man in der SPÖ-Parteizentrale sogar auf eine Erhöhung der Erfolgschancen.

Aber auch mit der Auswahl der sogenannten parteinotwendigen Kandidaten dürfte Schleinzer ein guter Wurf geglückt sein. Namen wie Heinrich Neisser, Heribert Steinbauer, Fridolin Koch vom Akademikerbund, Johannes Kleemann und Josef Höchtl dürften teilweise Strahlkraft auf jenes liberale Publikum ausüben, das der sozialistische Parteiobmann mit dem Universitätsassistenten Norbert Knoll, der an seinen bedeutenden Vater erinnert, in einer „kritischen Aktion“ ansprechen möchte.

Das leidige Problem mit den sogenannten „unabhängigen“ ÖVP-Kan-didaten (Professor Ermacora, Heinz Fischer und auch Ernst Strachwitz) wird sich in diesem Nationalrats-wahlkampf nicht wiederholen. Ermacora ist der ÖVP beigetreten und kandidiert in Tirol, die anderen „unabhängigen“ Kandidaten sind im Begriff, die politische Bühne zu verlassen.

Besonderes Interesse verdient die Kandidatur des Girozentrale-Generaldirektors und ÖIAG-Aufsichts-ratspräsldenten Josef Taus. Da Taus noch nie den Eindruck erweckt hat, daß er nicht wisse, was er tut, ist zu vermuten, daß er sich unter dieser Kandidatur in der Steiermark mehr als bloß die Funktion eines Nationalratsabgeordneten vorstellt. Dafür spricht schon die Kandidatur auf der Liste der ÖVP-Steiermark, die schon immer offen Kritik an Karl Schleinzer, vor allem aber an dessen Generalsekretär Kohlmaier übte. Auch hier machte Schleinzer aus der Not eine Tugend und trat offen für die Kandidatur von Taus ein. Kohlmaier wußte hingegen einiges auszusetzen; das mag auch damit zusammenhängen, daß Kohlmaiers Kandidatur für den Nationalrat noch in der Luft hängt. Im 23. Wiener Gemeindebezirk, wo er wohnt, hat man ihn jedenfalls nicht akzeptiert.

Die Kandidatenliste der Wiener SPÖ signalisiert hingegen einen deutlichen Zug nach links. Albrecht Konecny, Parade-Juso und Staatsanwalt Keller, der kürzlich die Bundesverfassung kritisierte, Primarius Rockenschaub, Mediziner und offener Befürworter der Fristenlösung, führen die Liste der „Neuen“ an.

Gerade die Kandidatur Rocken-schaubs zeigt, daß die Sozialistische Partei diesen Wahlkampf doch in eine Abstimmung für die Fristenlösung verwandeln könnte. Nicht nur in dieser Frage dürfte sich Justizminister Broda gegen Bundeskanzler Kreisky durchgesetzt haben. Das läßt, nach dem Machtdruck der parlamentarischen Mehrheit beim Durchsetzen des Universitätsor-ganlsationsgesetzes eine kulturkämpferische Note in diesem Wahlkampf befürchten.

Von der FPÖ ist bei der Kandidatenaufstellung für den National-ratswahlkampf nichts Neues zu erwarten. Allein der Wiener Abgeordnete Schmidt dürfte gegen einen jüngeren Mann aus dem Lager der schlagenden Verbindungen ausgetauscht werden. Wie überhaupt die FPÖ kaum präsent und deutlich pessimistisch erscheint. Der Streit über eine Regierungsbeteiligung ist noch immer nicht zu Ende geführt, die Glaubwürdigkeit Friedrich Peters in der eigenen Partei noch stärker umstritten als in der Öffentlichkeit. Bloß Bruno Kreisky dürfte an Friedrich Peter für den Fall, daß er mit der SPÖ am 5. Oktober keine absolute Mehrheit schafft, uneingeschränkt glauben: dann will er offenbar mit der FPÖ eine Koalition wagen.

Das Plazet seiner Partei für diese Vorgangsweise könnte er sich durch die Tolerierung von Kandidaten des extrem-linken SPÖ-Flügels für den Nationalrat bereits eingeholt haben.

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