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Die Gefahr, sich selbst zu täuschen

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Auf Bundesebene steigen sich die Parteien im Gedränge um die Mitte auf den Zehen herum, in Kärnten schert einer merklich nach rechts aus — und hat damit durchschlagenden Erfolg.

Doch so einfach läßt sich das Ergebnis der Kärntner Landtagswahl nicht erklären, auch wenn darin ein Korn Wahrheit steckt. Die Wahrheit nämlich, daß Jörg Haider und seine FPÖ gezielt im Wahlkampf rund um die Minder-heiten-Schulfrage die (deutsch-) nationale Karte ausgespielt haben. Der Partei hat's genützt. Dem Land bleibt ein Schaden, den kein Erfolg rechtfertigt.

Das allein hätte aber nicht ausgereicht, um für die FPÖ ein Mandat und gegenüber 1979 über ein Drittel an neuen Wählern zu gewinnen. Ein junger Spitzenkandidat, noch dazu — wo kann die FPÖ sonst noch damit aufwarten? — fest in der Landesregierung etabliert, ein kecker Wahlkampf mit maßgeschneiderter Präsentation: Dieser Haider-Erfolg hat viele Ursachen, zuletzt auch den der bewußt gepflegten Rivalität mit Norbert Steger. Diese Aufmüpfigkeit brachte weniger neue Wähler, sie hielt dafür viele alte bei der Stange.

Insgesamt waren es spezifische Kärntner Aspekte, die den Ausschlag gegeben haben dürften. Daraus ist seriös keine bundespolitische Trendumkehr ableitbar.

Die SPÖ hat zwar ihre absolute Mehrheit verteidigt, dennoch beim Stimmenanteil 2,3 Prozentpunkte eingebüßt: Das ist ein Stimmenverlust von über vier Prozent gegenüber 1979 — trotz der Regierungsumbildung, trotz der dominierenden Rolle von Leopold Wagner, der — wie ÖVP-Kollegen in anderen Bundesländern — auch seinen Landeshauptmannbonus eingebracht hat.

Nur wanderten Protestwähler in erster Linie zu neuen Gruppierungen, selbst zur FPÖ — und diesmal nicht auch zur ÖVP. Die schon im Wahlkampf apathisch wirkende Volkspartei Kärntens ist eben nicht attraktiver, wobei man Stefan Knafl hoch anrechnen muß, daß er sich von der FPÖ nicht zu einem deutschtümelnden Wettstreit provozieren ließ: Die ÖVP hat zwar einen von zehn Wählern des Jahres 1979 verloren, nicht aber das Gesicht in der Minderheitenfrage.

Spätestens am Sonntag müßte die Bundes-ÖVP jedoch bemerkt haben, daß Sympathieverluste für die SPÖ eben nicht gleichbedeutend mit Aufwind für die große Oppositionspartei sind, beherzigt sie nicht selbst, was die Knafl-Mannen Kärnten verordnen wollten: Mehr Herz, mehr Mut, mehr Phantasie.

Ist die ÖVP vielleicht jetzt von Selbsttäuschung geheilt, sind SPÖ und FPÖ in Gefahr, in sie zu verfallen: Kärnten darf nicht verallgemeinert werden. Zum Glück wohl auch in einem Punkt: dem (deutsch-)nationalen Mißton dieses Wahlganges.

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