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Die gemeinsame Hoffnung verkünden

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Das Verhältnis zwischen Juden und Christen hat durch die sogenannte Judenerklärung „Nostra Aetate“ beim Zweiten Vatikanischen Konzil zweifellos eine Entspannung erfahren. Der jüdisch-christliche Dialog ist jedoch immer noch eine Angelegenheit weniger Spezialisten und keineswegs Sache von Juden und Christen schlechthin. Kürzlich veröffentlichte nun das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ein Arbeitspapier, das der innerhalb des Komitees entstandene Gesprächskreis „Juden und Christen“ erarbeitet hat. Diese vom Gesprächskreis selbst als „theologische Dokumentation“ bezeichnete Publikation, die „einen Meilenstein auf dem Weg jüdisch-christlichen Dialogs“ setzen soll, enthält beachtenswerte Überlegungen und Denkanstöße.

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Das Verhältnis zwischen Juden und Christen hat durch die sogenannte Judenerklärung „Nostra Aetate“ beim Zweiten Vatikanischen Konzil zweifellos eine Entspannung erfahren. Der jüdisch-christliche Dialog ist jedoch immer noch eine Angelegenheit weniger Spezialisten und keineswegs Sache von Juden und Christen schlechthin. Kürzlich veröffentlichte nun das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ein Arbeitspapier, das der innerhalb des Komitees entstandene Gesprächskreis „Juden und Christen“ erarbeitet hat. Diese vom Gesprächskreis selbst als „theologische Dokumentation“ bezeichnete Publikation, die „einen Meilenstein auf dem Weg jüdisch-christlichen Dialogs“ setzen soll, enthält beachtenswerte Überlegungen und Denkanstöße.

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Warum eigentlich das Gespräch suchen? Für „Juden und Christen“ gibt es dafür eine Reihe von Gründen:

Juden und Christen haben eine gemeinsame Hoffnung, deren volle Erfüllung sie auch gemeinsam erwarten: die endgültige Herrschaft Gottes. „Juden und Christen sind durch das, was ihnen von Gott her widerfahren ist, und sie sind von der Welt, in der sie leben, zu einem gemeinsamen Zeugnis herausgefordert.... allen Menschen die befreiende Kraft ihrer Bindung an Gott weiterzugeben.“ Diese Verpflichtung befreit Juden wie Christen „von jeder Fixierung auf bloß innerweltliche Interessen und Ängste“.

Soll der Dialog zwischen Juden und Christen historische Barrieren überwinden helfen, so darf die Anerkennung einer Vielzahl von Ubereinstimmungen im Theologischen, die für ein gemeinsames Handeln wichtig sind, die Sicht nicht verstehen. „Dies um so mehr, als gerade dort, wo uns zutiefst ein Konsens verbindet, auch die Wurzel des Dissenses hegt.“

Von ihrem gemeinsamen Gott geben Juden und Christen jeweils auf ihre Art in ihren Gottesdiensten und in ihrem Leben Zeugnis. „Aber“, so fragt der Gesprächskreis „Juden und Christen“, „begründen die gleichen

Schriften wirklich eine Gemeinsamkeit des Lebens?“ Um dieses Problem zu lösen, sind einige fundamentale Bedingungen für den jüdisch-christlichen Dialog notwendig:

„Es kann kein Zweifel daran sein, daß Juden und Christen füreinander zunächst einmal sehr viel Arbeit zu leisten haben, um zu einem besseren gegenseitigen Verstehen zu kommen ... Der jüdische Gesprächspartner kann sich nicht damit zufriedengeben, im Gespräch mit Christen nur als ein fortlebendes Zeugnis für das sogenannte Alte Testament und für die Ursprungszeit der christlichen Gemeinden betrachtet zu werden. Umgekehrt kann der christliche Gesprächspartner sich nicht damit zufriedengeben, wenn der jüdische Gesprächspartner glaubt, nur er habe für den Christen etwas für dessen Glauben Wesenthches zu sagen, während das, was der Christ dem Juden zu sagen hat, für den jüdischen Glauben keine wesentliche Bedeutung habe.“

Der Gesprächskreis „Juden und Christen“ im Zentralkomitee der deutschen Kathohken befaßt sich jedoch nicht nur mit den theologischen Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten, sondern auch mit konkreten Gegebenheiten und Problemen der Gegenwart, zu denen Juden und Christen gemeinsam Stellung nehmen und gemeinsame Handlungen setzen müssen:

„Wie ist es angesichts des geschehenen Massenmordes an Juden und der versuchten Ausrottung des jüdischen Volkes noch möglich, an Gott zu glauben? Wie ist es möghch, Schuld und Leid vor Gott zu tragen, statt sie zu verdrängen oder zu fixieren? Welche Bedeutung hat die systematische Vernichtung großer Teüe des europäischen Judentums und welche Bedeutung hat die Gründung des Staates Israel für Juden und Christen und für ihre Begegnung miteinander?“

Weiter wird in dem Dokument gefragt: „Haben nicht Juden und Christen gemeinsam die Verpflichtung, angesichts der Weltverhältnisse, die das Uberleben der Menschheit bedrohen, zu zeigen und in Modellen vorzuleben, was bibüsch verstanden Gerechtigkeit und Freiheit ist? Zu den Grundforderungen der den Juden und Christen gemeinsamen biblischen Offenbarung gehört die unbedingte Achtung vor dem Leben des anderen. Es sollte gemeinsam von ihnen präzisiert werden, was hieraus heute für die Wahrung von Menschenwürde und Menschenrechten folgt. Insbesondere wäre z. B. gemeinsam eine Ethik der Wissenschaften, der Technik, der Zukunftssorge zu entwickeln - auch die Menschen nach dem Jahr 2000 sind unsere Nächsten.“

Das Arbeitspapier endet mit dem Appell an alle für die Aus- und Fortbildung von Priestern, pastoralen Mitarbeitern, Lehrern und Erziehern, Verantworthchen, an die Erwachsenenbildung und an die Medien sowie an die jüdischen Gemeinden und Institutionen, „sich diesen zentralen Themen des jüdisch-christlichen Dialogs in den nächsten Jahren verstärkt zuzuwenden und ihre Bedeutsamkeit ins öffentliche Bewußtsein zu bringen“.

Ein Appell, der nicht ungehört verhallen sollte.

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