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Die Gemeinschaft der Jünger als Vorbild

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Am letzten Wochenende kamen in der Kurhalle Oberlaa mehr als 1000 Mitglieder der charismatischen Bewegung zum jährlichen österreichtreffen zusammen. Unter dem Generalthema „Siehe, ich mache alles neu“ beteten und diskutierten sie über die Erneuerung der Person, der Kirche und der Gesellschaft.

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Am letzten Wochenende kamen in der Kurhalle Oberlaa mehr als 1000 Mitglieder der charismatischen Bewegung zum jährlichen österreichtreffen zusammen. Unter dem Generalthema „Siehe, ich mache alles neu“ beteten und diskutierten sie über die Erneuerung der Person, der Kirche und der Gesellschaft.

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Einen frohen Christen, der durchdrungen ist von Christus, der seine Liebe ausstrahlt, der sagt, „ich glaube, darum rede ich“, den wollten die „Cursillistas“ in der katholischen Kirche wieder lebendig machen. Der „Cursillo“, der kleine Wochenendkurs, kam aus Spanien und verbreitete sich in den traditionell katholischen Ländern Europas und Lateinamerikas während der Konzilszeit. Es war ein Intensivseminar für jeden, der offen und unvoreingenommen daran teilnahm. Für die meisten wurde er zu einem packenden religiösen Erlebnis. Mancher, der hinging, ein nettes Wochenende unter jungen Leuten zu erleben, kam als gewandelter Christ zurück.

Nach diesem Kurs wurde man nicht allein in eine agnostische Umwelt entlassen. Der „grupo“ - zwei bis drei Cursillistas - traf sich einmal in der Woche zu gemeinsamem Gebet und Aussprache. Größere Treffen auf nationaler und internationaler Ebene hielten die Begeisterung für eine Bewährung im Alltag wach. Bald war der Cursillo zu einer weltweiten religiösen Erneuerungsbewegung geworden.

In den USA kamen zur gleichen Zeit starke Anregungen für ein neues religiöses Leben von der baptistischen und methodistischen Tradition, insbesondere von den „Pfingst-kirchen“. Dort setzte eine religiöse Erneuerungsbewegung ein, die über die Grenzen der Kirche1 hinweg und viele Menschen aus verschiedenen christlichen Gemeinschaften erfaßt.

Sie wurde als „Charismatische Bewegung“ bekannt, doch sollte man sie besser, wie der Theologieprofessor Heribert Mühlen sie beschreibt, „Geistemeuerung“ nennen. Bei dieser Erneuerung geht es nicht um vermehrtes Wissen; es geht, wie in der Urkirche, um die Erfahrung des Heiligen Geistes. Der ganze Mensch mit seinen Emotionen wird erfaßt, wenn er sich Gott öffnet.

Da in den traditionell christlichen Ländern der Mensch meist als Baby getauft wird, muß er, will er ein lebendiger Christ sein, als Erwachsener zu einer Entscheidung für Christus kommen, zu einer „Geisttaufe“. Dieser Wendepunkt ist aber nicht nur ein einmaliges Erlebnis. Das Wesentliche ist wohl, daß man in diesem Leben mit Gott niemals einen Schlußpunkt setzen kann. Immer neue Taten und Initiativen müssen ihm entspringen. Wer stehen bleibt, geht schon zurück. Aufsich allein gestellt, wird jedoch keiner weit kommen. Wichtig ist die Gemeinschaft.

Man versammelt sich erst in Gebetsgruppen. Die Gläubigen beten gemeinsam, ohne Formeln, laut und ganz persönlich. In einem Seminar mit Schriftlesung und Meditation lernen sie den Umgang mit der Bibel und die Einübung, sich ganz Gott zu öffnen und auszuliefern.

Vorbild sind die Jünger, wie sie sich nach Ostern einmütig zu gemeinsamem Gebet trafen. Das Pfingsterlebnis löste ihre Zungen und brachte die soziale Dimension in die unter sich gebliebene Gemeinschaft. Sie gingen hinaus und verkündeten ihre Erfahrung mit dem

In dieser neuen Dimension liegt auch der wesentliche Unterschied zum Cursillo. Deshalb sind viele Anhänger der Cursillobewegung vor allem in Lateinamerika zur Charismatischen Bewegung gestoßen. Jede charismatische Gebetsgruppe muß Frucht bringen. Sie ist weder eine neue Institution für Selbstheiligung, noch ein religiöser gruppendynamischer Prozeß. Durch ihren Dienst am Mitmenschen, für die anderen da zu sein, miteinander christliche Gemeinschaft zu leben, sind sie missionarisch ausgerichtet.

In den USA sind die Gemeinschaften stark ökumenisch ausgerichtet. Im allgemeinen sind etwa 70 Prozent ihrer Mitglieder Katholiken. Die konfessionelle Verschiedenheit wird betont ökumenisch gelebt, ohne die Unterschiede vergessen zu wollen. Sie haben stets engen Kontakt zu ihrem Bischof. Auf keinen Fall ist die Charismatische Erneuerung eine Sub-oder Nebenkirche. Sie will die vorhandenen Institutionen erfassen.

Darum ist die Pfarrerneuerung, die womöglich vom Pfarrkirchenrat selbst ausgehen sollte und den Pfarrer miteinschließt, ein großes Hoffnungsgebiet der Geisterneuerung. Sicher ist eine Pfarrerneuerung ein sehr langsamer Prozeß, der viel Zeit und Geduld braucht.

Die Pfarrgemeinden müssen befähigt werden, auch unter geänderten wirtschaftlichen, sozialen und kirchenpolitischen Umständen christliche Gemeinschaft zu leben. Die Geisterneuerung ist eine echte Chance für die Pfarren, aus dem gesellschaftlichen Dienstbetrieb zu einem echten christlichen Gemeinschaftsleben zu kommen.

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