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Die Geschichte einer Fehlentwicklung

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In seinem letzten, posthum veröffentlichten Buch „Das Ende unserer Epoche” beschreibt E. F. Schumacher die Entwicklung der zunehmenden A bhängigkeit Europas vom Erdöl. Den Anfang sieht er in der Suezkrise: Eisenhower hatte erkannt, daß die A uslandsabhängigkeit beim Erdöl für die USA gefährlich sei. Er verhängte daraufhin eine Einfuhrbeschränkung dafür.

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In seinem letzten, posthum veröffentlichten Buch „Das Ende unserer Epoche” beschreibt E. F. Schumacher die Entwicklung der zunehmenden A bhängigkeit Europas vom Erdöl. Den Anfang sieht er in der Suezkrise: Eisenhower hatte erkannt, daß die A uslandsabhängigkeit beim Erdöl für die USA gefährlich sei. Er verhängte daraufhin eine Einfuhrbeschränkung dafür.

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Die ölgesellschaften, die sich auf einen immer großzügiger fließenden öl-strom zum größten Markt der Welt, nämlich dem der Vereinigten Staaten, eingestellt hatten, merkten, daß dort ein Riegel vorgeschoben worden war. Sie leiteten das öl nach Europa um, dem zweitgrößten Markt. Hier kam es zu einem mörderischen Kampf des Öls gegen die Kohle. Zugleich führten die einzelnen ölgesellschaften untereinander einen Bruderkrieg bis aufs Messer um möglichst große Marktanteile ...

1970 forderte Oberst Gadaffi die ölgesellschaften auf, die Förderung nicht zu steigern, sondern, wenn auch nur geringfügig, zu drosseln. Man nahm ihn sehr ungnädig auf, und als er sah, daß mit ihnen nicht zu reden war, verstaatlichte er sie, um sie in Zukunft selbst kontrollieren zu können. Die unmittelbare Auswirkung davon, daß 1970 ein Land die Rohölförderung geringfügig herabsetzte, war auf dem Weltmarkt für Rohöl eine Preissteigerung von fünfzig Prozent.

Das war allen Beteiligten eine Lehre, die sie nie wieder vergessen werden: Wenn es um öl geht, wird man um so reicher, je weniger man produziert...

Dann kam der 6. Oktober 1973, als zur Bestürzung Washingtons der größte Freund der Vereinigten Staaten, König Faisal, sagte: Wir werden jetzt das öl als politische Waffe gegen Israel einsetzen ...

In den öleinfuhrländern brach Panik aus. Bei Versteigerungen auf den internationalen ölmärkten ging der Preis immer höher, und nach Verlauf weniger Wochen hatte er das Vierfache seiner früheren Höhe erreicht...

Bei diesem Stand sagten die ölex-portierenden Länder, jetzt sehen wir zum erstenmal, was unser Erzeugnis tatsächlich wert ist und was die Einfuhrländer dafür zu zahlen bereit sind! Wir wollen das als den amtlichen Preis festschreiben. Und Ol als politische

Waffe? Ach was! Ihr könnt soviel davon haben, wie ihr wollt, jedenfalls zu diesem Preis ...

Gegen Ende der sechziger Jahre machten die Vereinigten Staaten einige Voraussagen über ihren Einfuhrbedarf an öl. Sie sind zwar nach wie vor der größte ölproduzent, aber ihre Förderung pendelte sich 1970/71 auf einen bestimmten Wert ein. Sie haben inzwischen ihre Fördergrenze erreicht und müssen die Produktion einschränken. Dennoch geht man davon aus, daß ihr Ölverbrauch weiterhin steigen wird. Das aber wird zu einer immer weiter auseinanderklaffenden Versorgungslücke führen.

Vor etwa fünf Jahren hörte man nun aus Washington, die USA wollten 1985 im Mittleren Osten und in Nordafrika soviel öl kaufen, wie dieses Gebiete zuvor insgesamt erzeugt hatten.

Es muß nicht eigens betont werden, daß diese Erklärung Japan und Westeuropa betroffen machte. Wenn Amerika alles öl aufkauft.. .nein, das geht nicht, die Araber müssen einfach die ölförderung verdoppeln, vor allem der gute Freund Saudi-Arabien!

Also schickte König Faisal seinen ölminister Yamani in die Vereinigten Staaten, damit er dort erklärte, nun ja, wir können unsere Förderung ausweiten - man dachte dort nicht besonders intensiv über ölreserven nach -, aber wie wollt ihr dafür bezahlen? Und man sagte ihm, ihr könnt ja euer Kapital anlegen und euch in die amerikanische Industrie einkaufen...

Doch als er zurückkehrte und sagte, es ist phantastisch, wir werden die größten Kapitaleigner, die es je gegeben hat, sagte König Faisal, das kommt nicht in Frage. Wir Araber wissen, wie leicht es ist, verhaßtes Auslandskapital zu enteignen, dazu genügt ein Federzug des amerikanischen Kongresses! Was dann?

Die einzige sichere Investition ist es, das öl so lange im Boden zu lassen, bis man das Geld braucht, dann kann man es fördern und verkaufen ...

Der 6. Oktober 1973 hat also alles ausgelöst, und meiner eigenen Voraussage nach - allerdings sind diese Dinge sehr schwierig zu beurteilen - wird sich in den nächsten zehn Jahren, vielleicht sogar sehr viel früher, die Förderung immer mehr vermindern ...

Auszug aus: DAS ENDE UNSERER EPOCHE. Rowohlt-Verlag Reinbek, 1980, 193 Seiten, öS 152,50.

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