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Die Gnadenfrist läuft langsam ab

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Drei Jahre Schonzeit erhielten im Oktober 1983 die Finalbetriebe der Verstaatlichten Industrie, um aus den roten Zahlen zu kommen. Der zuständige Minister will diese Auflage auch strikt einhalten.

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Drei Jahre Schonzeit erhielten im Oktober 1983 die Finalbetriebe der Verstaatlichten Industrie, um aus den roten Zahlen zu kommen. Der zuständige Minister will diese Auflage auch strikt einhalten.

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Mit den Verstaatlichungsmaßnahmen des Jahres 1946 wurden vor allem Betriebe der Grundstoffindustrie in öffentliches Eigentum übergeführt. Diese Unternehmen haben durch Aufnahme neuer Produktionen den Weg in konsumnahe Bereiche angetreten. Seit der Krise der Grundstoffindustrie in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, ausgelöst durch neue Konkurrenz in den Schwellenländern und durch ma-terial- und energiesparende Verfahren sowie durch Substitutionsprozesse, mußte die Vorwärtsstrategie in den Finalbereichen verstärkt werden.

Das heißt nicht, daß Grundstoffbereiche völlig aufgegeben werden sollen, da sie ja häufig die Basis für die weiterverarbeitende Industrie, für neue technische Verfahren und insbesondere den Anlagenbau darstellen, aber es bedeutete Modernisierung, Rationalisierung und Anpassung der Kapazitäten in diesem Bereich.

Mit schrittweiser Verwirklichung der Unternehmenskonzepte konnten diese Zielsetzungen im Bereich der Grundstoffindustrie erfüllt werden. Das Vordringen in neue Finalbereiche ist demgegenüber wesentlich schwieriger. Es gilt nicht nur die organisatorische Struktur, die Marketing- und Servicekapazität und in vielen Fällen auch die Unternehmensphilosophie zu verändern. Darüber hinaus muß der Zugang zu neuen technischen Verfahren, neuen Produktionen und nicht zuletzt auch neuen Märkten gefunden werden.

Um das Risiko einer solchen Diversifikation möglichst gering zu halten, ist die verstaatlichte Industrie in den letzten Jahren im vermehrten Ausmaß den Weg industrieller Kooperationen bis hin zu gemeinsamen Gesellschaften mit in- und ausländischen Unternehmen der Privatindustrie gegangen. In den letzten Jahren wurden 25 solcher „Joint Ventures” eingegangen. Gleichzeitig mußten jedoch 37 Fertigungen eingestellt werden, da sich eine Uberwindung der defizitären Situation als unmöglich erwiesen hatte. Die Mittelzuführung in Höhe von 16,6 Milliarden Schilling, im Herbst des Jahres 1983 vom Parlament beschlossen, erfolgte auf Grundlage des Memorandums der Dachgesellschaft der Verstaatlichten Industrie (ÖIAG), in dem diese Zielsetzungen festgeschrieben sind.

Für Bereiche der Finalfertigung wurde ein Zeitraum von drei Jahren bestimmt, innerhalb dessen die einzelnen Fertigungen in die Gewinnzone kommen müssen, ansonsten wäre die Produktion einzustellen. Die strikte Einhaltung dieser Auflage führte in der Zwischenzeit bereits zur Auflassung bzw. Stillegung von Produktionslinien im Edelstahl-, Maschinen- und Chemiebereich. Im Grundstoffbereich selbst konnte keine so zwingende Verpflichtung vorgegeben werden, da die Märkte bei diesen Produktionen durch staatliche Subventionen gekennzeichnet sind.

Einerseits sind es protektioni-stische Praktiken — die Abschirmung ganzer Märkte, wie sie etwa von der gegenüber Japan und Europa nicht konkurrenzfähigen amerikanischen Stahlindustrie betrieben worden sind—.andererseits ist es die massive Subventionierung bestehender Produktionen und die nur zögernde Rücknahme von Kapazitäten in den bisherigen Industrieländern, die zu Marktverzerrungen führen.

Die Strategie der Diversifikation in den Finalbereichen war auch notwendig, um Produktionszusammenlegungen zu realisieren. So basiert etwa das Sanierungskonzept der Vereinigten Edelstahlwerke (VEW) darauf, daß die Stahlerzeugung an einem Standort zusammengefaßt und gleichzeitig Ternitz zu einem Finalzentrum ausgebaut wird.

Innerhalb eines Jahres wurden nun in den VEW sechs Projekte für neue Finalprodukte in diesem Betrieb begonnen. Darüber hinaus ist es gelungen, außerhalb des Betriebsbereiches zwei neue Finalfertigungen ausländischer Firmen einzurichten. Ein beträchtlicher Teil der neuen Finalfertigungen ermöglicht auch ein Eindringen der österreichischen Industrie in neue Bereiche der

Hochtechnologie wie etwa der Mikroelektronik. Chancen für,, eine Erweiterung bestehen vor allem im Bereich der Umwelttechnologie (Katalysatorenfertigung der Simmering-Graz-Pauker AG) und der Entwicklung kompletter Systeme für die Müllentsorgung.

In zunehmendem Maß wird auch in systematischer Weise in den Unternehmen organisatorisches und technisches „Know-how” weiterentwickelt.

Neben der weiteren Internatio-nalisierung der Unternehmen, die insbesondere auf die bessere Durchdringung der Märkte hinzielt, und neben der aus der Notwendigkeit von Kompensationsgeschäften entstandenen Entwicklung der Handelsfunktionen (VOEST ALPINE Intertrading) zeigt die Entwicklung kompletter Systeme einen Weg in die industrielle Zukunft.

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