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Digital In Arbeit

Die größte Anerkennung

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Jeder Schreibende lechzt nach Anerkennung, sonst würde er nicht schreiben, sondern sich einen anständig bezahlten anständigen Job suchen, mit acht Stunden Arbeit pro Tag und mit Freizeit.

Man kriegt sie auch ab und zu, die Anerkennung. Es finden sich immer wieder nette und offenbar intelligente Leute, die einem sagen, daß sie etwas von ihm gelesen haben, und daß es ihnen gefallen hat; manche wissen sogar noch, was es war, was sie gelesen haben, und das freut den Autor besonders. Noch mehr freut man sich, wenn jemandem das Gelesene so viel wert ist, daß er einen Brief schreibt, um sich damit auseinanderzusetzen, lobend oder kritisch. Natürlich hat man auch gegen Lob nichts, vorausgesetzt, daß der Briefschreiber kein langes eigenes Manuskript beigelegt hat, das der hochgelobte Autor doch lesen möchte und einem Verlag empfehlen - in diesen Fällen ist man nicht ganz sicher, ob das Lob aufrichtig gemeint war. Das Vertrauen aber-der Schreiber glaubt ja, der Autor sei so mächtig, daß ein Wort von ihm genügt, um das abgesandte Manuskript zum Druck zu schicken - ist ja auch eine Art Lob.

Meine Bücher hatten einige Besprechungen, meistens sogar positive -sie sind dünn und bestehen aus kurzen Texten, so daß es sogar manchen Rezensenten (nicht allen) nicht schwerfällt, sie vom Anfang bis zum Ende zu lesen; ich habe einige literarische und journalistische Preise bekommen, war sogar Mitglied einer Jury, die einem bedeutenden Schriftsteller einen viel höheren Preis verliehen hat, als ich ihn je bekam - was will man mehr? Den Nobelpreis hat in den neunundsiebzig Jahren seines Bestehens nur ein einziger Satiriker bekommen, George Bernard Shaw, das war im Jahre 1925, und Shaw war damals immerhin schon neunundsechzig.

Das geschriebene Wort bringt aber noch besondere Anerkennungen. An die erste kann ich mich noch erinnern, obwohl es sehr lange her ist. Ich war Schüler der zweiten oder dritten Klasse im schlesischen Chorzöw (Königshütte). Unsere Lehrerin Fräulein Londner, in die ich verliebt war, lobte einen Aufsatz von mir und ließ mich ihn vor der Klasse vorlesen. Die Jungen taten, als hätte es sie nicht besonders beeindruckt, die Mädchen jedoch umringten mich während der Pause, beglückwünschten mich, strahlten mich an - Frauen mögen halt Männer, die Erfolg haben. (Deshalb ist mir Anerkennung bei Frauen bis heute sehr lieb.) Ich war glücklich, fühlte mich sehr gescheit und wichtig. Unter dem Überdruck dieser Gefühle streichelte ich spontan der blonden Elsa Percik, in die ich verliebt war, das Haar. Sofort fingen alle anderen Mädchen an zu schreien: „Gabriel geht mit Elsa!”, sie kreischten fürchterlich. Ich erkannte, daß ich etwas Schreckliches getan hatte, und wünschte mir, daß mich die Erde verschluckte. So lernte ich zum erstenmal die Kehrseite und die Gefahr des literarischen Erfolges kennen.

Im Laufe der Jahre sind mir noch andere besondere Arten von Anerkennung zuteil geworden. Das Finanzamt hat mich zum Beispiel als selbständigen Unternehmer anerkannt. Ich muß sogar Mehrwertsteuer zahlen, obwohl ich doch nur Gedanken in Worte umsetze. (Andererseits - für die amtliche Bestätigung, daß ich selbständig schreibe und meine Gedanken mehr wert sind, als ich dafür bekomme, sind die sieben Prozent eigentlich nicht zuviel.)

Die größte Anerkennung kam jedoch neulich per Telefon: Ein wildfremder Mann hat mir angeboten, in Warentermingeschäfte einzusteigen! Als er sich wunderte, daß mir das nötige Kleingeld fehle - so ein bekannter Schriftsteller müßte doch viel Geld haben, meinte er (ich teile diese Meinung) -, war das wohl Zwecklob. Aber die Tatsache, daß er glaubte, ich sei so naiv, mein Geld, falls vorhanden, Finanzkünstlern in den Rachen zu stopfen, ist eine wirkliche Anerkennung - der Mann hielt mich für einen echten, weltfremden Dichter!

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