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Die große Chance von morgen

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Mit einer großangelegten Festveranstaltung im Auditorium maximum der Wiener Universität beging der von Kardinal König errichtete Stiftungsfonds „Pro Oriente“ vor kurzem das zehnjährige Jubiläum seines Bestehens. Der Vorsitzende des Vorstandes, Bundesminister a. D. Dr. Theodor Piffl-Perčevič, der einleitend einen ausführlichen Tätigkeitsbericht über das erste Dezennium erstattete, konnte an der Spitze der zahlreichen Ehrengäste Bundespräsident Kirchschläger, Kardinal König, Nuntius Erzbischof Rossi und den Außenminister Bielka- Karltreu begrüßen. Seitens der nichtkatholischen christlichen Kirchen nahmen an dem abendlichen Festakt unter anderen Metropolit Chrysostomus Tsiter, Exarch Erzbischof Philaret (Moskauer Patrar- chat), der Generalsekretär der Vorbereitungskommission für das pan- orthodoxe Konzil, Metropolit Da- maskinos Papandreou, der serbischorthodoxe Bischof Lawrentij und Bischof Sakrausky von der lutherischen Kirche teil. An der Spitze der prominenten katholischen Gäste standen der Eisenstädter Diözesan- bischof Stephan Läszlö, Weihbischof Alois Wagner und P. Pierre Duprey vom vatikanischen Einheitssekretariat. Der Präsident dieses päpstlichen Sekretariats, der niederländische Kardinal Jan Willebrands, konnte — wie bereits berichtet — wegen einer schweren Erkrankung seines Vaters nicht nach Wien kommen. Kardinal König hatte es übernommen, im Rahmen der Festveranstaltung den Vortragstext Willebrands’ zum Thema „Die Zukunft des ökumenismus“ vorzutragen.

Für die Arbeit des Stiftungsfonds „Pro Oriente" werden — wie der Gründer und Vorsitzende des Kuratoriums, Kardinal König, abschlie-

ßend erklärte — folgende drei Gesichtspunkte bestimmend sein:

• Das Gespräch und die Kontakte auf Wiener Ebene mit den orthodoxen Kirchen gerade im Hinblick auf die vorbereitenden Arbeiten für ein panorthodoxes Konzil.

• Die so erfolgreich verlaufenen Gesprächsrunden mit altorientalischen Kirchen werden durch eine dritte Konsultation fortgesetzt. Ziel ist es, durch diese Theologengespräche einer Einheit nahezukommen, die vor mehr als 1500 Jahren auf dem

Konzil von Chalzedon infolge chri- stologischer Mißverständnisse verlorengingen.

• „Pro Oriente“ wird — wie bisher — die günstigen politischen und historischen Gegebenheiten nützen. Die Zusammenarbeit mit dem vatikanischen Einheitssekretariat wird künftig wie bisher erfolgen, um auf Wiener Boden ökumenische Vorhaben in Angriff zu nehmen oder Begegnungen vorzubereiten, die auf der Weltebene noch nicht möglich sind.

Wie Kardinal König in seinem Schlußwort weiter ausführte, sei es einer der engsten Mitarbeiter des Papstes gewesen, der darauf aufmerksam machte, daß die Förderung der ökumenischen Bewegung das größte Ereignis im Pontifikat Pauls VI. darstelle. „Eine solche Äußerung und die von Zuversicht getragenen Ausführungen Kardinal Willebrands im vorbereiteten Vortragstext sind für ,Pro Oriente’ ein Ansporn, die Arbeit, wie sie sich in den vergangenen Jahren profilieren konnte und an Bedeutung wuchs, mit Eifer und Energie fortzusetzen.“ Wenn der politische Gegensatz zwischen Ost und West auch auf die Spannung zurückzuführen sei, betonte König, die durch den Bruch der Kirchengemeinschaft zwischen Rom und Konstantinopel entstanden ist, so seien die Wiener Initiativen wohl ein Beitrag, um die Spannung zwischen Ost und West zu mindern und damit dem Frieden zu dienen.

Nachdrückliches Lob spendete Kardinals Willebrands in seinem von Kardinal König verlesenen Text eingangs dem Stiftungsfonds „Pro Oriente“, dem er unter anderem seltene Kenntnis und Einfühlungsgabe bei den Kontakten mit Vertretern östlicher Kirchen bescheinigte. Nicht wenige Initiativen des Wiener Fonds seien für das päpstliche Einheitssekretariat eine echte Hilfe gewesen. Auf die Gesamtsituation eingehend, stellte Willebrands wörtlich fest: „Die ökumenische Bewegung hat schon große Veränderungen in den Mentalitäten der Christen und der christlichen Kirchen zuwege gebracht. Es wird immer mehr zur Gewohnheit und etwas ganz Natürliches, an andere Christen, unsere Brüder, zu denken, wenn von einzelnen oder von Gemeinden oder Kirchen Entscheidungen getroffen werden, die vielleicht auch diese Brüder angehen.“ Die ökumenische Bewegung werde in dem Maße fortschreiten, betonte Willebrands, in dem die theologische Besinnung über die Kirche Fortschritte machen werde. Ferner werde es darauf ankommen, in welchem Ausmaß diese

Besinnung die Mentalität der Seelsorger und der Gläubigen wirklich durchdringen könne. Dies werde schließlich in dem Maße voranschreiten, in dem der ökumenische Geist das ganze Leben und alle Strukturen der Kirche beseelen werde.

Ausdrücklich betonte Kardinal Willebrands, daß die vertiefte Erkenntnis und die abgewogene Ausführung der Ekklesiologie der „Communio“ (Gemeinschaft) eine „große Chance, ja vielleicht die große Chance des ökumenismus von morgen ist“. Er wisse, unterstrich Willebrands, daß damit noch nicht alles geschehen sei und daß gerade in diesen Tagen neue Fragen der Moral entstünden, „sich schmerzlich aufdrängen und neue ernste Hindernisse auf dem Weg der Einheit darstellen“. Der Kardinal verwies in diesem Zusammenhang auf die sehr unterschiedliche Bewertung der Abtreibung.

Zusammenfassend bezeichnete Kardinal Willebrands jeden Fortschritt auf dem ökumenischen Sektor als ein Geschenk des Heiligen Geistes. „Mit Folgsamkeit und Ausdauer müssen wir hören, was heute der Geist den Kirchen zu sagen hat.“ Man müsse fähig sein, die Zeichen zu verstehen, mit denen der Geist zu den Kirchen spricht. Die Hoffnung müsse fest genug sein, um mit Freude und Vertrauen abwarten zu können, was sich nicht voraussehen läßt.

Abschließend zitierte Willebrands den ökumenischen Patriarchen vön Konstantinopel, Athenagoras, der kurz vor seinem Tod einem Mitglied des vatikanischen Einheitssekretariates bezüglich der Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen katholischer Kirche und den östlichen Kirchen wörtlich sagte: „Der Tag wird kommen, weil wir daran glauben.“

Die Festlichkeiten „10 Jahre Stiftungsfonds Pro Oriente“ gingen mit einer Kuratoriumssitzung im Stift Klosterneuburg und einem anschließenden Empfang zu Endfe« . ,,

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