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Die große Familie Europa

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Fast alle Menschen in Europa denken heutzutage über Europa nach. „Europa” - das klingt nach großer Familie, Verbundenheit und Erleben von Gemeinschaft. Aber gerade in einer Zeit, wo halb Europa in einem politischen Erweckungsfieber liegt, tut es vielleicht ganz gut, daran zu denken, daß es das „christliche Europa” bereits vor mehr als 1000 Jahren gegeben hat.

Europa und das Christentum -das ist ein so altes Ehepaar, daß man sich eins ohne das andere gar nicht mehr vorstellen kann. Europas Kunst und Kultur, ja die meisten seiner Lebensäußerungen - sogar dort, wo sie völlig säkular sind - sind wahrscheinlich nur durch ihren christlichen Hintergrund ganz zu verstehen.

Europa hat den christlichen Glauben so stark geprägt, daß es den christlichen Kirchen der anderen Kontinente erst sehr spät gelungen ist, eine eigene Form von christlichem Glauben und christlicher Theologie zu entwickeln. Ja, Europa ist sozusagen schon an der Wiege des Christentums gestanden, schließlich ist das Neue Testament schon in einer europäischen Sprache geschrieben worden. Und von da an ist eine europäische Formenvielfalt entstanden, die vom 1. Korintherbrief über das mittelalterliche Mönchtum bis zu „Der Jesus und seine Hawara” reicht.

Die Buntheit der vielen verschiedenen Glaubensformen ist immer typisch für Europa gewesen, egal, ob es nun offiziell anerkannt war oder nicht. In einem schmerzlichen und kriegerischen Prozeß hat Europa seine konfessionelle Vielfalt erkämpft. Was gerade in den letzten 20 Jahren besonders erblüht ist, war schon immer die Bestimmung dieses Kontinents - die Ökumene in jeder Hinsicht. Und Wien könnte vielleicht sogar das Herz eines ökumenischen Europa sein.

Hier geht es aber nicht nur um Zukunftsperspektiven. Die ökumenische Vitalität des österreichischen Katholizismus seit dem II. Vatikanischen Konzil hat Wien längst zu einer der „kirchlichen” Hauptstädte Europas gemacht. Hier „passiert” nicht nur ein Großteil des Dialogs mit den Orthodoxen und Altorientalen, hier sind von den Kirchen gemeinsam Formen ökumenischen Zusammenlebens entwik-kelt worden, von denen man in anderen Ländern nur träumen kann. Auch der Papst hat bei seinem ersten Österreichbesuch erklärt, er hätte hier bezüglich der Ökumene viel gelernt.

Europa ist voller Sehnsucht, gerade weil sein Christentum zuweilen immer noch satt, angestrengt, müde, inquisitorisch, kriecherisch oder machtgeil, phantasielos oder langweilig auftritt.

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