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Die große Schau

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Niederösterreich rüstet zum Donaufestival. Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, die zwischen Mai und Oktober stattfinden werden, will das Land erstmals auf sein eigenständiges kulturelles Potential hinweisen, das lange genug im Schatten der Bundeshauptstadt gestanden ist. Denn schließlich verwaltet das größte österreichische Bundesland nicht nur ein bedeutsames künstlerisches Erbe, auch zeitgenössische Künstler scheinen im Zeichen der neuen Aufbruchsstimmung wieder vermehrt Möglichkeiten vorzufinden.

Das Festival, das künftig alle zwei Jahre veranstaltet werden soll, unterscheidet sich durchaus von vergleichbaren österreichisehen Festspielaktivitäten. Weder will man sich auf Arriviertes verlassen, noch auf Avantgardistisches beschränken. Vielmehr wird, verstreut über alle Regionen, eine bunte Vielfalt an Kulturereignissen geboten werden.

Deren Intention besteht zwar wohl in erster Linie in der Definition eigener kultureller Identität. Doch dazu gehört für das Land auch der Blick über die Grenzen hinweg, in Richtung der angrenzenden Donaustaaten: kein bloß nostalgischer Blick auf die gemeinsame Vergangenheit. Niederösterreich will sich auch als Plattform international relevanter künstlerischer Entwicklungen, von denen die Staaten des Ostens nicht länger ausgenommen sein sollen, verstanden wissen.

Inwieweit derartige Vorstellungen realisierbar sind, werden auch die Ausstellungsaktivitäten im Rahmen des Donaufestivals erweisen. Pluralismus wird angestrebt; dennoch lassen sich Grundlinien erkennen.

Ein Schwerpunkt wird der Frage des Raumes gelten, dessen Planung in Niederösterreich in Zukunft j a vorrangig behandelt werden soll. Demgemäß wird es in einer St. Pöltner Ausstellung nicht allein um die Darstellung des historischen Wachstums dieser Stadt gehen - die Bürger sollen auch mit dem Projekt von deren Umgestaltung zur Landeshauptstadt vertraut gemacht werden.

Werden in einer Langenloiser Fabrik österreichische Künstler zum Problem des persönlichen Lebensraumes aus gleichsam ethnologischer Sicht Stellung beziehen und mögliche Zukunftsperspektiven vorstellen, so wird die Tabakfabrik Stein Schauplatz einer Präsentation internationaler Tendenzen der Raumkunst sein, die den Titel „Das gläserne U-Boot“ trägt. Die meisten der dreißig Mitwirkenden an diesem spektakulären Ausstellungskonzept sind von den Kunstmessen der letzten Jahre bereits gut bekannt, etwa der Brite John Hil-liard oder der jugoslawische Aktionskünstler Tomislav Gotovac.

Ursprünglich als Kunstbiennale geplant, wird nun der Vergleich von Arbeitsweisen westlicher und östlicher Künstler angestrebt und ein Uberblick über neueste Trends gegeben, die teilweise erst im Lauf der Ausstellungen - als Performances — entstehen werden.

Als „Balanceakte“ verstehen sich drei Ausstellungen, die aktuelle Tendenzen niederösterreichischen Kunstschaffens aufgreifen werden. Im Frauenbad Baden werden Arbeiten bereits Profilierter, etwa Roman Scheidls oder Hans Kupelwiesers, vertreten sein. Weitere Standorte der „überregionalen Kunsthalle“ (so Organisator Wolfgang Denk) werden Weistrach und das ehemalige Gefangenenhaus Amstet-ten sein, wo man dem künstlerischen Nachwuchs die Möglichkeit geben will, auch über die Landesgrenzen hinaus Beachtung zu finden. Hier kann eine Antwort auf die Frage gesucht werden, inwieweit heute noch geographische Wurzeln bei der Prägung der künstlerischen Handschrift eine Rolle spielen.

Neben einem Rückblick auf die niederösterreichische Malerei der letzten siebzig Jahre im St. Pöltner Karmeliterhof wird auch Gra-fenegg historische Kunst beherbergen. Das romantische Schloß wird den passenden Rahmen für einen Uberblick über Rezeption und Bedeutung des Nibelungenstoffs im neunzehnten Jahrhundert bieten, der derzeit noch in der Münchner Kunsthalle zu sehen ist.

Damit erweist sich das Angebot an Ausstellungen des Donaufestivals als äußerst abwechslungsreich. Trotz seiner Vielgestaltigkeit sind Akzente erkennbar, die freilich eher auf die Bewußtma-chung niederösterreichischer Kultur und Tradition, als auf die Konstruktion einer mitteleuropäischen Kulturachse abzielen. Die Gemeinsamkeiten der Donauregion sollen allerdings im reichen Angebot von Theateraufführungen, Konzerten und durch ein internationales Symposion zum Ausdruck kommen.

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