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Die Grundfreiheiten werden heute in vielfacher Weise verletzt

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Die Nachfolgekonferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die seit dem Herbst vergangenen Jahres in Belgrad tagt, wird in diesen Tagen in die letzte Phase ihrer Beratungen treten. Dabei geht es um die Überprüfung der Prinzipien über die friedliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit in Europa“, die in Helsinki von 35 Staaten im Herbst 1975 feierlich vereinbart wurden. Es gab auch schon vorher die „Universelle Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen und die „Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ des Europarats. Auch sind die Grundrechte und Grundfreiheiten schon in die Verfassungen der meisten Staaten aufgenommen. Doch wurde erst Helsinki zum Symbol für das Streben nach größerer Freizügigkeit für Personen, Ideen und Informationen und vor allem für die Gewährung und Realisierung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Dies stellt die Deutsche Bischofskonferenz in einer Erklärung fest.

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Die Nachfolgekonferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die seit dem Herbst vergangenen Jahres in Belgrad tagt, wird in diesen Tagen in die letzte Phase ihrer Beratungen treten. Dabei geht es um die Überprüfung der Prinzipien über die friedliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit in Europa“, die in Helsinki von 35 Staaten im Herbst 1975 feierlich vereinbart wurden. Es gab auch schon vorher die „Universelle Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen und die „Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ des Europarats. Auch sind die Grundrechte und Grundfreiheiten schon in die Verfassungen der meisten Staaten aufgenommen. Doch wurde erst Helsinki zum Symbol für das Streben nach größerer Freizügigkeit für Personen, Ideen und Informationen und vor allem für die Gewährung und Realisierung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Dies stellt die Deutsche Bischofskonferenz in einer Erklärung fest.

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Viele Hoffnungen haben sich an den Namen Helsinki geknüpft Die Völker warten auf Verwirklichung der dort vereinbarten Prinzipien. Die Menschheit ist für die Gewährung oder Verweigerung dieser Menschenrechte und Freiheiten, deren Besitz und ungehinderter Gebrauch zur Würde des Menschen gehören, empfindsamer geworden. Das ist eine der erfreulichen Erscheinungen unserer Zeit. Wir sind dankbar für vielfältige Anstrengungen, die Menschen um der Lebensrechte ihrer Mitmenschen willen auf sich nehmen. Allerdings besteht auch die Gefahr der leeren, für eigene Systeme mißbrauchten Worte. Der Kampf um die Menschenrechte darf nicht verfälscht werden durch ein Menschenbild, das auf politische Zwecke eingeengt ist.

Gleichwohl ist die tatsächliche Lage bedrückend. Täglich werden die Menschenrechte in nahezu allen Teilen der Erde verletzt: im südlichen Afrika, aber auch in einigen nördlichen Gebieten dieses Kontinents, in Amerika, Asien, aber auch bei uns in Europa, zumal in den Ländern unter kommunistischer Herrschaft. Art und Umfang der Menschenrechtsverletzungen sind von Land zu Land, nicht selten sogar zwischen benachbarten Staaten, sehr verschieden. Nicht alle Menschenrechte sind gleichen Gewichtes. Es gibt elementare, unabdingbare, und es gibt solche, die erst erreicht werden können, wenn die elementaren verwirklicht sind.

Für diese Menschenrechte treten wir ein, vor allem für das Recht auf Leben, auf Freiheit und Gerechtigkeit. Wir treten dafür ein, nicht weil es modern ist, sondern weil es ein Gebot des Evangeliums ist, ein Gebot der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und der Liebe.

Eines dieser Menschenrechte ist die Religions- und Glaubensfreiheit Wenn wir uns dafür im Namen des Evangeliums einsetzen, so ist das „ohne Zweifel ein Dienst, der nicht nur der Gemeinschaft der Christen, sondern der ganzen Menschheit erwiesen wird“ (Evangelii Nuntiandi, 1). Die Gewissens- und Religionsfreiheit gehört zu den elementaren Grundrechten. Sie leitet sich her aus der Personwürde des Menschen. Alle Grundrechte beruhen darauf, daß der Mensch als Kind Gottes geschaffen, auf Gott hin angelegt und ihm verantwortlich ist Deshalb ist der Mensch als Person Träger höchster geistiger und sittlicher Werte. Er leitet daraus sein Recht und seine Pflicht ab, seinen eigenen Weg in Verantwortung vor Gott zu bestimmen. Hierin erfüllt sich letztlich seine Würde und seine Einzigartigkeit als Geschöpf Gottes.

Mit der Religionsfreiheit hat sich die Schlußakte von Helsinki im Prinzip VII befaßt. Dort heißt es,

• „daß die Teilnehmerstaaten die Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Uberzeugungsfreiheit achten werden“;

• „daß sie die Freiheit des Individuums anerkennen und achten werden, sich allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu einer Religion oder einer Uberzeugung in Uber einstimmung mit dem, was sein Gewissen ihm gebietet, zu bekennen und sie auszuüben“;

• „daß Institutionen und Organisationen, die im verfassungsmäßigen Rahmen der Teilnehmerstaaten wirken, sowie ihre Vertreter in den Bereichen ihrer Tätigkeit untereinander Kontakte und Treffen haben sowie Informationen austauschen können“.

Wir rufen diese Prinzipien in Erinnerung, um denen beizustehen, denen diese Rechte bestritten werden. Diese Prinzipien sind zugleich eine maßgebliche Grundlage für das Leben der Kirche.

Diese Freiheiten werden heute in vielfacher Weise verletzt.

Es geschieht häufig nicht nur aus religions- oder kirchenfeindlichen, sondern auch aus anderen Gründen; nationalistische, soziale oder rassistische Motive spielen mit und herrschen oft sogar vor. Man könnte von einer „gemischten“ Motivation sprechen. Auf einige Beispiele weisen wir hin:

• Uns bedrücken die Zustände in Nordirland, und wir stehen erschüttert vor den Zerstörungen im Libanon.

• Wir beklagen, daß die Bischöfe und Priester in etlichen Landern Lateinamerikas, betroffen von der Not der Armen, wegen ihres Eintretens für die Unterdrückten selbst zu Verfolgten der Gewalt werden.

• Wir sind erschüttert über Berichte aus manchen Teilen Afrikas und Südostasiens, vor allem aus Vietnam, wo in der Folge von Kriegen und Umstürzen Kirchen geschlossen, Gläubige sowie politische Gegner verhaftet und getötet, Priester und Missionare ausgewiesen, gefoltert und ermordet wurden. Neben diesen unterschiedlich motivierten Fällen gibt es solche, in denen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion den ausschlaggebenden Grund für die Benachteiligung oder Verfolgung darstellt. Uns allen sind furchtbare Beispiele aus einigen afrikanischen Ländern in Erinnerung. Es gibt mancherorts Zurücksetzung, Ausweisung und Verfolgung nur deshalb, weil jemand ein Hindu oder ein Moslem oder auch - in einigen Ländern Asiens und Afrikas - weil er ein Christ ist

Schließlich gibt es den atheistischen Kampf gegen die Religion, gegen den Gottesglauben überhaupt

Dieser Kampf ist in einem großen Teil unserer Erde entbrannt. Es gibt militanten Atheismus in Afrika, etwa in Mozambique; es gibt ihn in Lateinamerika, etwa in Kuba; es gibt ihn in manchen Ländern Asiens, wie in China, Laos, Kambodscha, und namentlich in Osteuropa.

Ist es nicht schrecklich, wenn - vor allem in Ländern des Ostblocks - die Erziehung der Kinder zum Glauben unter Strafandrohung gestellt wird, wenn - etwa in der DDR - Gläubigen höhere Ausbildung oder soziale Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt werden, nur ihres Glaubens wegen - ja wenn sie deshalb ihren Arbeitsplatz verlieren?

Es ist schmerzlich und mit den Beschlüssen von Helsinki ganz unvereinbar, daß der Klerus in einigen osteuropäischen Ländern durch physischen und psychischen Druck gespalten und staatlich gelenkte Priestervereinigungen gegründet werden mit dem Ziel, die Gläubigen zu täuschen und sie dem Atheismus zuzuführen.

Zu alldem können wir nicht schweigen. Als Christen ist es nicht unsere Sache zu richten; aber wir haben die Pflicht, für die zu sprechen, denen Unrecht geschieht.

Vorenthaltung der Grundfreiheiten und Verletzung der Menschenrechte sollten überall beanstandet werden, und zwar nicht nur da, wo es gefahrlos geschehen kann, sondern auch gegen den Zorn der Mächtigen. Wir dürfen uns vor den Starken nicht fürchten und nicht weghören, wenn das Schreien aus ihrem Machtbereich kommt. Wir müssen Verfolgung Verfolgung nennen und dürfen weder aus Bequemlichkeit noch aus Feigheit schweigen.

Wir meinen, daß wir damit letztlich allen helfen, auch denen, die heute den Glauben an Gott noch bekämpfen. Der Herr ist für uns alle Mensch geworden und für uns alle am Kreuz gestorben.

Möge der Herr diejenigen stärken, die ihres Glaubens wegen zurückgesetzt und unterdrückt werden. Möge er ihnen die Kraft geben, die Zeit der Verfolgung in Treue zu überstehen. Möge der Herr die erleuchten, die verfolgen. Möge er ihnen die Gnade schenken, das Unrecht einzusehen, umzukehren wie einst Saulus, und ihn in seiner Größe und Güte zu erkennen. Möge der Herr uns die Kraft geben, angesichts des Unrechts nicht müde und stumm zu werden, vielmehr mutig und beharrlich für die Verfolgten und Entrechteten einzutreten und sie durch unser Gebet und Opfer zu stärken.

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