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Die Guten ins Töpfchen

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Müll bereitet uns immer mehr Probleme. Die Mengen steigen. Pro Kopf und Jahr müssen 240 Kilo entsorgt werden. Im Bezirk Neunkirchen geht man dabei neue Wege.

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Müll bereitet uns immer mehr Probleme. Die Mengen steigen. Pro Kopf und Jahr müssen 240 Kilo entsorgt werden. Im Bezirk Neunkirchen geht man dabei neue Wege.

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Wohin mit der Müllawine? Die Deponien gehen über, die Müllverbrennungsanlagen bereiten Umweltprobleme ... Was also tun? Zunächst gilt es sicher, alles zu unternehmen, um das Müllaufkommen zu verringern. Das heißt vor allem weniger Verpackung, weniger unnützer Konsum. Das wird sich erst auf lange Sicht durchsetzen.

Kurzfristig lassen sich aber Maßnahmen verwirklichen, die

auf eine Verringerung dessen abzielen, was letztendlich auf Deponien landet.

Das Prinzip, das dabei zur Anwendung kommt, heißt grob gesprochen: Sortiere aus dem Haushaltsmüll alles aus, was als Rohstoff oder Energiequelle weiterverwendet werden kann oder was zu giftig ist, um eingegraben zu werden.

Recht weitverbreitet ist heute schon das gezielte Sammeln von Altpapier und Altglas, von Textilien und von Sondermüll (Batterien, Medikamente, Altöle...). Nur: Eine wirklich ins Gewicht fallende Entlastung des Müllanfalls brachten diese Bemühungen — so erfreulich sie sind — bisher nicht.

Unter dem Druck der Notwendigkeit ist man im Bezirk Neun-

kirchen (NiederÖsterreich) einen anderen Weg gegangen. Die bisher verwendete Deponie war nämlich fast voll, eine neue aber nicht bewüligt worden. Der Müllanfall mußte also rasch und drastisch verringert werden.

Die zu einem Müllbeseitigungsverband zusammengeschlossenen Gemeinden des Bezirks gründeten mit der Papierfabrik „Hamburger“ (die einschlägiges Know-how aus Deutschland hatte) eine GesmbH, die dem Problem zu Leibe rücken sollte: Die „Grüne Tonne“.

Für die rund 30.000 Haushalte der Region wurden etwa 27.600 grüne Tonnen angeschafft. Sie sollten neben den bisherigen Müllsammelbehältern aufgestellt werden und eine getrennte Sammlung von trockenem und nassem Hausmüll ermöglichen. Diese einfache Vorsortierung (nasser Müll umfaßt im wesentlichen die Lebensmittelrückstände) ist jedermann zuzumuten. Sie erleichtert gleichzeitig die Arbeit der Müllverwertung erheblich.

Aus dem Trockenmüll lassen sich nämlich die wiederverwertbaren Stoffe relativ problemlos aussortieren. Und der nasse Müll ist gut kompostierbar, wurde er doch weitgehend von schadstoff-hältigen Produkten befreit.

Wer in das Müllverwertungswerk in Breitenau kommt, erkennt sofort, daß die Trennung in naß-trocken in den Haushalten

i

gut funktioniert: Die Müllberge in der großen Halle bestehen fast nur aus trockenem Abfall. Er wird teils mechanisch, teils händisch in folgende Fraktionen sortiert:

Zunächst drei Sorten Papier, nämlich Zeitungen und Illustrierte, Kartons sowie alles übrige Papier; weiters drei Sorten Glas: weißes, grünes, braunes; Eisenschrott (mittels Magnet), Alu-Dosen und übriger Metallschrott; schließlich Kunststoff, wobei nach Folien (die sich weiter verwerten lassen, siehe Seite 13) und Hartkunststoffen (vor allem PVC) unterschieden wird. Kleines Papier, Polyäthylen und Holz wird für Brennzwecke verkauft.

Das große Geschäft ist mit den Altstoffen natürlich nicht zu machen. Vieles bringt allerdings schon etwas ein, vor allem deswegen, weil es gut sortiert weitergegeben werden kann. Laut Auskunft ihres Geschäftsführers Reinhard Goeschl erzielt die „Grüne Tonne“ für das aussortierte Papier 1,30 Schilling je Kilo, während nicht aussortiertes nur 40 Groschen abwirft.

Einen weiteren Vorteil seines Systems sieht Goeschl im höheren Anteil erfaßter Altstoffe: Mit Altpapierboxen wird nur etwa die Hälfte bis ein Drittel dessen an Papier gesammelt, was die „Grüne Tonne“ erfassen kann (40 bis 45 Kilo pro Person und Jahr). Ähnlichliegt der Vorteil beim Altglas: 17 statt fünf Kilo.

Was nicht aussortiert werden kann, wird deponiert, wobei noch die Gefahrenstoffe (auch ohne Verkaufsmöglichkeit) eliminiert werden. Was auf die Deponie wandert, ist daher im Vergleich zum angelieferten Mist wenig: Es verbleiben etwa 15 Prozent des ursprünglichen Volumens. Und die Umweltgefährdung des Deponierten ist relativ gering.

Aus dem Naßmüll — er wird mit

denselben Fahrzeugen, nur zu anderen Terminen gesammelt -wird Kompost gewonnen. Der Mist landet in einer zweiten Halle, in der es erheblich stärker stinkt als beim Trockenmüll. Aus dem nassen Material faschiert eine Art großer „Fleischwolf“ das Verpak-kungsmaterial heraus. Der Rest wird acht bis zehn Wochen-lang kompostiert und dann abgesiebt, um noch vorhandene Fremdstoffe abzuscheiden. So entsteht ein relativ hochwertiger Humus, der etwa 50 Schilling je Tonne einspielt. Durch den vorgelagerten Sortiervorgang ist er relativ schadstoffarm.

Der Werkstöffverkauf deckt natürlich keinesfalls die Kosten des Projekts. Diese belaufen sich auf jährlich 14,6 Millionen Schilling, denen Verkäufe im Wert von 3,8 Millionen und Einnahmen für die Übernahme von Gewerbemüll von 1,2 Millionen gegenüberstehen. Für die Differenz (9,6 Millionen) müssen die Haushalte des Bezirks Neunkirchen aufkommen.

Statt früher 50 Schilling pro Haushalt müssen jetzt mindestens 700 aufgebracht werden, was bereits Unmut erregt hat. Langsam müssen wir uns aber an den Gedanken gewöhnen, daß mit dem Wegwerfen eines Stoffes in den Mist die Sache keineswegs erledigt ist. Nicht nur die Neunkirchner, uns alle wird die Müllawine immer teurer zu stehen kommen.

Fazit: In Neunkirchen wurde das Müllproblem nicht letztgültig gelöst — einiges, wie die Zukunft gesonderter Sammelaktionen, ist strittig. Aber ein brauchbarer Ansatz zur Verringerung von Menge und Giftigkeit dessen, was zu deponieren ist, wurde gefunden. Und das ist schon nicht schlecht.

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