6986498-1986_28_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Hand ist ausgestreckt

Werbung
Werbung
Werbung

„Gehen wir gemeinsam ans Werk. An ein Werk der Versöhnung und der erneuten Zusammenarbeit. Es lebe unsere Heimat, es lebe die Republik Österreich!“

Kurt Waldheim hat bei seiner Angelobung am 8. Juli vor der Bundesversammlung allen seine Hand entgegengestreckt. Der neue Bundespräsident hat damit jenen unverzichtbaren ersten Schritt getan, der nun auch von anderen ein Entgegenkommen erwarten läßt. Durchaus in dem Sinn, in dem Rudolf Kirchschläger zum Abschied unmißverständlich gemeint hat, „daß Zusammenarbeit nicht ein Akt des Wohlwollens oder ein Geschenk an den jeweils anderen ist, sondern ein unverzichtbarer Dienst am österreichischen Volk und an unserer Republik, ein Dienst, zu dem jede öffentliche Funktion verpflichtet.“

„Erster Diener dieses Staates will ich als Staatsoberhaupt sein“: Kurt Waldheim hat in seiner Antrittsrede ein Amtsverständnis vorgetragen, das in der Tradition seiner Vorgänger steht, namentlich Rudolf Kirchschläger werde ihm in seiner „künftigen Tätigkeit ein Vorbild sein“.

Kontinuität ist gut. Aber wurden im Rahmen der Wahlbewegung nicht auch andere Hoffnungen und Erwartungen geweckt?

Kurt Waldheim, der aktive Bundespräsident.

Sicher, die Rolle des Bundespräsidenten ist durch die Verfassung klar abgegrenzt. Aber welchen Spielraum sieht Waldheim?

„Das aktive Eintreten des Bundespräsidenten für die Aufrechterhaltung der Rechtsgrundsätze,

der Moral und der Leistung sehe ich als eine meiner wichtigsten Leistungen an.“

Konkreter wäre besser gewesen, wünschenswerter auf jeden Fall, nicht nur um Fehlinterpretationen auszuschließen, sondern um den persönlichen Stempel sichtbar zu machen, den Waldheim dem Amt aufprägen möchte.

Konkreter — so konkret wie die Aussage über die“ Vergangenheit (siehe Kasten nebenan) geglückt ist: Die unmißverständliche Absage an den Antisemitismus ist sicherlich ein Höhepunkt des Amtsantrittes.

Hineinregieren, wie das manche

fürchten und andere wünschen, wird Waldheim mit diesem Amtsverständnis nicht. Aber hätte er nicht Fragen unseres Landes stellen und zu Antworten ermutigen können? Wann hat er dazu noch eine derartige Chance?

Die Menschen sehnen sich nach einer klaren und eindeutigen Sprache. Im grundsätzlichen Bereich hat sie Waldheim getroffen, im Detail noch nicht.

Kurt Waldheim — man konnte es heraushören — ist Diplomat. Jetzt ist er Bundespräsident: Von dem darf man auch weniger Verklausuliertes erhoffen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung