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Die Heimat der couragierten Tochter der Hanä

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Comtesse Marie Dubsky, ein Kind der wohl fruchtbarsten Gegend Mitteleuropas. Vertraut ist sie uns als Dichterin und Aphoristikerin, bekannt ist sie uns als Marie von Ebner-Eschen-bach.

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Comtesse Marie Dubsky, ein Kind der wohl fruchtbarsten Gegend Mitteleuropas. Vertraut ist sie uns als Dichterin und Aphoristikerin, bekannt ist sie uns als Marie von Ebner-Eschen-bach.

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Getreidefelder- Weizen, Hafer und Gerste -, wogendes Gold hüben und drüben. Die Natur kennt keine Grenze, nur Schattierungen.

Drüben in Mähren ist alles größer, weiter, nicht so bunt, nicht so adrett. Die „kochenden Weizenfelder" der Brünner Lyrikerin Maria Hauska hat man vor Augen: „Die Mittagsfrau Klekanitza vor der die Kinder schreien mir war sie lieb, die mütterliche Hexe. Über dem kochenden Weizenfeld hing ihr Gewand voll Gewitter und eine Glocke wehklagte Mittag in weiter Ferne."

Aber nicht nur die Mittagshexe fürchteten die Kinder der Hanä, sondern auch die „Hlava". Marie von Ebner-Eschenbach, ein Kind der Hanä, der wohl fruchtbarsten Gegend Mitteleuropas, schrieb 1906 in „Meine Kinderjahre":

„Ein Märchen gab 's, das erzählte Anischa (Anm.: die hannakische Amme der kleinen Comtesse) nur mir allein, weil ich so couragiert war. Meine Schwester, die kleinen Brüder durften nichts hören von der ,Hlava', sie hätten lange nicht einschlafen können und schwere Träume gehabt Diese .Hlava', das warein Kopf nichts weiter als ein Kopf, ohne alles Zubehör. Der Kopf war... eine fürchterliche Kugel, und biß den Menschen und den Pferden in die Füße, daß sie reihenweise tot hinfielen. Eine der schlimmsten Untaten war, daß sie der Großmutter Anischas auf der Hutweide nachgerollt kam. Bis zu ihrem Haus rannte sie, dort aber stürzte sie zusammen. Auf der Hutweide wo die Großmutter das Scheusal zuerst gehört, lag ein großer runder Stein. Der Stein wurde eingegraben und heute noch machen die Leute einen Umweg, wenn sie an dem Platz, wo er liegt, vorüberkommen."

Vorbei ist die Zeit der Märchen von guten und bösen Geistern der Hanä. Geblieben ist nur die Erinnerung an ihre Dichterin. Hierin Österreich und auch „drüben in der Hanä", in Mähren.

Marie von Ebner-Eschenbach wurde als Comtesse Marie Dubsky am 13. September 1830 auf Schloß Zdisla-witz, nahe Kremsier (Kromeriz) im südmährischen Kreis geboren. Die Grafen Dubksy von Tfebomyslice gehörten einst zu den vermögendsten und angesehensten Geschlechtern Böhmens.

Die Comtesse verbrachte auf Schloß Zdislawitz eine glückliche Kindheit. Das Schloß, seine Umgebung, die Bürger, die Adeligen und die Bauern, rund die Menschen aller Gruppierungen fanden Eingang in ihre Dichtung. Im Backfischalter begann Marie bereits zu dichten, und als ihre Stiefmutter (Maries Mutter war zwei Wochen nach ihrer Geburt gestorben) erkannte, daß es sich nicht nur um vorübergehende Leidenschaft handelte, sandte sie einige Gedichte an Franz Grillparzer zur Begutachtung, der sofort das Talent des jungen Mädchens erkannte.

Am 3. Juli 1848 heiratete Marie ihren um 15 Jahre älteren Cousin -den Physiker und späteren Feldmar-schalleutnant - Moritz Freiherr von Ebner-Eschenbach. Wohl verbrachte die junge Dichterin und prägnante Aphoristikerin die ersten Jahre der Ehe in der Znaimer Gegend, aber die Sommer gehörten stets, auch als man schließlich nach Wien übersiedelt war, dem väterlichen Schloß und der geliebten mährischen Hanä.

Das spätbarocke, 1780 erbaute Schloß von Zdislawitz ist auch heute in einem sehr guten Zustand. Es steht inmitten eines romantischen Parks, der von Rosenthal, dem Gärtner Josephs IL, entworfen worden ist.

Marie von Ebner-Eschenbach wurde nach ihrem Tod am 12. März 1916 nach Zdislawitz überführt und im Schloßpark in der tempelartigen Gruftkapelle beigesetzt. Die Kapelle und die Inschriften haben die Zeiten in tadellosen Zustand überstanden.

Am Schloßportal, das tagsüber geöffnet bleibt, empfängt den Besucher eine Erinnerungstafel an die Dichterin, die offenbar neueren Datums ist. In der Halle des Schloßes, das seiner sämtlichen Möbel beraubt ist - die umfangreiche Bibliothek wurde in das böhmische Schloß Lis-sitz (Lysice, Kr. Blansko) gebracht, wo sie zu besichtigen sein soll - befindet sich auch heute noch eine Porträtbüste der großen österreichischen Dichterin.

Die Büste zeigt Marie Ebner-Eschenbach im Alter von siebzig Jahren, nachdem sie aus der Hand von Kaiser Franz Joseph I. als erste - und für lange Zeit einzige - Frau das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft empfangen hatte.

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