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Die Heimkehr der Bücher

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Zehntausende deutsche Bücher, die in der Zeit von 1933 bis 1939 aus Deutschland in das damalige Palästina gelangt sind, finden in den letzten Jahren allmählich ihren Weg nach Deutschland zurück. Seinerzeit kamen sie mit dem Strom der etwa 40.000 jüdischen Einwanderer, die alles daransetzten, ihre Bibliotheken

in die neue Heimat mitzubringen. Die deutschen Bücher waren für sie ein Teil ihrer Identität, und vor allem blieben sie eine Brücke zur deutschen Sprache; sie waren auch Künder einer besseren Zukunft und Hoffnung.

Diese Lesergeneration ist heute . bereits klein geworden, die Söhne und Enkel beherrschen die deutsche Sprache nicht mehr, und so sind die Bücher für sie fast über Nacht zum großen Teil nutzlos geworden.

Die Tendenz war bereits seit Jahren zu spüren, aber man gab sich der Illusion hin, diverse Leihbibliotheken, Altersheime deutschsprachiger Senioren und

auch Universitätsbibliotheken würden die Bücher doch noch lesen. Sicherlich wurden auf diese Weise ein paar tausend Bände untergebracht, aber auch die Universitäten sind bereits mehr als gesättigt und machen vom Angebot kaum Gebrauch. Immerhin gab es bis zu den letzten Jahren einige wenige deutschsprachige Buchhandlungen in Jerusalem, Haifa und Tel Aviv, die einzelne Ausgaben oder ganze Erbschaftsbibliotheken aufzukaufen bereit waren, aber selbst diese wenigen Buchhandlungen sind am „Aussterben“. Es gibt keine Käufer mehr für deutsche Literatur.

Parallel zu dieser Entwicklung besteht jedoch erfreulicherweise ein großes Nachholbedürfnis in der Bundesrepublik, das sich gerade auf diese Art von Literatur bezieht. Zwar wurden in Deutschland inzwischen • Werke Lion Feuchtwangers, Jakob Wassermanns, Stefan Zweigs und anderen neu aufgelegt, aber eine ganze

Reihe wertvoller Bücher, die vor dem Zweiten Weltkrieg erschienen sind, können im bundesdeutschen Antiquariat kaum gefunden werden. Dies gilt vor allem für Liebhaber- und Erstausgaben, etwa von Franz Kafka, Max Brod und Karl Kraus, dessen „Fackel-Jahrgänge“ ganz besonders geschätzt werden.

Inzwischen dürfte es sich in der Bundesrepublik herumgesprochen haben, daß es in Israel eine zwar langsam versiegende, aber dennoch existierende Bücherquelle gibt, deren Besitzer nicht wissen, was sie mit all den Büchern anfangen sollen - Bücher, die also zu relativ niedrigen Preisen aufgekauft werden können. Immer mehr Inserate deutscher Antiquariatsläden erscheinen in den israelischen — vor allem den deutschsprachigen - Zeitungen, in denen Adressen von Antiquariaten in Berlin, München und Frankfurt angegeben werden, die in Israel Ankäufe vornehmen wol-

len, ja sogar bereit sind, zu diesem Zweck nach Israel zu kommen.

Es hat den Anschein, als ob auch bundesdeutsche Antiquariate kein Interesse an den deutschen Klassikern hätten, denn es gibt ja viele Neuausgaben. Hingegen stehen Judaika und, wie bereits gesagt, die „Emigrantenliteratur“ hoch im Kurs.

Unlängst erzählte ein Mitglied eines Kibbuzes, der vor fürtzig Jahren von Juden aus Deutschland gegründet wurde, dieser hätte sich weigern müssen, ein Geschenk von einigen tausend deutschen Büchern von einer Universität — die diese wiederum von Erben geschenkt bekommen hatte — anzunehmen, da sich in diesem Kibbuz heute kaum noch Leser dafür finden. Die aus Breslau stammende Kibbuz-Bibliotheka-rin sagte resigniert: „Stellen Sie sich vor, all diese im Laufe eines Lebens liebevoll erworbenen und gehegten Bücher werden sicher auf einem Müllhaufen enden.“

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