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Die Hoffnung auch dieser Welt

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Ein Katholikentag mit dem Thema „Hoffnung leben — Hoffnung geben" kann an der vielfältigen, drängenden Problematik dieser Welt wohl nicht vorbeigehen. Das Thema „Christ und Weltgestaltung" - Thema einer Arbeitstagung am kommenden Wochenende in Eisenstadt — orientiert sich schon einmal daran, daß auch die Weltgestaltung voll von Haltungen ist, die der Hoffnung widersprechen.

Politikverdrossenheit, stille Anpassung an die jeweils bestimmende Mehrheit, Politikenthaltung bis zu den Illusionen mancher Grünen und Alternativen sind vielfach und zweifellos zu jenen klassischen Haltungen zuor-denbar, die der Hoffnung widersprechen: Verzweiflung, Vermessenheit, Anpassung, Verweigerung, Resignation und Illusionismus.

Das Thema geht aber auch alle Christen ganz persönlich an: „Po-pulorum progressio" formulierte 1967: „Wenn es Aufgabe der Hierarchie ist, die geltenden sittlichen Grundsätze zu lehren und verbindlich zu interpretieren, dann ist es die Aufgabe der Laien, in freier Initiative und ohne erst träge Weisungen und Direktiven von anderer Seite abzuwarten, das Denken und die Sitten, die Gesetze und die Lebensordnungen ihrer Gemeinschaft mit christlichem Geist zu durchdringen."

Dieses „Durchdringen" ist der eigentliche Auftrag der Weltgestaltung; er richtet sich beileibe nicht nur an die professionellen Politiker, sondern an jeden einzelnen, weil eben jeder einzelne in „seiner" Gemeinschaft steht. Auch das Abschieben verantwortlichen Handelns auf den Kardi-

nal, den Bischof oder diese oder jene Partei ist ohne Frage unchristlich.

Es beginnt im ureigenen, privaten Leben: in der Familie. Entscheidend ist nicht, wo der Christ steht, sondern daß er als Christ steht, wo immer er steht. Nicht anders ist es in politischen Gruppierungen und Parteien, in Vereinen und Verbänden, Kammern und Gewerkschaften, kirchlichen Gremien und Organisationen. „Beten und handeln" nach dem Beispiel des hl. Severin empfiehlt sich als Muster der Grundhaltung.

Dazu gehört die gleichzeitige Sorge um ein Mindestmaß an geistigen, geistlichen und materiellen Gütern ebenso wie das Bemühen um gerechte Verteilung der materiellen Güter — auch hier durchaus bis in den persönlichen Bereich hinein: Wenn es etwa zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit notwendig ist, dann muß ein zeitlich begrenzter direkter oder indirekter Einkommens- und Lohnverzicht in Kauf genommen werden; dann wird aber auch das geflügelte Wort von den „wohlerworbenen gewerkschaftlichen Rechten" zu einer unchristlichen Grundhaltung.

Notwendig ist, in allen Bereichen der Gesellschaftsgestaltung immer wieder zu fragen, ob eine konkrete Maßnahme mit ihrer Verwirklichung oder Nichtver-wirklichung mehr Menschlichkeit, mehr Gerechtigkeit, mehr Freiheit, mehr Frieden bringt.

Einer der Kernpunkte ist aber auch das menschliche Leben selbst: Wir leben in einer Zeit, in der das menschliche Leben mehr und mehr an Bedeutung gewinnt - wir ringen um die Beseitigung des Hungers in der Welt, alle Medien wetteifern mit Ratschlägen für ein natürliches, gesundes Leben, selbst der Nationalfeiertag dient als zentraler Anlaß, daran zu erinnern, daß wir zuviel essen, rauchen und trinken, wir sorgen uns um die Umwelt und den Frieden.

Aber: Die Abtreibung ist bis zum dritten Monate straffrei. Ist das kein Widerspruch? Und: Haben wir uns damit abgefunden, die Hoffnung aufgegeben?

Oder ein anderer Kernpunkt: die Frage nach der gesellschaftlichen Moral. Die Unmoral beginnt nicht bei jenen - in Wahrheit doch seltenen - Politikern, die die öffentlichen Kassen für einen Selbstbedienungsladen halten, sie endet dort. Denn auch der erschwindelte arbeitsfreie Nachmittag, der auf der Baustelle „organisierte" Zementsack und viele andere Zeiterscheinungen werfen die Frage auf, ob wir überall, wo wir stehen, dort auch als Christen stehen.

Selbst die gern gebrauchte Ausrede, „es machen's ja alle so", entbindet nicht: Christentum ist in dieser Hinsicht nicht mehrheits-unterworfen.

Und letztlich: Die Frage nach der „Sozialpflichtigkeit" der Gesellschaft gegenüber dem einzelnen. Der ständige Ruf nach dem Staat, nach der Kirche übertüncht doch in Wahrheit nicht selten den Umstand, daß wenig Bereitschaft besteht, aus der eigenen Reserve herauszutreten und eigene Initiative einzusetzen, um zu retten, zu heilen, Frieden zu stiften, Hoffnung zu schaffen.

Der Verfasser ist Präsident der Arbeitsgemeinschaft Kath. Verbünde, die zusammen mit der Diözese Eisenstadt den Studientag vorbereitete.

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