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Die im Dunklen rettet man nicht?

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„Brief aus der Sch...” - Ganz nahe ans Mikrophon bitte, direkt hineinsprechen!

„Brief aus der Schubhaft. Mein Name ist Hidi Polat. Ich bin Kurde, 32 Jahre alt. Schon als Jugendlicher habe ich mich für die Rechte des kurdischen Volkes in der Türkei eingesetzt.” Der Aufenthalt auf der steinernen Brüstung der Auffahrtsrampe der Hofburg ist verboten. Einer in Uniform ist gleich da, winkt mich herunter. Einen kurzen Augenblick lang konnte ich das Lichtermeer von oben sehen, ungeblendet von den Riesenscheinwerfern der Bühne, die vollgepackt ist mit Veranstaltern, Musikern, Photographen, Mikrophonen, Adabeis und Verstärkern. Einen Augenblick lang schwammen Parlament, Rathaus und das Burgtheater auf Schaumkronen aus Licht, konturlos und unwichtig hinter dem schimmernden Rauch und dem Atem von Tausenden. Einen kurzen Augenblick lang erübrigte sich die Diskussion über Sinn und Unsinn der Lichterkettlerei. „Mit 18 Jahren mußte ich das erste Mal ins Gefängnis, weil ich eine oppositionelle Zeitung verteilt hatte. Nach dem Militärputsch in der Türkei habe ich unter falschem Namen gelebt und als Bauarbeiter gearbeitet. 1989 wurde ich wieder verhaftet. Ich verbrachte nahezu drei Jahre im Gefängnis. Während meiner Haft wurde ich immer wieder bedroht, geschlagen und mißhandelt. Die Verurteilung erfolgte ausschließlich aufgrund meiner politischen Gesinnung und Tätigkeit. Ich habe niemals eine strafbare Handlung begangen.”

Ach Hidi, wärst du doch ein braver lieber, unengagierter Junge geblieben...!

, .Nach meiner Haftentlassung habe ich mich geweigert, den türkischen Militärdienst zu verrichten, da ich nicht gezwungen werden wollte, gegen mein eigenes Volk zu kämpfen. Deshalb werde ich von den türkischen Sicherheitsbehörden gesucht. Meine Eltern werden zur Tages- und Nachtzeit von türkischen Soldaten heimgesucht, bedroht, geschlagen... meine Schwester wurde mehrfach festgenommen und mißhandelt, damit sie meinen Aufenthaltsort verrät. Deshalb haben wir uns entschlossen gemeinsam zu fliehen. Wir sind beide in einem türkischen Lastkraftwagen versteckt hinter Obst- und Gemüseschachteln... in die Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze gebracht worden...”

Gendarmerie, Ansuchen um politisches Asyl abgelehnt, Schubhaft, Trennung von der Schwester, Hungerstreik... „meine Schwester und ich bitten die österreichische Regierung, uns politisches Asyl zu gewäh-ren .

Und die Scheinwerfer scheinen und die Kerzen brennen, nur nahe am Mikro bleiben.sonst hört die Masse die Not nicht, vielleicht sind Hidi und seine Schwester zu retten, sie sind öffentlich, wer rettet die anderen?

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