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Die Isolierungs-Psychose der veruneinigten Staaten

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Die Verbrüderung des nordamerikanischen Präsidenten Jimmy Carter mit seinem venezolanischen Kollegen Carlos Andrės Pėrez bewies erneut, daß Brasilien als Sprecher Lateinamerikas in Washington durch Venezuela ersetzt wurde. So schrieb das „Jornal do Brasil”, Carter hätte Pėrez nicht so sehr als den Sprecher der „Dritten Welt” und Leader eines demokratischen Landes gepriesen, wenn er besser über Lateinamerika orientiert gewesen wäre.

Es ist bezeichnend, daß der brasilianische Präsident, General Ernesto Geisel, vor der Reise seines uruguayischen Kollegen Mėndez nach Brasilien in einem Interview für das uruguayische Fernsehen erklärte: „Unsere politischen Ziele sind die gleichen.” Tatsächlich hat sich als Ergebnis der von Carter ausgelösten Diskussion in der „Organisation Amerikanischer Staaten” eine Einheitsfront zwischen Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay gebildet.

(Lehrreich ist in dieser Beziehung eine innerbolivianische Auseinandersetzung. Der bolivianische Außenminister, Oscar Adriazola, erklärte bei seiner Rückkehr von der „OAS”-Kon- ferenz, die bolivianischen Streitkräfte verteidigten die Menschenrechte, stellten sich also in dieser Frage auf die Seite der USA. Dagegen begründete der bolivianische „OAS”-Delegierte, Ortiz Sans, seine Stimmenthaltung damit, daß er es sich weder mit den lateinamerikanischen Nachbarn durch ein „Ja”, noch mit den USA durch ein „Nein” habe verderben wollen…)

Die vier genannten Staaten haben US-Militärhilfe abgelehnt und sich auf das Prinzip der Nicht-Intervention berufen. Dagegen lehnen sie eine Blockbildung ab, die der argentinische Präsident Videla bei seinem kürzlichen Besuch in Montevideo „mezquina” („schäbig”) nannte. Es liegt den südamerikanischen Diktaturen denn auch fern, sich in „Splendid Isolation” zu gefallen. Trotz des weit verbreiteten Nationalismus und der chronischen Anti-Yankee-Stimmung sind sie wirtschaftlich auf die USA angewiesen. Im Gegensatz zu den afrikanischen und asiatischen Ländern, können sie sich auch keinen Flirt mit Moskau leisten, weil sie die Sowjetunion als ihren „Todfeind” bekämpfen. Trotz der Handelsoffensive Brasiliens in Afrika bietet die „Dritte Welt” in keiner Weise genügend große Märkte. Vor allem können die Vereinigten Staaten durch ihren Einspruch bei den internationalen Finanzorganisationen den Hahn für die unerläßlichen Dollardarlehen zudrehen. So erklärtes sich, daß die lateinamerikanischen Länder mit der linken Hand auf den Tisch hauen, die rechte aber Washington gabenfordernd entgegenhalten.

Die Isolierungs-Psychose zeigt sich in doppelter Hinsicht Auf der einen Seite beklagen die Lateinamerikaner, daß die USA sie isolierten, auf der anderen wird den Regierungen in Brasilia und in Buenos Aires vorgeworfen, daß sie jede Annäherung durchkreuzten. So hat sich der zwischen beiden Staaten schwelende Konflikt wegen der Kraftwerke am Paranä verhärtet. Der brasilianische Außenminister Azeredo da Silveira hat mit einer unter Diplomaten unüblichen Grobheit die von Buenos Aires geforderten Dreierbesprechungen (zwischen Argentinien, B rasilien und Paraguay) abgelehnt. Argentinien besteht aber auf diesen Verhandlungen und hat sich an den „Wirtschafts- und Sozialrat” der UNO gewandt

Man hatte in der argentinischen Presse immer wieder den Vorsprung beklagt, den Brasilien vor allem in der zweiten peronistischen Periode international vor Argentinien erreichen konnte. Videla hatte sich mit Reisen nach Paraguay, Uruguay, Chile und Venezuela bemüht, die aufs Eis gelegten Beziehungen aufzutauen, was ihm mit Ausnahme von Brasilien auch gelang. Aber die jetzige Isolierungs-Psychose, die man auch in Buenos Aires feststellt, hat ihre guten Gründe. Abgesehen von dem offenen Konflikt mit Brasilien, sind auch die Beziehungen zu Chile und Paraguay gestört.Trotz der Herzlichkeit, mit der der paraguayische Präsident General Ströss- ner seinen argentinischen Waffenbruder Videla behandelt, zieht er die Verhandlungen über die Konstruktion des Kraftwerkes „Corpus” immer wieder hinaus, so daß Buenos Aires argwöhnt, er sei den Sirenen tönen aus Brasilien erlegen, wo man Strössner angeboten hat, auf eigenem Gebiet ein Kraftwerk mit gleicher Potenz zu errichten. Jedenfalls sind die Beziehungen Argentiniens zu Brasilien, Chile und Paraguay im gleichen Augenblick gestört, in dem alle diese Staaten die gemeinsame Konfrontation mit den USA zu umgehen versuchen.

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