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Die Jakobiner von Wien

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Die Unklarheit dessen, was jene Aufklärer eigentlich beabsichtigten, die sich als Freimaurer" in geheimnisvollen „Logen" versammelten, erweckte den Argwohn, daß sie Arges planen, und solches Mißtrauen ist bis heute da und dort spürbar. Man traute ihnen nicht und traute ihnen alles Mögliche zu, weil man wenig von ihnen wußte. Gerade das Geheimnisvolle ihres Treibens war einerseits anziehend, anderseits verdächtig. Diese Freimaurer rekrutierten sich längst nicht mehr aus Maurern; Beamte, Künstler, Gelehrte und auch Aristokraten wurden Logenbrüder, Sympathisanten hatten sie sogar in Fürstenhäusern. Sie wollten die Welt verbessern, also ändern, und wurden hierzulande für latente Revolutionäre gehalten, nachdem in Frankreich die Revolution ausgebrochen war, gesiegt und blutige Folgen gezeitigt hatte.

„Licht der Freiheit", der „Roman eines Freimaurers" von Alexander Giese, beschreibt detailliert das Wiener Milieu vor 200 Jahren und hat einen kompetenten Verfasser: er ist gelernter Historiker, gewiegter Romancier und hochrangiger Freimaurer, also dreifach qualifiziert für dieses Werk sowie die Berücksichtigung der durchaus heiklen Komponenten, aus denen damals die Verfolgung dieses Bundes resultierte. Denn der „Bund" bestand nach wie vor (wenngleich reduziert), obwohl er offiziell aufgelöst war. Man blieb verbrüdert; prinzipientreue Freimaurer wurden als „ehemalige Freimaurer" angesehen, als solche von der Geheimpolizei gesucht und verfolgt. Nicht ohne Grund: Der bekannte Satiriker Alois Blumauer und andere schrieben und redeten aggressiv, Wiener Kaffeehäuser dienten als Logenersatz, vor allem aber löste das letale Schicksal Lud-

wig XVI. Panik aus. Behördlicherseits wurden die vormaligen Logenbrüder für die Jakobiner von Wien gehalten.

Die Titelfigur des Romans, Martin Joseph Prandstetter (1760-1798), Magistratsbeamter und bekannter Schriftsteller, schwer verschuldet, aber so gut wie unschuldig, war als eines der Opfer ausersehen. Er wurde 1794 verhaftet, zu dreißig Jahren Kerker verurteilt und ging, Tag und Nacht angekettet, in der gefürchteten Festung Munkacs nach dreijähriger Haft zugrunde.

Giese hat aber keinen Tendenzro-

man geschrieben; die Furcht der Obrigkeit war ebenso echt wie die Harmlosigkeit jener damals beschuldigten Untertanen. Sie murrten, das war alles; manchmal entschied höhere Gewalt darüber, ob einer vom Bespitzelten zum Spitzel wurde, denn auch das passierte in Einzelfällen. Das historisch breite Panorama reicht vom Kaiserhaus bis zum obskuren Treffpunkt mit ausländischen Boten (die den weltfremden Beamten warnen), denn die Verbindungen der Freimaurer waren immerhin international.

Es liegt am Tonfall des Vortrags, daß die fundierte Darstellung zu einem berührenden Roman wird. Alexander Giese polemisiert nicht; die Tragödie entsteht durch Mißverständnisse und auch Mißgriffe auf beiden Seiten. Der Leutnant Hebenstreit beispielsweise, der das berüchtigte Eipeldauerlied getextet und den Königsmord der Franzosen akklamiert hat, war vermutlich nicht mehr als ein vorlauter Krakeeler; aber die gedruckt vorliegenden Indizien sprachen gegen ihn, und er wurde hingerichtet. Eine geschichtlich authentische Geschichte also, die uns da erzählt wird, am Buchende belegt durch eine vielsagende Zeittafel: im Ganzen auch darum pak-kend, weil die Handlung nicht erfunden ist. LICHT DER FREIHEIT. Von Alexander Giese. Verlag Langen/Müller, München 1993. 352 Seiten, öS 311,-.

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