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Die Juden und wir

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Eine Streitfrage mit ungeheuren Konsequenzen ist das Verhältnis zwischen Christen und Juden.

• Das Problem aus der Sicht der Christen: Das Neue Testament ist die Erfüllung der Verheißungen des Alten Bundes. Das Volk Israel hat in entscheidender Stunde versagt. Es hat den Messias verworfen. Es ist deswegen selbst verworfen. Die verstockten Juden haben nur einen Weg: sich zu bekehren.

• Das Problem aus der Sicht der Juden: Die Christen haben sich geirrt. Jesus ist nicht der Messias. Das Neue Testament ist ein Anhang zum Alten Testament. Was im Neuen Testament wertvoll ist, stammt aus dem Alten; was nicht aus dem Alten stammt, ist nicht gut. Der Glaube Jesu verbindet Juden und Christen. Der Glaube an Jesus trennt sie.

• Ein Lösungsversuch, der für viele Christen und Juden nicht annehmbar ist: Israel und die Kirche sind gleichwertig. ,Jsrael und Kirche sind als Volk Gottes zu bestimmen, beide sind Volk der Erwählung, sind durch Wort und Gemeinschaft gebildete ekklesia, beide sind Volk auf dem Wege, beide haben den Auftrag, nicht zu sein wie die anderen Völker und zugleich für alle dazusein___Beide haben als Ziel das Kommen des Reiches Gottes“ (Heinrich Fries).

Die Spannung zwischen Israel und der Kirche führte zu gegenseitigen Verfolgungen. Der Antisemitismus, der bis zu Auschwitz führte, hatte auch religiöse Wurzeln. ,JDie Christen dürfen nie vergessen, daß Antisemitismus eine Form des Antichristentums ist. Viele haben diesen Zusammenhang in der Zeit des Nationalsozialismus nicht begriffen oder nicht begreifen wollen. Sonst wäre die Solidarität größer und umfassender, sonst wären das Bekenntnis und Zeugnis der Kirchen mutiger gewesen ...“ (Heinrich Fries).

Das Zweite Vatikanum hat versucht, das Verhältnis von Israel und Kirche in einer eigenen Erklärung neu zu bestimmen. Darin heißt es:

„Wie die Schrift bezeugt, hat Jerusalem die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt, und ein großer Teil der Juden hat das Evangelium nicht angenommen, ja nicht wenige haben sich seiner Ausbreitung widersetzt. Nichtsdestoweniger sind die Juden nach dem Zeugnis des Apostels immer noch von Gott geliebt um der Väter willen; sind doch seine Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich ... Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche ... alle Haßausbrüchef Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben.“

23. Teil einer am Buch „Fundamentaltheologie“ von Heinrich Fries (Sty-ria 1985) orientierten Serie.

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