6979535-1986_06_01.jpg
Digital In Arbeit

Die Kaiser und die Kandidatin

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Jungen sind hellhörig gegen tönende und doch alle verschonende Moralappelle, ihre Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit ist groß: Worte und Begriffe müssen wieder ihren Sinn bekommen.“

Freda Meissner-Blau, entschlossen, für das höchste Amt im Staat zu kandidieren, hat sich die Latte hoch gelegt.

Erkannt hat sie, „daß nicht nur Kinder feststellen, daß so einige Kaiser pudeinackert dastehen und gar keine neuen Kleider tragen“. Und einstehen will sie dafür, „daß Politikerwort und Wahrhaftigkeit für so viele nicht mehr ein Gegensatz sei“.

Jetzt empört sich Meissner-Blau über eine Diffamierungskampagne: Was ist daran Verleumdung, daß sie 1980 als ÖMV-Referentin wegen Beruf sunfähig-keit mit 53 Jahren vorzeitig in Pension gegangen ist? Daß sie postwendend mit einem großzügigen Werkvertrag bedacht wurde?

Die Fakten sind bekannt, auch die Beträge. Doch es geht nicht um die 8300 Schilling Berufsunfähigkeitspension monatlich, nicht um die späteren 300.000 Schilling im Jahr aus dem Werkvertrag. Und sie braucht sich auch dafür nicht zu genieren, daß bis vor kurzem ihre Gastgeberrolle im Club 2 mit 20.000 Schilling pro Auftritt honoriert worden ist.

Das ist zwar kein Zeugnis von Armut, keiner hat's auch je verlangt, aber ein Armutszeugnis dann, wenn man selbstmitleidig den Vergleich mit Mindestrentnern am Existenzminimum wagt. Der Mangel an Augenmaß stellt bloß. Worte müssen wieder ihren Sinn bekommen.

Den mehrfach gezogenen Schlußfolgerungen ist nichts mehr hinzuzufügen: Freda Meissner-Blau hat sich's - gut österreichisch - gerichtet, durchaus im Rahmen, aber unter größtmöglicher Ausnutzung der Gesetze.

„Wir müssen den Boden säubern, in dem sich der Bazillus der Unredlichkeit, des wachsenden Egoismus, der Doppelzüngigkeit, der Pflichtvergessenheit und mancher anderer Krankheiten eingenistet hat“ (Bundespräsident Rudolf Kirchschläger), und im persönlichen Leben damit beginnen. Ein tönender Moralappell?

Freda Meissner-Blau war bisher noch direkter im Spruch, noch rigoroser im Anspruch. Das hat sie sympathisch gemacht.

Ob sie Sympathien verloren hat, ist von untergeordneter Bedeutung. Bedeutsam ist der Verlust an Glaubwürdigkeit, die sie als Alternativkandidatin auszeichnen sollte. Berufsunfähigkeit ist kein Ausschließungsgrund für eine Kandidatur um das höchste Amt im Staate. Unfähigkeit zur selbstkritischen Bewertung sollte es sein.

Noch ist es nicht zu spät, um von einer Kandidatur Abstand zu nehmen: Damit .junge Menschen nicht mehr zornig... abwinken, wenn von Politik und Politikern die Rede ist“ (Meissner-Blau).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung