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Die katholischen Privatschulen - Synthese von Glauben und Kultur

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Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde von der vatikanischen Kongregation für das Bildungswesen ein Dokument über die Katholische Schule herausgegeben. Das Konzil selbst hatte schon klar den Willen der Kirche zur katholischen Schule ausgedrückt. Das Dokument sieht sein ausdrückliches Ziel, „alle Bemühungen zu unterstützen, die die Erhaltung und Lebenskraft der Katholischen Schule fordern, die in unserer pluralistischen Gesellschaft mehr denn je unschätzbare, notwendige Dienste leisten kann. Die Kirche halte die Aufgabe der katholischen Schule heute noch für genau so wichtig, wie seinerzeit das Konzil, vielleicht sogar für noch wichtiger, da es immer dringender werde, unter ständiger Bezugnahme auf christliche Werte zum Aufbau einer neuen Welt beizutragen, die in deutlichem Gegensatz zu einer Denkweise steht, die nur von Vergnügungssucht, Leistungs- und Konsumzwang beherrscht ist.”

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Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde von der vatikanischen Kongregation für das Bildungswesen ein Dokument über die Katholische Schule herausgegeben. Das Konzil selbst hatte schon klar den Willen der Kirche zur katholischen Schule ausgedrückt. Das Dokument sieht sein ausdrückliches Ziel, „alle Bemühungen zu unterstützen, die die Erhaltung und Lebenskraft der Katholischen Schule fordern, die in unserer pluralistischen Gesellschaft mehr denn je unschätzbare, notwendige Dienste leisten kann. Die Kirche halte die Aufgabe der katholischen Schule heute noch für genau so wichtig, wie seinerzeit das Konzil, vielleicht sogar für noch wichtiger, da es immer dringender werde, unter ständiger Bezugnahme auf christliche Werte zum Aufbau einer neuen Welt beizutragen, die in deutlichem Gegensatz zu einer Denkweise steht, die nur von Vergnügungssucht, Leistungs- und Konsumzwang beherrscht ist.”

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Dieses Dokument enthält grundsätzliche Aussagen über das katholische Schulwesen; es zeigt klar die aktuellen Probleme der Privatschule; es gibt konkrete Hinweise auf den Bildungsplan und die Verantwortlichkeit in unserer Zeit und fordert zum mutigen und gemeinsamen Einsatz für die Katholische Schule auf. Besonders interessant scheint aber die Einladung an die Bischofskonferenzen zu sein, „ihr Augenmerk den Leitgedanken zuzuwenden, die die katholische Schule beseelen, sie auszuarbeiten und in bestimmte Bildungspläne einzubauen, die den besonderen Umständen und Anforderungen der verschiedenen Richtungen und Stufen des Schulwesens in den einzelnen Ländern entsprechen”.

Seit langem wird bedauert, daß in Österreich auf dem Gebiete der katholischen Privatschulen das allgemeine Konzept, die gemeinsame Strategie und die umfassende Schulpolitik fehlt. Es mangelt nicht an offenen Fragen in einer Einrichtung, die in „unserer, in ständigem Wandel begriffenen Welt ihre Aufgaben erfüllen soll, und zwar auf einem Gebiet, das auf Veränderungen aller Art besonders empfindlich reagiert”.

Immer mehr Zulauf

Tatsache ist, daß sich in den letzten Jahren die katholische Schule eines immer größer werdenden Zuspruches erfreut; es müssen viele Bewerber jährlich abgewiesen werden. Sicherlich ist der Zulauf auf die Qualität der einzelnen Schulen zurückzuführen, sicherlich wissen die Eltern das Streben nach Gesamtbüdung des jungen Menschen zu schätzen. Katholische Schulen, die auch den Mut aufbringen, auf pädagogischem Sektor initiativ zu sein, neue Wege der Methodik zu beschreiten und im Vorbildcharakter auch für staatliche Schulen Schulversuche durchzuführen, finden in der Öffentlichkeit großes Interesse und Anerkennung. Trotzdem treffen wir im privaten Schulbereich oft Mutlosigkeit - wenn Orden ihre Schulen trotz guten Zulaufs auf geben -, Planlosigkeit und Hilflosigkeit und wenig befruchtendes Nebeneinander der einzelnen Schulen.

Was würden sich Verantwortliche der katholischen Schulen und auch die Öffentlichkeit von dem angeregten Bildurigsplan erwarten?

Mut und Ansporn

Den erzieherischen Wert der katholischen Schule ins rechte Licht zu rük- ken und damit allen Beteüigten Mut und Ansporn zu geben, scheint eine der ersten Aufgaben zu sein. Gerade in einem kulturellen Pluralismus muß die Kirche die besondere Aufgabe sehen, „selbständige und verantwortungsbewußte Persönlichkeiten” heranzubilden, die dem lähmenden Relativismus widerstehen und gemäß den Anforderungen ihres Taufgelöbnisses leben können. Jede einzelne katholische Schule muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie nicht eine unter vielen öffentlichen Schulen in Österreich sein kann, sondern daß sie sich nur dann „katholisch” nennen kann, wenn „alle Glieder der Schulgemeinschaft - wenn auch in verschiedenen Ausmaßen - ausdrücklich und gemeinsam an der christlichen Betrachtungsweise teühaben, so daß die Grundsätze des Evangeliums zu ihren Erziehungsregeln, zu ihrem inneren Handlungsantrieb und zu ihrem Endzweck werden”. Es muß also um die Aufgabe gehen, eine Übereinstimmung zwischen Kultur und Glauben und zwischen Glauben und Leben herzustellen.

Auch wenn die katholische Schule versucht, dip Synthese zwischen Glauben und Kultur zu vollziehen, kann sie nicht den Unterricht dem Zweck entfremden und darf sie nicht vergessen, daß die einzelnen Fachgebiete die ganzheitliche Ausbildung des jungen Menschen in dem Maße fördern, als man ihre Eigengesetzlichkeit und ihre Methoden achtet. Das Streben nach überdurchschnittlicher Qualifikation in fachlicher Hinsicht muß ein Kennzeichen des Lehrers an einer katholischen Schule sein. Katholisch sein genügt nicht.

Der Schule im allgemeinen - nicht nur der katholischen Schule - ist ständig vor Augen zu halten, daß sie subsidiäre Hilfe zu leisten hat, da die Eltern die ersten und bevorzugten Erzieher sind, wie das Konzil betont. Wenn in den lehramtlichen Dokumenten immer wieder das Subsidiaritätsprinzip angeführt wird, so ist es auf dem Gebiete der Schule im besonderen Maße zu beachten. Die Schule, hiermit der Staat oder die Kirche, hat die Aufgabe, den Eltern Hilfe zu erweisen. Sie darf sich aber nicht an deren Stelle setzen, die ihnen zukommenden Funktionen abnehmen und damit ihre Eigenständigkeit rauben. Vielmehr muß die Einladung an die Eltern erfolgen, am schulischen Geschehen teilzuhaben und mitzuhelfen bei der Verwirklichung der Ziele und sich der verantwortungsvollen Zusammenarbeit bei der Erfüllung des gemeinsamen Bü- dungsplanes bewußt zu sein.

Hilfe für die Familie

Diese Einladung ist schon von der Österreich-Synode ausgesprochen worden und wird von jeder einzelnen Privatschule ernst zu nehmen sein. Wenn in der heutigen Zeit die Famüie in Krise geraten ist, so hat gerade hier die Schule einen wichtigen Dienst zu leisten: Eine Schulgemeinschaft als Sammelpunkt für alle anzubieten, die in der gesamten Erziehungsarbeit von den christlichen Werten Zeugnis geben wollen. Die katholische Schule muß sich als eine Gemeinschaft darstellen, die auf die Weitergabe von Lebenswerten ausgerichtet ist. In dieser Gemeinschaft dürfen und können die Eltern nicht fehlen.

Eine der wichtigsten Aufgaben für eine von der Bischofskonferenz auf Grund der Aufforderung durch das vatikanische Dokument zu bildende Kommission wird wohl die Sorge um die Aus- und Weiterbildung der Lehrer sein. In ganz Österreich gibt es derzeit keine Stelle, die sich der Planung und Durchführung der Lehrerweiter- büdung - auf fachlichem und religiösem Gebiete - annimmt. Dabei gibt es keinen Zweifel, daß die Verwirklichung der Ziele und Aufgaben der katholischen Schule nicht so sehr von den Lehrplänen als von den Personen, die die Schule tragen, abhängt. Das Dokument gibt klar wieder, daß die Synthese zwischen Kultur und Glaube in der Person des Erziehers und Lehrers weitergegeben wird. Der Lehrer an der katholischen Schule muß die christlichen Werte nicht nur durch das Wort, sondern auch mit jeder Geste und seiner ganzen Haltung wiedergeben. Vielleicht liegt gerade darin der Unterschied zwischen einer staatlichen Schule und einer katholischen Privatschule, daß der Unterricht in der katholischen Schule vom christlichen Geist durchdrungen ist, wogegen sich die öffentliche Schule darauf beschränkt, den Religionsunterricht zu den anderen Fächern hinzuzufügen.

In einem Appell der Österreich-Synode heißt es, daß die katholische Schule auch die Aufgabe hat, an der Entwicklung des Schul- und Erziehungswesens aktiv mitzuarbeiten und ein möglichst vielseitiges Bildungsangebot zu erstellen. Im christlichen Abendland waren die kirchlichen Schulen bis ins späte Mittelalter fast ausschließlich die einzigen Büdungs- stätten der Jugend. Als in der Folge der Reformation durch die Auflösung vieler Klöster zahlreiche Schulen gesperrt wurden, nahmen sich wiederum Ordensgemeinschaften in besonderer Weise der Erziehung der Jugend an und hatten immer Vorbildcharakter für andere Schulen. Wenn auch in der heutigen Zeit der Staat das Schulwesen übernommen hat, so bleibt immer noch den einzelnen Privatschulen die Aufgabe erhalten, In- iativen zu ergreifen, den Mut für Experimente aufzubringen und damit für die Entwicklung des allgemeinen Schulwesens ihren Teü beizutragen. Trotz der Bindung an die staatlichen Gesetze bleibt noch genügend Spielraum für eigene Initiativen. So ergibt sich auch hier die Frage, wo ist die Stelle, die imstande ist, alle diese Bemühungen zu initiieren und zu koordinieren?

Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art erschweren oft die Arbeit der Schule und hindern sie „ihre Dienste den Jugendlichen aller Gesellschaftsschichten zukommen zu lassen. Sie geben ihr den falschen Anstrich, eine Schule der Reichen zu sein”. Es wären hier Überlegungen am Platz, Schulen wirtschaftlich zusammenzuschließen, um dadurch eine größere Rationalisierung zu erreichen. Die katholische Schule braucht die von der Kirche eingesetzte Institution, die den Staat ständig auf seine finanziellen Pflichten gegenüber den Eltern, die ihre Kinder in einer Privatschule erziehen lassen wollen, aufmerksam macht. Wo ist die Stelle, die aufzeigt, welche Gebiete in Österreich und katholischen Schulen unterversorgt sind, und die Standortbestimmungen durchführt?

In Österreich ist zwar die katholische Schule durch die Schulgesetze abgesichert, es besteht die Möglichkeit der freien Schulwahl. Vielen erscheint aber die katholische Schule als eine überlebte Einrichtung; die Daseinsberechtigung wird ihr von bestimmten Kreisen abgesprochen. In der politischen Auseinandersetzung fehlt das Gremium, das sich der Sache der Katholischen Privatschule in der allgemeinen Schulpolitik annimmt.

Überlegungen dieser Art führen zu dem Schluß, daß es an der Zeit wäre, ein von den Bischöfen autorisiertes Gremium für Privatschulen zu schaffen, das sich in jeder Hinsicht der Belange der katholischen Schule annimmt. Die Bischöfe werden dadurch den Katholiken, die in der Schule arbeiten, wieder den Mut zur Weiterarbeit geben. Die Aufgaben sind in den letzten Jahren schwieriger und verwickelter geworden, „da das Christentum infolge der fortschreitenden Veränderungen in der Kirche und Gesellschaft in neuen Lebensformen Gestalt gewinnen soll, vor allem aber infolge des Pluralismus und der Versuche, die christliche Botschaft aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen”.

Arbeitsweise überprüfen

Was den Verantwortlichen für die katholische Schule oft fehlt, ist im Grunde ein klares Bewußtsein von der Wesensart der katholischen Schule selbst, denn sonst könnte es nicht möglich sein, daß manche Ordensgernein- schaften, die für das Schulapostolat gegründet wurden, sich anderen Betätigungsfeldern zuwenden, um sich einem „unmittelbaren individuell ausgerichteten Apostolat”, wie man angibt, hinzugeben. „Manchmal rechtfertigt man die Preisgabe der katholischen Schule”, wie das Dokument ausführt, „auch mit dem Hinweis auf den scheinbaren Mißerfolg in den Bemühungen, gewisse Ziele zu erreichen. Dieser Vorwand sollte eher zu einer umfassenden Überprüfung der Albeits- und Lebensweise in der Schule Anlaß geben und an die demütige und zuversichtliche Haltung erinnern, die jedem einzelnen eigen ist, der weiß, daß seine Arbeit nicht mit den rationalistischen Maßstäben, die auf anderen Gebieten gelten, erfaßt werden kann”.

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