7055151-1991_15_06.jpg
Digital In Arbeit

Die Kirche des Schweigens

Werbung
Werbung
Werbung

Eines der wichtigsten Probleme, das die postrevolutionäre Kirche in der CSFR lösen wird müssen, ist das der (auch verheirateten) Geheimpriester und -bischöfe. Die FURCHE hat wiederholt auf diese Frage aufmerksam gemacht. Von

Seiten hoher kirchlicher Amtsträger in Prag wird immer wieder gebe-ten, über diese Angelegenheit „nichts zu schreiben", denn man „schadet damit der Kirche".

Der Schaden - so ein Prager Kirchenmann - betreffe zunächst die Einheit der Kirche in der CSFR. Eine noch immer bestehende „ecc-lesia silentii", wie sie ihre Vertreter selbst nennen, müsse erst in die neuen Kirchenstrukturen eingegliedert werden. Weiters sei die „Ordnung der Kirche gefährdet". Die Untergrundstrukturen sind dem offiziellen hierarchischen Zugriff weitgehend entzogen.

Momentan laufen mit Rom Verhandlungen, wie die ehemalige Geheimkirche unter Beibehaltung ihres hierarchischen Aufbaus und der Tatsache, daß die meisten Priester und Bischöfe noch immer weltliche Berufe ausüben, offiziell ihren Dienst an der Kirche leisten kann. Eine Möglichkeit wäre eine Organisation nach dem Modell der

„Mission de France", der Arbeiterpriester also.

Und drittens - so hört man aus Prag - werde durch die Tatsache, daß es in der Untergrundkirche verheiratete Priester und auch verheiratete Bischöfe gibt „der kirchliche Zölibat ausgehöhlt". Aus aller Welt - so berichtete ein Untergrundbischof der FURCHE - laufen bei der römischen Glaubenskongregation Anfragen von Bischöfen ein, ob man nicht auch „nach tschecho-slowakischem Vorbild" geeignete verheiratete Männer zu Priestern weihen dürfe. Diesbezüglich läuten in Rom die Alarmglocken. Dabei beruft man sich in der CSFR-Geheimkirche auf „spezielle Mandate" seitens des Vatikans während der Kommunistenära, die eine Art „Bi-Ritualismus"

für katholische Geistliche und damit deren Verheiratung - auch aus Gründen der Tarnung - erlaubt hätten. Die entsprechenden Männer hätten vor der Weihe einen „Ritenwechsel" von der lateinischen zur griechisch-katholischen Kirche vorgenommen, so wird berichtet, und als Griechisch-Unierte hätten sie ja heiraten können.

Großes Kopfzerbrechen bereitet aber ein verheirateter Bischof: denn nicht-zölibatäre Bischöfe sind auch in der Ostkirche nicht erlaubt. Der entsprechende Bischof (sein Name ist der FURCHE bekannt) hat seinerzeit eine Restaurationsfirma geleitet und war so in der ganzen damaligen CSSR herumgekommen. Auf ihn sollen viele Priesterweihen im Untergrund zurückgehen.

Momentan wird ein Geheimbischof nach dem anderen nach Rom beordert, um das Problem mit Kardinal Joseph Ratzinger zu besprechen.Hilfe erwarten sie vom tschecho-slowakischen Vatikanbotschafter Halas, der früher selbst mit der Untergrundkirche zusammengearbeitet hat und die Situation gut kennt. Den Geheimbischöfen ist strengstes Stillschweigen aufgetragen. Den von der FURCHE schon früher namentlich genannten Geheimpriestern und -bischöfen soll vom Prager Nuntius, Erzbischof Giovanni Coppa, gehörig „der Kopf gewaschen" worden sein. Bei manchen ist der Einschüchterungsversuch gelungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung