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Die Kirche ist auch ein Wohnzimmer

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Vor der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen ein Blick in eine evangelische Gemeinde (A.B.) in Wien-Floridsdorf: Gemeinsam mit einem männlichen Kollegen wirkt dort die Pfarrerin Johanna Uljas-Lutz.

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Vor der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen ein Blick in eine evangelische Gemeinde (A.B.) in Wien-Floridsdorf: Gemeinsam mit einem männlichen Kollegen wirkt dort die Pfarrerin Johanna Uljas-Lutz.

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Ihre Augen blicken ein wenig müde. „Ich hatte gerade ein Trauergespräch, ein sehr tragischer Fall. So etwas nimmt mich immer mit”, sagt Johanna Uljas-Lutz beinahe entschuldigend. Im Herbst 1991 wurde sie zur Pfarrerin bestellt - von der Gemeinde demokratisch gewählt, wie sie betont. Probleme habe sie als Frau und Mutter zweier Söhne in ihrem Amt eigentlich noch nie gehabt. Nur einmal wollte jemand für eine Trauung keine Frau und keinen Ausländer. „Naja”, meint sie schulterzuckend, „die haben mich nicht einmal gekannt.” Sie nehme das auch nicht persönlich. Es sei aber als Frau nicht ganz einfach, Pfarrerin zu sein. Die Aufgaben wären uferlos und die Erwartungen groß.

Seit 1980 können in Österreich Frauen unabhängig von ihrem familiären Status das Pfarramt übernehmen. Vorher sei es für die evangelischen Kirche aus gesellschaftspolitschen Gründen nur schwer vorstellbar gewesen, daß eine Frau mit Familie dieses anstrengende Amt ausübt, erklärt die gebürtige Finnin.

Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach. Frau Pfarrer teilt damit das Schicksal vieler berufstätiger Mütter. „Die Kindererziehung wird sehr partnerschaftlich wahrgenommen. Ich lebe nicht in der klassischen Situation, daß ich als Frau die Kinder alleine erziehe”, berichtet Uljas-Lutz. „Unsere Partner müssen unsere Arbeit innerlich mittragen. Die Unterstützung von meinem Mann ist da ganz wichtig..” Im übrigen sei es immer ein Ringen um ein Gleichgewicht, um genug Zeit für eine gemeinsame Lebensgestaltung, „gleich ob Pfarrer oder Pfarrerin”.

In Österreich gibt es rund zwanzig Frauen im Pfarreramt. Mit ihren männlichen Berufskollegen sind sie vollkommen gleichgestellt. „Das heißt aber auch”, erklärt Uljas-Lutz mit einem Augenzwinkern, „daß wir bis 66 arbeiten müssen.” Theoretisch könnte sie sogar Bischöfin werden. Erst im Vorjahr wurde in Hamburg mit Maria Jepsen die weltweit erste lutherische Bischöfin in ihr Amt eingeführt.

In der evangelischen Kirche ist die Ordination kein Sakrament. Pfarrer werden demokratisch gewählt. Geleitet wird die Gemeinde von einem Laien, dim Kurator, und Entscheidungen werden vom Presbyterium gefällt. „Die ganze Gemeinde ist verantwortlich für die Gemeindearbeit und das Leben aus dem Glauben. Deshalb ist es gleich, ob jemand Mann oder Frau ist”, erläutert Uljas-Lutz. Weder von Seiten der Theologie und den Kirchengesetzen noch von der Ein-

Stellung in der Gemeinde gebe es einen hierarchischen oder einen Aufga-benunterschied zwischen den Geschlechtern. Natürlich, schränkt die Pfarrerin ein, gebe es auch andersdenkende evangelische Theologen.

Für den Ausschluß von Frauen vom Priesteramt zeigt Uljas-Lutz kein Verständnis. „Im Neuen Testament kann ich keine Begründung für ein männliches Priestertum sehen. Als evangelische Theologin glaube ich, daß im frühesten Christentum auch Frauen als Missionarinnen, als Apostelinnen tätig waren.” Zudem habe

Jesus kein Priestertum gestiftet, sondern Männer und Frauen in seiner Nachfolge in die Welt gesandt.

Bei ökumenischen Begegnungen mit katholischen Priestern macht die Pfarrerin unterschiedliche Erfahrungen. „Für manche ist es befremdend. Aber es gibt einige katholische Kollegen, mit denen die Zusammenarbeit sehr fruchtbar ist. Da gibt es auch theologische Sympathien.”

Kontakt habe sie besonders zur Katholischen Frauenbewegung, erzählt sie. „Da sind Frauen, die das allgemeine Priestertum ganz selbstverständlich leben und ihre Verantwortung tragen, jetzt nicht im Priesteramt, aber im sozialen, menschlichen und auch liturgischen Bereich.” Der Unterschied liege im Wesen der evangelischen Kirche. Die demokratische und landeskirchliche Struktur mache vieles möglich. Damit meine sie aber nicht, daß ihre Kirche die bessere sei.

Ob die evangelische Kirche liberaler ist als die katholische, diese Frage will Uljas-Lutz so nicht beantworten. „Vergleiche sind immer schwierig und oft auch verletzend.” In ihrerGemein-de hätte man versucht, offen zu sein. Trotz Raumproblemen wurden über den Winter Flüchtlinge in ihrer Kirche einquartiert. „Und die Gemeinde hat akzeptieren gelernt, daß unsere Kirche auch ein Wohnzimmer ist”, freut sich die Pfarrerin.

Daß sie katholische Kolleginnen bekommen könnte, glaubt Uljas-Lutz eigentlich nicht. „Ich kann es mir schwer vorstellen, daß ein Konzil darüber berät, auf dem nur Männer vertreten sind, die noch dazu im Zölibat leben. Menschlich wäre es aber eine großartige Leistung.”

Für ihre katholischen Freundinnen wünscht sie sich demokratische Strukturen, daß die Würde der Frau und die gleichberechtigten Möglichkeiten anerkannt werden. „Und eigentlich möchte ich auch eine Entschuldigung der katholischen Kirche für 2000 Jahre Frauenunterdrückung. Das meine ich aus Solidarität mit den katholischen Frauen, die in den Gemeinden arbeiten, theologisch qualifiziert sind, eine tolle Spiritualität ausstrahlen und dann immer in dieser strukturellen Ohnmacht hängen bleiben.” Der oft logische Schritt zum Priesteramt werde verwehrt, nur weil sie Frauen seien. „Und das heißt auch, daß sie weniger wert sind als Frau. Das ist nicht richtig, das ist kränkend.”

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