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Die Kirche ist wieder mit dem Volk verbunden

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Ist der Katholizismus in Südamerika europäisches Oktroy oder verkörpert er die Religion der Indios? Diese Frage bewegte kürzlich den Alpbacher Dialogkongreß „Westeuropa - Lateinamerika“. Sie erhielt durch die jüngste Entwicklung der Kirche in Lateinamerika besondere Akzente.

Der Rektor der päpstlichen Universität von Rio de Janeiro, Pater P. Joäo A. MacDowell SJ betonte, die Kirche in Lateinamerika und speziell jene in Brasilien sei grundsätzüch von der portugiesischen Uberlieferung in Theologie und Pastoral abhängig, auch wenn viele andere Einflüsse mitwirkten. Die Basis der Kirche wie der ganzen südamerikanischen Kultur sei eindeutig europäisch, wenn auch nicht mit der Kultur des heutigen Europas zu vergleichen. Sie stehe etwa zu dieser in einem Verhältnis wie die griechisch-römische oder die christlich-jüdische Tradition zum heutigen Westeuropa.

Im 19. Jahrhundert hätten europäische Bischöfe der lateinamerikanischen Immaculataverehrung den Lourdeskult entgegengesetzt, den traditionellen Wallfahrten die Herz

Jesu-Verehrung. Dies habe in jüngster Vergangenheit ein Ende gefunden, womit auch die Spaltung zwischen der Amtskirche und dem Volk überbrückt worden sei. Die Europäisierung der lateinamerikanischen Kirche habe viele Menschen den Sekten in die Arme getrieben, die einheimische Traditionen fortsetzten.

Die lateinamerikanische Kirche sei heute viel geeinter als noch vor wenigen Jahren, erklärte Pater McDowell gegenüber der FURCHE. In Brasilien gebe es seit Jahren £eine bischöflichen Gegenpositionen mehr zu offiziellen Beschlüssen der Bischofskonferenz, und auch der Regierung gegenüber trete die Kirche geschlossen auf. Die Kirche müsse sich politisch engagieren, vor allem in der Verteidigung der sozialen Rechte. Sie müsse aber ihre Aussagen an Glaubensgrundsätzen und nicht an politischen Ideologien orientieren.

Weihbischof Alois Wagner (Linz) bezeichnete den Jesuitenstaat des 16. Jahrhunderts in Paraguay als ersten Versuch einer Sozialreform, als ersten und wichtigsten Schritt zur Entwicklungshilfe, wenn auch nicht alle Priester sich des Volkes und seiner Verteidigung gegen die spanischen Kolonialherrscher angenommen haben. Heute arbeiten viele Jesuiten in Bildungszentren und Universitäten Lateinamerikas mit, aber auch bei dörflichen Projekten zur Verbesserung der Agrarstrukturen und zur Hebung des sozialen Standards der Bevölkerung. Dies werde bei manchen Regierungen nicht gerne gesehen, weswegen erst kürzlich zwei Jesuiten, in Kolumbien mehrere'Wochen inhaftiert wurden. Sie hatten einen Mann bei einer Zeitung beschäftigt, der später Terroraktionen gesetzt hatte.

Weihbischof Wagner bezeichnete die Evangelisierung in Südamerika als Auftrag, die kapitalistische Wirtschaftsordnung im Sinne einer Befreiung der Indios zu verändern. Der Einfluß der Kirche auf die Menschen Lateinamerikas war in den vergangenen Jahrhunderten entsprechend den jeweils erreichten Kulturstufen sehr verschieden ausgeprägt. Heute ist die katholische Kirche wieder mit dem Volk, seinen Traditionen und Gebräuchen verbunden und mit ihm vereinigt im Kampf um die Erfüllung der Menschenrechte, vor allem der sozialen Gerechtigkeit.

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