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Die Kirche und das liebe Geld

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Die Kirchenbeitragsvor- schreibung als Anlaß für den Kirchenaustritt, falsche Vorstellungen vom Reichtum der Kirche: das Verhältnis der Kirche zum Geld empfinden gerade auch Fernstehende als Stein des Anstoßes.

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Die Kirchenbeitragsvor- schreibung als Anlaß für den Kirchenaustritt, falsche Vorstellungen vom Reichtum der Kirche: das Verhältnis der Kirche zum Geld empfinden gerade auch Fernstehende als Stein des Anstoßes.

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Es geht wieder einmal um die Kirchenbeiträge, vom Volk allgemein „Kirchensteuer“ genannt. Eine Bundesländerzeitung brachte die Nachricht, die Kirche (sie schrieb die Erzdiözese Wien) habe beim Finanzminister angefragt, ob es nicht möglich wäre, die Kirchenbeiträge wie in Deutschland vom Staat einheben zu lassen; der Finanzminister habe kein grundsätzliches Nein gesagt.

Zur selben Zeit ist in Wien ein Buch erschienen, in dem ein ehemaliger Angestellter der Finanzkammer der Erzdiözese Wien Untersuchungen vorlegt, wie in anderen Ländern die Kirche zu ihrem Geld kommt (Werner E. Pradek „Kirche ohne Kirchenbeitrag — Mittel und Methoden kirchlicher Finanzierung“, Dokumentation aus 75 Ländern, Verlag Herold, 1981). Auf diesem Gebiet gibt

es, wie der Verfasser unterstreicht, nahezu keine umfassenden Untersuchungen. Uber das Geld redet man nicht gerne. Um so höher ist der Fleiß und die Akribie des Verfassers zu rühmen, der in seiner Not auch zu Beweismitteln zweiter Kategorie wie Reportagen und Zeitungsartikel greifen mußte.

Sicherlich ist es Ziel dieser Untersuchungen, die vom Leiter der Wiener Finanzkammer angeregt wurden, zu beweisen, daß das österrreichische Kirchenbeitragssystem nicht das schlechteste der Welt sei. Es soll auch heute noch Leute geben, die fragen, wozu die Kirche denn überhaupt Geld brauche, sie müßte doch vom Geiste allein leben

Vom Geist allein kann die Kirche nicht leben, wenngleich die Kirche eher an einem Mangel an Geist stirbt als an einem Mangel an Geld. Die Kirche braucht das Geld und dieses Geld muß sie von irgendwoher nehmen; entweder vom eigenen Besitz, vom Staat oder von ihren Angehörigen. In Österreich kommt das Geld aus allen drei Quellen, freilich nicht zu gleichen, sondern zu sehr unterschiedlichen Teilen.

Da sind zuerst einmal die Kirchenbesitzungen, historisch gewachsen in Jahrhunderten, in ihrer Größe variierend in den einzelnen Diözesen. Aus deh Erträgen dieses Besitzes („Mensa“) werden kirchliche Gebäude erhalten. Der Grundbesitz der Klöster und Stifte gehört nicht dazu, was aber das Volk nicht hindert, die Wälder und Weingüter der Stifte „der Kirche“ zuzurechnen.

Als Entschädigung für während der NS-Zeit der Kirche geraubte Besitzungen sowie für die Überführung des Religionsfonds in Staatsbesitz wurde in einem Konkordatszusatzvertrag 1960 der Kirche ein jährlicher Betrag von hundert Millionen-Schilling zugesprochen, der heute auf Grund einer Valorisierungsklausel auf nicht ganz dreihundert Millionen angewachsen ist.

Die Erträge aus dem eigenen Besitz und die staatlichen Entschädigungszahlungen reichen aber bei weitem nicht aus, die Verpflichtungen der Kirche zu decken. Dazu gehören einmal die Bezahlung des Klerus (vor 1938 vom Staat geleistet) und der Laienangestellten, sowie die großen Baulasten an kunsthistorisch bedeutsamen Gebäuden.

Als 1939 das deutsche Kirchensteuersystem in Österreich eingeführt wurde, geschah dies in der Absicht, die Kirche in Österreich finanziell auszuhungern. Das Gegenteil trat ein—Kirchensteuer zu zahlen, war Ehrenpflicht geworden. Die Kirche hatte plötzlich mehr Geld als zuvor, wenngleich sie damit im Krieg nicht viel anfangen konnte.

Das System der Kirchenbeiträge und ihre Einhebung in eigener Regie blieb auch nach dem Krieg erhalten. Immer wieder aber gab es Diskussionen, ob es nicht besser wäre, wie in Deutschland diese Beiträge durch das staatliche Finanzamt einheben zu lassen. Bisher haben dies die Finanzminister der Republik immer abgelehnt, jetzt scheint sich diese Haltung gelockert zu haben.

Für den Staat wäre die Einhebung der Kirchenbeiträge kein schlechtes Geschäft, da er sich ja dafür bezahlen ließe. Die Kirche wieder hätte die Möglichkeit, durch eine bessere Erfassung der Zahler die Beiträge zu senken. Dagegen wurde bisher immer von katholischer Seite darauf hingewiesen, daß damit die Kirche in Abhängigkeit vom Staat geriete und daß die Möglichkeit einer seelsorglichen Betreuung der Beitragspflichtigen dabei wegfiele.

Durch die weitgehende Umstel

lung auf Datenverarbeitung in der kirchlichen Finanzverwaltung kann heute von einer seelsorglichen Betreuung freilich nur mehr sehr bedingt die Rede sein. Die steigenden Zahlen der Kirchenaustritte beweisen dies. Die Summe der Kirchenbeiträge betrug 1980 für ganz Österreich rund 2,1 Milliarden Schilling.

Die Kirche braucht Geld! Niemand wird das bestreiten. Die Erträge aus dem eigenen Besitz und die staatlichen Zuschüsse decken nur einen Bruchteil ihrer Ausgaben. Niemand wird auch die Verpflichtung der Katholiken bestreiten, zum Unterhalt ihrer Kirche beizutragen. Die Frage ist nur wie.

Erzbischof Franz Jachym hat gemeint, das österreichische System sei nicht das schlechteste. Vielleicht gibt es kein bestes. Aber ob es nicht eirubesseres System gäbe, darüber müßte man nachdenken, das müßte man auch ausprobieren. Auf der einen Seite stehen über 20.000 Katholiken, die jährlich aus der Kirche austreten — wegen der „Kirchensteuer“ wie sie sagen. Der Kirchenbeitrag sei’ immer nur der Anlaß, wird erwidert, ihr Kirchenbewußtsein sei schon geknickt.

Im Evangelium aber heißt es, Gott werde das geknickte Rohr nicht brechen und den glimmen-

den Docht nicht auslöschen. Die Kirche kann das auch nicht. Diese Menschen empfinden ihren Kirchenaustritt fast nie als „Apostasie“, als Abfall vom Glauben. Oft führen sie ihre bisherige kirchliche Praxis weiter.

Ja, die Katholiken müssen eben auch Opfer bringen! wird erwidert. Jene Katholiken, die man zum Aktivsegment zählt, die 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung, bringen Opfer genug für die Kirche. Und die anderen? Sie haben, wie sie selbst sagen, nichts gegen die Kirche, aber auch nicht sehr

viel für die Kirche übrig. Sie sehen auch ein, daß sie etwas für die Kirche zahlen müssen, aber nicht so viel, wie man von ihnen fordert - so viel ist ihnen die Kirche oft nicht wert. Soll man sie ziehen lassen? Soll aus der Kirche in Österreich, noch immer eine Volkskirche, eine Minderheitskirche werden?

Aber, so wird erwidert, all das müßte eben sein: Vorschreibung, Mahnung, Klagen, Pfändungen. Freiwillig würden in Österreich nur wenige Kirchenbeitrag zahlen. Dennoch gibt es noch andere Wege als den österreichischen mit seiner Anlehnung an das fiskalische System. Vorschläge und Ideen sind vorhanden, diskutiert wurde auch schon genug. Diese Vorschläge reichen von einem gestaffelten „Mitgliedsbeitrag“ über eine „Selbsteinschätzung“ zu drei bis fünf festen Sätzen mit Einführung einer Obergrenze wie bei der Sozialversicherung.

Das gehe alles nicht, sagen die Fachleute. Vielleicht haben sie recht, vielleicht auch nicht. Auch das österreichische Volk ist für Überraschungen immer gut. Die Fachleute muß man gewiß sehr ernst anhören. Aber es gibt auch andere Erwägungen als die der Fachleute. Die Bischöfe wissen das. In diesem Fall sind sie wirklich „die Kirche“.

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