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Die Kleinen

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Die Zeiten der absoluten Mehrheiten gehen dahin — Land für Land. Bayern dürfte eines der letzten deutschen Bundesländer gewesen sein, das im Herbst gerade noch einmal die Alleinherrschaft einer Partei gerettet hat. Wir neigen zwar zur Anarchie, aber diese funktioniert halt bei uns nur mit einem starken Anarchen. Und den haben wir. Noch.

Aber am vergangenen Wochenende hatten wir zwei Landtagswahlen: eine in Rheinland-Pfalz, bis 1945 noch zu Bayern gehörig und Heimat des „schwarzen Riesen" Helmut Kohl; und eine im Stadtstaat Hamburg, der Heimat von Helmut Schmidt und ehedem sichere Pfründe der Sozialdemokraten. A bso-lute Mehrheiten waren in keinem dieser so unterschiedlichen Länder mehr drin. Aber zwei Dinge waren interessant und lassen langfristig auch Schlüsse auf österreichische Entwicklungen zu.

Das eine ist die zunehmende Flexibilität der Wähler. Weltanschauliche Lebensentscheidungen für eine bestimmte Partei werden offenbar seltener. Die Bürger in Deutschland haben langsam begriffen, daß ihre einzige Macht als Wähler darin liegt, diese Macht auch auszuüben - notfalls kurzfristig und taktisch.

Erleichtert wird die Flexibilität durch die Existenz der kleinen Parteien. Manchen erscheint ja doch im Falle von partieller Unzufriedenheit der Wechsel von Rot nach Schwarz oder umgekehrt noch fast so einschneidend wie ein Religionsübertritt. Da ist die Kurskorrektur von Rot nach Grün oder Gelb (bei uns die FDP) schon leichter und auch die Schwerpunktverlagerung von Schwarz nach Gelb.

Das hat zum einen in Hamburg und in Mainz dazu geführt, daß die zeitweise verbannte FDP plötzlich wieder in beiden Landtagen sitzt. Und das hat der CDU gezeigt, daß ihre Bäume atich nicht in den Himmel wachsen und ihr die Republik noch nicht in Erbpacht gehört. Übertreibungen bei der inneren Sicherheit haben CDU-Wähler ebenso zur Kurskorrektur auf die FDP ausweichen lassen wie Verkrustungen der Kalten Krieger.

Erfreulich war auch, daß die Grünen erfahren mußten, wie schnell man nach einem Senkrechtstart wieder auf die Schnauze fallen kann, wenn man glaubt, in ideologischem Fundamentalismus einfach über den Boden der Realitäten hinwegschweben zu können.

Kritik und Widerstand gegen die Macher der Großparteien sind schon gefragt — aber nicht als Selbstzweck und Dauerverweigerung. Ein bisserl Verantwortung möcht’ schon sein — auch bei Oppositionsparteien.

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