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Die Kleinen als Könige

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Israels Parlamentswahlen brachten den beiden großen Parteien des Landes eine schwere Schlappe. Dafür spielen in der total zersplitterten Parteienlandschaft jetzt die kleineren Gruppierungen bei der Regierungsbildung die entscheidende Rolle.

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Israels Parlamentswahlen brachten den beiden großen Parteien des Landes eine schwere Schlappe. Dafür spielen in der total zersplitterten Parteienlandschaft jetzt die kleineren Gruppierungen bei der Regierungsbildung die entscheidende Rolle.

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Entgegen allen Meinungsumfragen, die Israels Arbeiterpartei (Maarach) zusammen mit den Liberalen einen Wahlsieg prophezeit hatten, sind die Parlamentswahlen am 23. Juli unentschieden ausgegangen. Die zwei größten Verlierer sind eindeutig die oppositionelle Arbeiterpartei (minus drei Sitze) und der Likud-Block (minus sieben Sitze).

Tatsächlich aber ist das Kräfte-Verhältnis zwischen den linken und liberalen Parteien sowie den rechten und religiösen Gruppie-

rungen in etwa gleich geblieben, nur daß eben die Zahl der kleinen Parteien gestiegen ist, nachdem eine nur einprozentige Sperrklausel den Mini-Fraktionen Tür und Tor in die Knesset öffnet.

Das große Problem für Maarach-Listenführer Schimon Peres und den Likud-Chef Ministerpräsident Yitzhak Schamir ist nun: Wie bildet der eine oder andere Block mit einem Häuflein Mini-Parteien eine Regierung, die im Parlament eine Mehrheit von wenigstens 61 zu 59 Mandaten hat, um überhaupt irgendwelche Beschlüsse durchbringen zu können?

Und diese Frage wird auch zum Problem für die beiden Parteichefs selbst: Wenn sie diesesmal keine Regierung zu bilden imstande sind, werden sie wohl oder übel von der politischen Bühne

verschwinden müssen, auf jeden Fall aber von den Führu.'jgsposi-tionen in ihrer jeweiligen Partei zurücktreten.

Der Maarach, die derzeit größte Partei, hat zwei Fraktionen, die bereit sind, ihn zu unterstützen: die links-progressive Bürgerrechtsbewegung Raz sowie die liberale Schinui-Partei, beide mit je drei Mandaten im neuen Parlament, ergäbe für eine Koalition also 50 Sitze. Doch das ist viel zu wenig, Maarach wäre also auch auf die vier Mandate der Kommunisten und zwei Sitze der progressiven jüdisch-arabischen Friedensliste angewiesen; ergäbe 56 Sitze.

Fehlen zur absoluten Mehrheit noch fünf Mandate, die von Ezer Weizmanns Jachad-Liste (3), der Ometz-Liste des Einzelgängers und früheren Finanzministers Yigael Hurwitz sowie der einköpfigen Tami-Partei kommen könn-

ten. Der Nachteil ist nur, daß diese Listen nur ungern neben den beiden linkslinken Fraktionen in einer Regierung sitzen wollen.

So brauchte Peres andere Fraktionen zur Regierungsbildung, eventuell die Nationalreligiöse Partei, die Schas-Partei oder gar die ultrareligiöse Agudat Israel. Nur: Gegen diese religiösen Gruppierungen und ihre Forderungen stellen sich wieder gewisse Flügel innerhalb der Arbeiterpartei.

Die kleinen Listen sind also die Könige, und schon hat Maarach Ezer Weizman den Außenministerposten und Hurwitz das Finanzministerium angeboten.

Der Likud-Block hat ähnliche Möglichkeiten zur Regierungsbildung. Zusammen mit den fünf Stimmen der ultrarechten Tehija-Partei und den zwei Mandaten der rechtsgerichteten Morascha steht Schamir bei 48 Sitzen. Auch die

anderen religiösen Parteien tendieren wohl eher zum Likud als Maarach. Aber diese elf Mandate reichen ihm noch immer nicht zur absoluten Mehrheit. Auch der Likud wäre also auf Ezer Weizman angewiesen, der diesem Block vor Jahren aus Protest gegen die Be-gin-Politik den Rücken gekehrt hatte.

Immer wieder taucht dieser Tage auch die Forderung nach einer großen Koalition auf. Der Likud-Block brachte zuerst diese Idee ins Spiel, als ihm nämlich klar geworden war, daß die Regierungsbildung ein äußerst mühsames Unterfangen werden würde. Allerdings: Eine große Koalition unter Führung Schamirs würde wohl die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten und die militante Außenpolitik fortsetzen wollen — für die Arbeiterpartei wohl ein unannehmbarer Kurs. Wenn es zur Bildung einer großen

Koalition kommen sollte, dann möchte Maarach selbst an der Spitze stehen.

Das ist die ungemein komplizierte Situation, in der dieser Tage Staatspräsident Chaim Herzog bestimmen muß, wer den Auftrag zu der Bildung einer Regierung innerhalb von 42 Tagen erhält. Wer ist kompetenter: Maarach mit 50 Mandaten und den sechs Sitzen der Kommunisten und Progressiven als indirekte Koalitionspartner; oder die 48 Mandate des Likud — mit der Aussicht, daß dank Konzessionen an die religiösen Parteien diese wiederum mit dem bisherigen Regierungsbündnis zusammengehen?

Egal, welche Koalition ans Ruder kommt, Israels künftige Regierung wird auf jeden Fall auf schwachen Füßen stehen. Nicht auszuschließen, daß die Israeli schon bald wieder zu den Urnen schreiten müssen...

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