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Die Kleinfamilie hat Folgen für uns alle

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In einer Radiosendung kritisierte eine sozialistische Frauenfunktionärin Vertreter von Familien, weil sie sich besonders für Familien mit mehreren Kindern einsetzen; in Österreich sei doch die Familie mit ein bis zwei Kindern die Regel.

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In einer Radiosendung kritisierte eine sozialistische Frauenfunktionärin Vertreter von Familien, weil sie sich besonders für Familien mit mehreren Kindern einsetzen; in Österreich sei doch die Familie mit ein bis zwei Kindern die Regel.

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Ist es aber in einer Demokratie nicht legitim, sich für eine Minderheit einzusetzen, noch dazu für eine, welcher das Hauptverdienst an der Erhaltung unserer Gesellschaft mit ihrem System der sozialen Sicherheit zukommt?

In Österreich haben rund 1,2 Millionen Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für insgesamt 2,35 Millionen Kinder. Mehr als eine Million dieser Kinder werden von 300.000 Familien mit drei und mehr Kindern erhalten. Mehr als 10 Prozent von ihnen sind allerdings Gastarbeiterfamilien.

In einer gründlichen Untersuchung über die Struktur von Familie und Bevölkerung stellt der Familienbericht 1979 fest, daß die Geburtenzahlen längst nicht mehr ausreichen, um ein Nullwachstum - also den Erhalt des Bevölkerungsstandes — zu sichern. Da Menschen aus verschiedenen Gründen kinderlos bleiben, müßte im statistischen Durchschnitt jede Ehe mindestens 2,2 Kinder haben. Diese Zahl wurde aber schon in der Zeit von 1966-1970 merklich unterschritten und ist weiter im Sinken begriffen.

Hatten wir in den frühen sechziger Jahęen poch Geburteizahleu um 130.000 im Jahr, so unterschritten sie in den ersten siebziger Jahren bereits die Hunderttausendmarke, 1977, unter Abzug der Ausländergeburten, aber auch die Marke von 80.000. Im Österreich der Vollbeschäftigung werden damit wesentlich weniger Menschen geboren als 1&37 mit einem Maximum an Arbeitslosigkeit, wo immerhin noch 86.000 Kinder zur Welt kamen.

Bundeskanzler Kreisky ist einmal gefragt worden, ob diese Entwicklung nicht in Zukunft eine Gefahr für die Pensionen mit sich bringt. Kreisky hat dies mit einem gewissen Recht verneint. Weder in seiner Kanzlerperiode noch Jahre später ist eine Bedrohung der Pensionsversicherung aus der Nachwuchsentwicklung allein zu erwarten.

Das Geld für die Pensionen wird nämlich durch ein Umlageverfahren aufgebracht, das die Zahlungen an die alten Menschen aus den Pensionsbeiträgen der jeweils Erwerbstätigen, ergänzt durch Zuschüsse aus Steuermitteln, finanziert. Eine Studiengruppe unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Tomandl hat über den Einfluß der Geburtenentwicklung auf die Zahlungsfähigkeit der Pensionsversicherung auf lange Sicht Berechnungen angestellt.

1966 kamen auf 1000 Versicherte 435 Pensionisten, 1976 bereits 510; die Belastungsquote stieg also in einem Jahrzehnt um 17 Prozent. Aus der Geburtenentwicklung läßt sich für die weitere Zeit ein Absinken der Belastungsquote auf 380 voraussehen, ab dem Jahre 1998 zeichnet sich aber ein anhaltender Anstieg der Belastung ab, eine Entwicklung, die in den dreißiger Jahren des nächsten Jahrhunderts einen Höhepunkt erreichen wird: Dann haben 1000 Erwerbstätige 614 Pensionisten zu erhalten.

Das scheint ferne Zukunft zu sein. Aber es zeichnet sich ein Problem ab, mit dem die gegenwärtig schwächen Geburtenjahrgänge zu ringen haben werden: Noch höhere Versiche rungsbeiträge und Steuern als heute - oder Kürzung der Pensionen.

Die Familienpolitik soll jedem die Freiheit sichern, ob und wieviel Kinder er haben will. Familienpolitik, die Eltern Mut zu mehreren Kindern macht, ist ein Beitrag zu einer Bevölkerungspolitik, die einen harmonischen Bevölkerungsaufbau fördert.

Eine wellenförmige Geburtenentwicklung, wie wir sie in Österreich haben, schafft zusätzliche Probleme sozialer und wirtschaftlicher Art. Ein Geburtenhoch verlangt nach mehr Kindergärten, mehr Schulraum, mehr Personal und schließlich mehr

Arbeitsplätzen. Im folgenden Wellental entsteht die Sorge, wohin mit den vielen Lehrern, was mit den leeren Schulen anfangen, die Wirtschaft bekommt zu wenig Arbeitskräfte, für die ins Pensionsalter einrückenden starken Geburtenjahrgänge fehlt es an Pflegepersonal und letztlich erhebt sich die Frage der Pensionsfinanzierung.

Sicher hat der Geburtenrückgang lange Jahre vor 1970 begonnen; ebenso sicher ist aber, daß die sozialistische Familienpolitik, welche die Einkindfamilie propagiert und mehr fördert als die Mehrkinderfamilie, ungeeignet ist, die immer bedrohlicher werdende Entwicklung auch nur zu bremsen.

Dazu kommt die mehr oder weniger offene Diskriminierung von Frauen, die um der Kinder willen auf eine außerhäusliche Berufstätigkeit verzichten, ohnedies oft mit schwe- remHerz. Erleichterungen der Abtreibung und Ehescheidung tragen dazu bei, das Ansehen der Familie als Geborgenheit vermittelnde und auf Dauer gerichtete Gemeinschaft herabzusetzen. Auf Grund der gegenwärtigen Scheidungsneigung erwartet der Familienbericht, daß jede zehnte Ehe bereits nach dem sechsten Jahr getrennt ist.

Es wäre hoch an der Zeit, daß in der Sozialistischen Partei, die zumindest durch eineinhalb Jahrzehnte die Geschicke dieses Landes entscheidend bestimmt, eine Besinnung erfolgt; eine Rückbesinnung auch auf die Familienpolitik der fünfziger Jahre, in denen das Wohl aller Familien ein gemeinsames Anliegen aller Parteien war.

Bei der Schaffung des Familienlastenausgleichs vor 25 Jahren träten die sozialistischen Abgeordneten im Nationalrat aus Sorge um Österreichs Žukunft für eine intensive Förderung der Familie mit mehreren Kindern ein und erklärten wörtlich: „Jedės Versagen unserer Generation auf diesem Gebiet dadurch, daß nicht rechtzeitig umfassende Vorkehrungen getroffen werden, würde unserer Bevölkerung eine bittere und schwere Zukunft bringen.” Dies muß sich auch die gegenwärtige Bundesregierung vor Augen halten.

Die ersten beiden Beiträge zu diesem Thema erschienen in der FURCHE 36/1979 und 3811979.

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