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Die Konfliktfreudige

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Maria Rauch-Kallat (ÖVP), Ministerin für Umwelt, Jugend und Familie, hat sich in den letzten Wochen zunehmend in den Vordergrund gespielt: Zunächst in der Benzinpreis-Diskussion, dann bei der Zivildienst-Debatte und zuletzt mußte sie sich von Kanzler Franz Vranitzky wegen der Verpak-kungsverordnung schelten lassen.

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Maria Rauch-Kallat (ÖVP), Ministerin für Umwelt, Jugend und Familie, hat sich in den letzten Wochen zunehmend in den Vordergrund gespielt: Zunächst in der Benzinpreis-Diskussion, dann bei der Zivildienst-Debatte und zuletzt mußte sie sich von Kanzler Franz Vranitzky wegen der Verpak-kungsverordnung schelten lassen.

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Fast auf den Tag genau vor zehn Monaten wurde Maria Rauch-Kallat als Ministerin für Umwelt, Jugend und Familie angelobt. Sie folgte damals Ruth Feldgrill-Zankel, die in die Grazer Kommunalpolitik zurückkehrte.

„Ich bin ein unkonventioneller Typ", charakterisierte sich Rauch-Kallat kurz nach ihrer Angelobung, und Parteichef Erhard Busek urteilte über die modebewußte Hutträgerin durchaus anerkennend: „Sie läßt keinen Konflikt aus."

Die Probe aufs Exempel erbrachte die geschiedene Mutter zweier Töchter in den letzten Wochen: Zunächst sprach sie sich für eine Benzinpreiserhöhung um 1,20 Schilling aus und erntete prompt Schelte vom Wirtschaf tsflügel ihrer Partei, danach ließ sie Kritik am ÖVP-Vorstandsbeschluß über die Verlängerung des Zivildienstes erkennen. Zuletzt wurde sie von Bundeskanzler Franz Vranitzky im Zusammenhang mit ihrer per 1. Oktober 1993 gültigen „Verpackungsverordnung" gerügt.

Im FURCHE-Gespräch gibt sie sich unverdrossen gutgelaunt: „Man muß sich die Konflikte nur richtig einteilen." Die Verpackungsverordnung sei jedenfalls kein Streitthema in der Koalition: „Ich habe Vranitzky am Freitag getroffen und ihm gesagt, daß er mich nur fragen hätte brauchen -ich hätte ihm einen ganzen Stoß mit Unterlagen gezeigt, die beweisen, daß wir seit Monaten gezielt die Multiplikatoren auf die neue Verpackungsverordnung vorbereiten."

Das Ministerium habe sich bisher ganz bewußt darauf konzentriert, bloß die zuständigen Gemeindepolitiker, Abfall-Beauftragte und Journalisten zu schulen. Denn die Erfahrungen in Deutschland hätten gezeigt, daß eine breite Information der Konsumenten erst dann sinnvoll ist, wenn das neue System mit 1. Oktober installiert ist: „In Deutschland, wo man vorweg eine Info-Kampagne durchgeführt hat, sind die Leute mit den getrennten Abfällen auf der Straße herumgelaufen und haben nach den nicht vorhandenen Containern gesucht. Das hat bloß zu Frustrationen geführt."

Daher werde man mit der eigentlichen Info-Kampagne - Plakate, Broschüren, Fernseh-Spots, Telefon-Hotline - erst im Oktober beginnen. Für die Fernsehwerbung hat Rauch-Kallat übrigens ein prominentes

Aushängeschild gefunden: Der Kabarettist und Ex-„Kunststücke"-Mo-derator Dieter Moor wird die „Miststücke " präsentieren.

Rauch-Kallat verspricht auch, daß niemand Angst vor Geldstrafen haben müsse (für Verstöße gegen die Mülltrennungsvorschriften muß man bis zu 40.000 Schilling berappen): „Die Strafandrohung wird sicher in den ersten Monaten nicht wirksam werden." Sie könne sich auch nicht vorstellen, daß die Gemeinden eine eigene „Müllpolizei" einsetzen werden. Grundsätzlich steht sie aber zu Sanktionen gegen Umweltverschmutzer: „Diejenigen, die brav Müll trennen, sollen sich ja nicht als die Blöden vorkommen."

Kritik mußte sich Rauch-Kallat zuletzt in Zusammenhang mit der Umstellung des Auszahlungsmodus für die Familienbeihilfen gefallen lassen (siehe Kasten unten) - auch wenn diese Reform von ihrer Vorgängerin gemeinsam mit dem Finanzministerium geplant worden war. Die Umstellung bringe Verbesserungen für die Familien, da in Hinkunft die Beträge für zwei Monate im voraus

statt - wie bisher - monatlich im nachhinein ausbezahlt werden, rechtfertigt sich die Familienministerin. Daß es bei der Umstellung zu einem „Rückstau" bei der Auszahlung komme, sei bedauerlich - aber angesichts der 1,7 Millionen Beihilfen-Fälle unvermeidlich. Daher habe sie die Anweisung gegeben, Härtefälle bevorzugt zu bearbeiten.

Neue Wege will die Familienministerin im internationalen „Jahr der Familie" 1994 beschreiten: „Da soll es auch um eine ,neue Familienkultur' gehen. Familienpolitik darf sich nicht nur auf Finanzfragen beschränken, es muß auch über Inhalte geredet werden." Zuletzt wurde ein „Positionspapier" präsentiert. Ziel ist eine „Enttabuisierung" der Familie: „Man muß die Dinge beim Namen nennen -wir brauchen eine neue Konfliktkultur innerhalb der Familien." Neben einer Grundsatzdebatte will sie aber auch im „Jahr der Familie" konkrete Projekte durchsetzen - etwa Eltern-Kind-Zentren installieren und die Elternberatung forcieren.

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