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Die Kosten-Sintflut

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Als der ehemalige Rechnungshofpräsident Jörg Kandutsch nicht ausschließen wollte, daß der Betrieb des neuen Wiener Allgemeinen Krankenhauses dereinst durchaus zehn Milliarden Schilling jährli’ch kosten könnte, reagierte Finanzminister Herbert Salcher verärgert: das seien „Hausnummern“. Es sei einfach unstatthaft, Kosten über einen derartigen Zeitraum voraus hochzurechnen.

Diese Äußerung, noch dazu aus dem Munde Salchers, überrascht: Den konsequenten Schluß, daß es sich dann bei der Investitionsplanung des Bundes und bei einer längerfristigen Budgetvorschau ebenfalls nur um „Hausnummern“ handeln könne, wird sich der Finanzminister demnächst bereits von der Opposition vorhalten lassen müssen.

Gar nichts dabei fand freilich Herbert Salcher, als sein Kanzler Bruno Kreisky dem Nationalrat am 9. April in Beantwortung einer dringlichen ÖVP- Anfrage die Auskunft erteilte, daß die Bundesregierung auf Preisbasis 1978 mit jährlichen Betriebskosten von drei Milliarden rechne - oder „sogar günstiger“.

Und die Gesamtkosten des Skandalbaues bezifferte Kreisky, augenscheinlich verärgert, daß diese Frage überhaupt an ihn gerichtet wurde, mit 24,2 Milliarden Schilling zu Preisen 1980.

Tags darauf wurde diese hochoffizielle Kanzlerinformation an das Parlament bereits als „Hausnummer“ entwertet: Im Rahmen einer parlamentarischen Enquete berief sich sogar Salcher auf Berechnungen, nach denen die jährlichen Betriebskosten 3,55 Milliarden Schilling ausmachen könnten.

Kreiskys AKH-Vertrauter Kandutsch, der demnächst zum Aufsichtsratspräsidenten der AKH-Baugesell- schaft aufrücken wird, zitierte hingegen neuerlich die Betriebskostenberechnung der Arbeitsgemeinschaft Betriebsorganisation, die (ebenfalls zu Preisen des Vorjahres) 3,95 Milliarden Schilling ergeben hat, wobei man bis zum Jahr 1990 mit einer Verdoppelung rechnen müsse.

Das Zahlenwirrwarr entsteht durch Rechenkunststücke, die zumindest ebenso problematisch sind wie Hochrechnungen für die Zukunft.

Es entsteht nämlich, vertraute Jörg Kandutsch am 1. April dem AKH-Un- tersuchungsausschuß an, „ein völlig falscher Eindruck, wenn man von drei Milliarden Schilling redet“. Er gehe ■ zuerst von der Annahme aus, daß die Betriebskosten, wie das auch Salcher erwartet, im neuen AKH um 40 Prozent höher sein werden als derzeit.

Und dann rechnete er den Parlamentariern vor: „Die Betriebskosten beim alten AKH würden im Jahr 1990 fünf Milliarden Schilling ausmachen. Und die 40 Prozent dazu sind schon sieben Milliarden.“ Berechnet seien aber hier nur die Flächen des Kernbaues, also

ohne jene, die jetzt schon in Betrieb genommen wurden.

70 Prozent an den Gesamtkosten machen dabei die Personalkosten aus, wobei es kein vergleichbares Spital mit so viel Pflege- und Ärztepersonal gebe.

Die Annahme, daß die Zentralbauweise zudem geld- und personalsparend wirken könnte, wurde bereits durch die Praxis widerlegt.

„Dadurch, daß im Zentralkörper die Menschen bei künstlichem Licht arbeiten müssen, haben sie bei der neuerbauten Kinderklinik oder der Psychiatrie bereits eine zwanzigminütige größere Arbeitspause erhalten bekommen, die in Geld abgegolten wird“, erklärte Kandutsch im AKH-Untersuchungs- ausschuß als Beispiel für die Behauptung, daß „der Zentralbau die Personalkosten in die Höhe getrieben hat“.

Schon 1980 kostete ein Tag in der Sonderklasse im AKH mit 1850 Schilling schon mehr als die Vollpension in einem Wiener Luxushotel, die Arzthonorare noch gar nicht berücksichtigt. Im Innsbrucker Landeskrankenhaus zahlte man hingegen - zum Vergleich - nur 1375 Schilling, im Linzer AKH gar nur 1330 Schilling.

Während private Krankenversicherungen das noch schlucken, überlegen sie sich heute bereits ernsthaft, das neue AKH als Vertragsspital auszuklammern. Generaldirektor Herbert Schi- metschek von der „Austria“ kommt nämlich, „wenn man großzügig die Hälfte der Betriebskosten für den Ambulanzbetrieb abrechnet“, auf Kosten von rund 5000 Schilling pro Bett und Tag.

Für Kandutsch ist es auch keine Frage, daß die 24 Milliarden Schilling Baukosten, an die sich Kreisky und Salcher klammern, heute nur mehr Wunschdenken sind. Nur eines weiß er noch nicht: „Ob es 37 Milliarden Sch il- ling, wie es dem jetzigen Schätzungszustand entspricht, oder - wenn wir, was ich nicht hoffe, recht haben - 40 Milliarden werden.“

Das heißt: Der Bettenpreis bei der Errichtung liegt beim AKH zwischen 17 und 23 Millionen Schilling, während das Spitalsbett - an Universitätskliniken - auch im internationalen Schnitt lediglich zwischen vier und sechs Millionen kosten dürfte. Kurz: Um die Kosten eines Wiener AKH-Bettes baut man anderswo zwei Zweibett-Zimmer, in München zum Beispiel.

Die Beharrlichkeit, mit der sich Politiker unter Berufung auf überholtes Zahlenmaterial von Kreisky abwärts weigern, die Kostenexplosion zur Kenntnis zu nehmen, läßt wenig Hoffnung zu, daß sie eine Kostenentwicklung, die sie damit ja nicht kennen wollen, in den Griff bekommen.

Und die Wahrheit kommt erst in einem Jahrzehnt an den Tag. Motto: Hinter uns die Kosten-Sintflut.

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