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Die Kugel fällte seine Gegner

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Während sich Präsident Ronald Reagan von seinem Lungenschuß erholt, während die Debatte um das leidige Thema der „Guncontrol“, also um die Einführung eines Waffenpasses, neu aufgeflammt ist, und während im Weißen Haus täglich Genesungswünsche in Wäschekörben einlangen - bisher über 16.000 Zuschriften - nähert sich der 30. April, also jener Tag, an dem Präsident Reagan hundert Tage im Amt sein wird.

Dieses „Jubiläum“ wäre bestimmt keiner Beachtung wert, wenn mit diesem Datum nicht eine innenpolitische Tradition verbunden wäre. Es ist - wie man in Washington sagt - „the end of the honeymoon“, also jener Zeitpunkt, ab welchem dem neuen Präsidenten seitens des Kongresses nicht mehr jene besondere Rücksichtnahme entgegengebracht wird, die die Fairneß gegenüber dem Neuling geboten erscheinen läßt.

In diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, ob das Attentat auf Präsident Reagan politische Konsequenzen haben wird, und wenn ja, welche. Die meisten Beobachter glauben, daß Reagan durch sein Verhalten in der einen Stunde vom Attentat bis zu seiner Operation, aber auch danach, außerordentlich an Popularität gewonnen hat. Die Würde und Größe, die er in diesen kritischen Stunden an den Tag legte, werden ihm, wie viele Medienstimmen meinen, reiche politische Zinsen tragen.

Noch während die Operation andauerte, gab Außenminister Alexander Haig zur Überraschung seiner Mini- sterkoilegen eine Presseerklärung ab, in welcher er die weder glückliche, noch verfassungsrechtlich haltbare Formulierung verwendete, er sei „in charge“, also er habe die Funktionen des Präsidenten provisorisch übernommen.

So sehr sich Haig durch sein Auftreten geschadet hat. so stark hat Vizepräsident George Bush, der aus Texas nach Washington zurückbeordert wurde.

dank seines überaus taktvollen und klugen Handelns mit einem Mal an Statur und Ansehen gewonnen.

„Schon mit seiner Amtsübernahme hat Präsident Reagan sowohl seine Anhänger, als auch seine Gegner verwirrt“, schreibt das „Wall Street Journal“. Und weiter: „Daß Mr. Reagan mit dem Leben davonkam, verdankt er zwei Umständen, nämlich seiner ausgezeichneten Konstitution, die wieder eine Folge seines Lebensstils ist, und dem glücklichen Umstand, daß das Projektil sein Herz um acht Zentimeter verfehlte. In gewissem Sinne spiegelt das seine Lebensgeschichte wider: eine Mischung von Weitblick und Glück.“

Das Wochenmagazin „US News and World Report“ befragte 18 Kongreßmitglieder bezüglich ihrer Meinung über den Präsidenten, insbesondere darüber, ob sie glaubten, daß es ihm gelingen werde, das Land wirtschaftlich aus den derzeitigen Schwierigkeiten herauszuführen, die hypertrophe Bürokratie einzudämmen und die nötigen

Mittel für ein erhöhtes Verteidigungs- Budget bereitzustellen.

In diesem Interview erntete Reagan viel mehr Lob als Kritik. Auch seine politischen Gegner versagen ihm nicht ihre Anerkennung. Vor allem zwei Eigenschaften des Präsidenten scheinen die Parlamentarier tief zu beeindruk- ken: seine Fähigkeit, die kompliziertesten Dinge zu vereinfachen, und sich zweitens nur auf jene Fragen zu konzentrieren, die wirklich Vorrang verdienen.

Jeder Präsident seit Nixon hat im Wahlkampf versprochen, die Staatsausgaben zu kürzen, die Steuern zu senken und das Budget auszugleichen. Zum Unterschied von seinen Vorgängern scheint aber Ronald Reagan fest entschlossen, seine Wahlversprechen wirklich zu erfüllen.

Im nächsten Budget will er 48,5 Milliarden Dollar, im übernächsten-sogar 90 Mrd. Dollar einsparen. Und wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird es ihm gelingen, in der Budgetpolitik zu erreichen, was bis vor kurzem jeder als politisch undurchführbar bezeichnete.

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