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Digital In Arbeit

Die Kultur des Wortes

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Im Zeitalter der Faszination der audiovisuellen Medien, der Elek- tronisierung und Digitalisierung der Informationssysteme, der Daten- und Computertechnik, mag es vielfach den Anschein haben, daß das geschriebene und das gedruckte Medium überholt, unattraktiv und entbehrlich geworden ist.

Die Frage, ob uns also eine papierlose Zukunft, ein buch- und zeitungsloses Zeitalter bevorsteht, beschäftigt, so überreich wie die Informationsüberflutung selbst, die Politiker, Publizistikwissenschafter, die Meinungsfor-

scher und Medienmacher.’ Liest man sich quer durch die Fachpresse hindurch, hört man geflissentlich die Referate und Festreden bei Symposien und Kongressen, dann bekommt man allseits das eher beruhigende und schöne Bild gezeichnet, daß die Trendwende zum Lesen doch wieder da sei, daß die Verdrängungsprozesse der mächtigen „AV-Medien“, die in unseren Breiten meist öffentlich-rechtlichen Charakter und Kolossal-Dimensionen haben, weder gewollt sind noch tatsächlich stattfinden.

In seinem letzten Buch mit dem Titel „Neugier als Laster und Tugend“ hat Otto B. Roegele treffend beschrieben, wie tief der Wissenstrieb, der uns Tag für Tag zu den Massenmedien treibt, in der Natur des Menschen verankert ist.

Wenn man also nach den Massenmedien fragt, dann muß man wissen, daß es nicht nur um eine Branche, um Unternehmungen und Institute geht, ja nicht einmal um die Gesellschaft, sondern um den Menschen — um den in erster Linie. Die allzu oft verdrängte Frage, in welcher Weise, mit welchen Inhalten und in welcher Sprache das Printmedium dem

Werterleben des einzelnen Menschen dienen kann, ist zu stellen.

Vor diesem Anspruch und unter dieser Gewissenspflicht steht gerade der katholische Publizist. Vor dieser Frage nach dem Menschen und nicht nach einem anonymen Publikum oder den Marktanteilen und den Reichweiten, gewinnt das Überlegen, ob nicht etwa doch das Ende des Lesezeitalters gekommen sei, notwendigerweise eine anders zu formulierende Ausgangsposition — nämlich jene, ob wir vor dem Verlust, ja dem Untergang der Lesekultur stehen.

Das Verlangen der Menschen nach dem geschriebenen Wort ist für mich nach wie vor ein Faktum. Doch die bange Frage, wie diese Bedürftigkeit gestillt und ihr christlich entsprochen werden kann, ist eine andauernde, nie endenwollende Herausforderung. Wäre da in unseren Verlagshäusern und Redaktionen nicht auch die Sorge um die Erhaltung, oder noch wichtiger, die Erneuerung unserer Schreibkultur ins Auge zu fassen? Die Kultur des Schreibens ist geradezu eine Voraussetzung für die Erhaltung der Lesekultur unserer Menschen.

Ohne Zweifel verlangt auch eine orientierungslose und von Sinnkrisen geschüttelte, eine weithin unchristliche Welt das Wort der Christen. Das Täuschungsvokabular aus den Küchen der Informations- und Meinungsindustrien und die Täuschungsbilder vom Fernsehschirm haben erkennbar die Menschen unserer Tage deutlich enttäuscht.

Katholischer Journalismus verfehlt seine Rolle, wenn er nicht, umfassend und professionell, das innerkirchliche Weisheitspotential in seine spezifische Schreibkultur einbringt. Eine Kirche in Schwierigkeiten, die einfach durch Veränderung, neue Einsichten und Weiterentwicklungen mit sich gebracht werden, müßte doppelt stark einen solchen Grundbestand für die von uns zu verantwortenden Kommunikationsprozesse mobilisieren.

Die deutlich sichtbare Vertrauensverweigerung gegenüber der Kirche ist als eine bloß äußere Verkrustung des modernen Menschen zu sehen, hinter der das Verlangen nach dem tieferen und eigentlichen Sinn des Lebens verborgen ist. Sicherlich geht es dabei nicht um eine naive Proselytenmacherei. Wohl aber wird dei katholische Journalist aus einem erklärten und erkennenden Wollen heraus seine Botschaft so zu realisieren haben, daß die Kirche dem modernen Menschen wieder akzeptabel erscheinen kann.

Was von uns katholischen Journalisten und Verlegern zu verlangen ist, ist nicht mehr und nicht weniger, als daß wir uns mit unserem Kommunikationsangebot deutlich vom Jahrmarkt der Meinungen absetzen, statt dessen die Wahrheit und die Kultur des Wortes einbringen, das am Anfang stand…

Ganz bestimmt soll damit nicht einem Informations- oder Propagandabeamtentum der kirchlichen Hierarchie das Wort geredet sein. Solchen Wunschbildern gegenüber, wenn sie ernstlich da und dort als ein Ausweg aus Turbulenzen gedacht werden, muß man einfach erklären, daß das II. Vaticanum und die Pastoralin- struktion „Communio et Progres- sio“ eindeutig dagegen stehen.

Als der mittlerweile zum Kardinal ernannte Erzbischof Lustiger zum Oberhirten von Paris ernannt wurde, konnte man bei Gesprächen in Wien auch immer wieder hören, daß dieser auch ein mitreißender Prediger sei. Ein junger Wiener Seelsorger meinte dazu etwa: „Das schadet j a nicht — aber darauf, ob er glanzvoll predigen kann, kommt es heute bei einem Bischof am allerwenigsten

_ „ «i an.

Dem muß ich widersprechen. Es ist auch ein Verlust an überzeugenden Kanzelrednern als eine wahrscheinlich zeitbedingte jSffi- zięnz- und Kultureinbuße mehr als beklagenswert. Doch dann sagte der junge Priester weiter: „Man muß mit den Leuten reden können, nicht zu ihnen.“ Dies ist nachdenkenswert auch für den katholischen Publizisten.

Der Verfasser ist Generaldirektor des Sty- ria-Verlags und Präsident der Katholischen Weltunion der Presse (UCIP).

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