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Digital In Arbeit

DIE KUNST, DEN RICHTIGEN ZU FINDEN

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Wenn man die Wochenendausgaben der Printmedien betrachtet, so wird eine Fülle von Inseraten präsentiert, die eigentlich die gleichen Aussagen treffen: „Dynamisch, unternehmerisch denkend, entscheidungsfreudig" soll er sein, der Bewerber; Verantwortung übernehmen ist wohl selbstverständlich, und außerdem soll er eine gewisse Ausbildung und Erfahrung mitbringen.

Wenn man Mitarbeiter und deren Know-how, sowie deren Einstellung dem Unternehmen gegenüber als kritischen Erfolgsfaktor sieht, so reicht ein derart abstraktes Verständnis des Recruitingprozesses sicherlich nicht aus. Die derzeitigen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur Europas, in bezug auf Verschiebungen innerhalb der volkswirtschaftlichen Sektoren, der Tätigkeitsstrukturen, aber auch der Tätigkeitsinhalte, bedürfen mehr Sensibilität, um die neuen Anforderungen dauerhaft zu meistern.

Nur eindeutige Botschaften sprechen klar abgegrenzte Zielgruppen an. Eine kontinuierliche, eindeutige Darstellung der Unternehmenswerte am Markt konkurrenziert durchaus nicht mit den Interessen des Produktmarketings. Um eine qualitativ gute Entscheidung vorzubereiten, werden hier verschiedene Wege möglich und sinnvoll sein: Allen, egal ob unternehmensinterne oder offene beziehungsweise verdeckte externe Suche am Arbeitsmarkt, ist eines gemeinsam: Je klarer die Anforderungen an die Position beschrieben sind, umso effizienter ist der Auswahlprozeß. Vielfach wird versucht, die Position mit den Methoden und Mitteln der Betriebswirtschaftslehre darzustellen. Diese abstrakte und rationale Be

Schreibung entspricht jedoch nicht der ganzen Wirklichkeit. Vielmehr muß versucht werden, die laufenden Veränderungen rund um die Position zu erfassen. Die Vielfalt der auf die Stelle wirkenden Einflüsse, die Tatsache, daß niemals die Gesamtzusammenhänge erfaßt werden können, sondern nur Ausschnitte Sichtbarwerden, und daß die Wirklichkeit dieser Position erst das Ergebnis der Wechselwirkungen von Positionsinhaber und Umfeld bestimmt, erschweren eine wahrheitsgetreue, zukunfts-bezogene Darstellung.

Damit müssen Auswahlverfahren mehr leisten als ein abstraktes Abfragen von verschiedenen bewertbaren Faktoren. Sie müssen in der Lage sein, einerseits die Frage nach Erfahrungshintergrund, Kenntnissen und Fähigkeiten zu beantworten und andererseits, ob der Bewerber die notwendige Sozialenergie mitbringt, um die nicht quantifizierbaren, allenfalls beschreibbaren Anforderungen zu erfüllen und damit die notwendige Kraft zur Motivation, den erforderlichen Veränderungswillen und den Glauben an die Stärke und die Zukunft der Gesamtheit besitzt.

Die Absicherung dieser Anforderungen ist wohl die größte Kunst. In

Unternehmen sichert man diese Hürde oftmals dadurch ab, daß die Bewerber strukturierten Potentialanalysen und Tests unterzogen werden. Sehr wissenschaftlich wird hier abgesichert, was so mancher Unternehmer als sein feines Gespür bezeichnet. Im wesentlichen laufen aber die gleichen Vorgänge ab:

□ Darstellung der eindeutig meßbaren Anforderung wie Ausbildung, Erfahrung, Sprachkenntnisse ...

□ Definition der wesentlichen Verhaltensmerkmale wie Entscheidungsfreude, Offenheit, Kunden oder Sachorientierung ...

□ Klärung des Entwicklungspotentials beziehungsweise des Veränderungspotentials.

Gerade das wird oft vernachlässigt, ist aber bei der rasanten Entwicklung der Arbeitsmarktstrukturen, der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der explodierenden technischen Entwicklung von i immenser Beil deutung (die Halbwertszeit M des Wissens *W beschleunigt jP sich zuneh-M mend, was W bedeutet, der \ heute ausge-\ wählte Mitarbeiter muß in P wenigen Jahren die Hälfte seines Wissens erneuert haben). Was der eine mit wissenschaftlich abgesicherten Verfahren definiert, wird beim anderen oft nur grob dargestellt. Darin liegt jedoch die Gefahr, Mitarbeiter nicht nach jenen Kriterien auszuwählen, die für die zukünftige, langfristige stabile Entwicklung des Mitarbeiters, und damit dem Know-how-Aufbau im Unternehmen von entscheidender Bedeutung sind.

Nach der Entscheidung für einen Kandidaten ist nun das Unternehmen an der Reihe, Farbe zu bekennen. Es gilt, den ambitionierten neuen Mitarbeiter in seinen berechtigten Erwartungen zu bestätigen und zu bestärken, die Möglichkeit zur Verwirklichung der Ziele zu geben und von Anfang an einen offenen Feedbackprozeß über persönliche Erfolge und Mißerfolge zu führen.

Jetzt kommt zutage, ob das beiderseits dargestellte Bild der Wirklichkeit entspricht.

Trotz aller ehrlichen Anstrengungen, eine objektive Entscheidung herbeizuführen, sind wir jedoch vor Fehlern nicht gefeit.

Zu einem offenen Feedback gehört auch eine klare Sprache. Das bedeutet das gegenseitige Eingestehen einer Fehlentscheidung, notfalls auch mit der Konsequenz der Trennung, welche durchaus offen und für beide Seiten akzeptabel geschehen kann. Im Idealfall eröffnet sich die allzu selten genützte Chance, den Leistungen des neuen Mitarbeiters ehrliche Anerkennung zu zollen, was wohl die wichtigste Vorsorge vor zu vielen Re-cruitingvorgängen in Unternehmen darstellt.

Der Autor ist Leiter der Personalentwicklung eines internationalen Konzerns und freier Unfernehmensberater.

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