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Die Kunst „schmieren“

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Zwischen Geld und Literatur besteht seit langem Feindschaft. In einem Buch wird gezeigt, wie im Lauf der Zeit Kultur und „allmächtiges Geld“ aufeinander reagiert haben.

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Zwischen Geld und Literatur besteht seit langem Feindschaft. In einem Buch wird gezeigt, wie im Lauf der Zeit Kultur und „allmächtiges Geld“ aufeinander reagiert haben.

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In einer Zeit, in der breite Bevölkerungsschichten ihre Lebensperspektiven kaum über den nächsten Tag hinauszuschieben vermochten, in der Geld überhaupt nur für wenige verfügbar war, mußte die Geldwirtschaft als ein Pandämonium erscheinen, in dem es kaum mit rechten Dingen zugehen konnte.

Auch heute noch hat die Vorstellung etwas Erschreckendes an sich, daß täglich Milliardensummen eingenommen und ausgegeben werden, Milliardensummen, die oftmals nur in Zahlenkolonnen auf Budschirmen und Papier existieren und dennoch das Prosperieren von Staaten und Währungen beeinflussen.

Das Geld sitzt deshalb, in vielen Shylock-Gestalten, immer noch

auf der Anklagebank der Literatur, aber es fragt sich, ob mit dem Prozeß, der ihm da gemacht wird, nicht in vielen Fällen nur Vergangenheitsbewältigung betrieben wird. Denn trotz aller Undurchschaubarkeit anonym bleibender Geldapparate hat sich das alltägliche ökonomische Gebaren in unserem Jahrhundert doch grundsätzlich verändert: Das Geld ist demokratisch geworden.

In den industrialisierten Ländern ist mit der Entwicklung der Masseneinkommen ein Zustand eingetreten, der bisher noch nie da war: Im Prinzip verfügt jeder Bürger über Mittel, die er disponieren muß. Vermögen, in diesem Jahrhundert oftmals durch Krieg oder gesellschaftliche Krisen vernichtet, werden weitervererbt. Den Fortschritt, der damit verbunden ist, kann man daran ermessen, daß es nun möglich wird, daran zu denken, Arbeit und Einkommen voneinander zu trennen, und zwar nicht nur aus Motiven einer hehren Wohlstandsethik, sondern aus simplen materiellen Gründen.

Soll die Wirtschaft prosperieren, müssen die Masseneinkommen erhalten bleiben, obwohl durch fortschreitende Rationalisierung die Arbeit knapper wird. Freilich: Wir sprechen als Reiche, auch angesichts schwelender Wirtschaftskrisen und zunehmender Arbeitslosenzahlen. Die Armut in den industriell entwik-kelten Ländern ist mit der Armut in der Dritten Welt nicht vergleichbar. Und diese Dritte Welt schickt sich an, zur Welt schlechthin zu werden.

Das Geld unter diesen Umständen weiter zu dämonisieren, ist zwar verlockend, geht aber an realen Entwicklungen vorbei. „Geld“ und das, wofür es steht, hat seinen Höhepunkt bereits hinter sich. Der Wohlstand einer Gesellschaft wird immer weniger an der Verfügbarkeit klassischen Kapitals gemessen, sondern resultiert aus dem Einsatz anderer Ressourcen: Kreativität und Intelligenz, üblicherweise institutionalisiert in Wissenschaft und Forschung, sind die entscheidenden Produktionsfaktoren der Zukunft. Mit der Verschwendung von Mensch und Material, wie sie von der Literatur vielfach und vielfältig angeprangert wurde, gerät jegliches Wirtschaften immer tiefer in eine Sackgasse. Es ist bezeichnend, daß in der innova-tivsten Wirtschaftsmacht der westlichen Welt, in Japan, der Prozeß des Umdenkens, die Abkehr von der Umweltverschwen-

dungstechnologie, am weitesten gediehen ist.

Natürlich bleibt die Anklage der Literatur in so manchem Punkt aktuell. Einer dieser Punkte sind die Geldsorgen der Literaten, die in verschiedenen Texten auch in diesem Buch angesprochen werden.

Üblicherweise erwartet man sich da gerade von einem Bankdirektor eine einfache Lösung. Und manchmal ist diese einfache Lösung für beide Seiten akzeptabel: Die Honorare des „Lesezirkel“, des Literaturmagazins der „Wiener Zeitung“, werden von der Zentralsparkasse bezahlt. Im Gegenzug können wir unseren literarisch interessierten Kunden eine Information bieten, die sie sonst nicht bekommen würden.

Das ist kein schlechtes Geschäft und ein Beispiel dafür, daß Kunst, und Literatur ist j a ein Teil davon, durchaus eine verwertbare Ressource ist wie andere auch — und doch noch ein bißchen mehr: Die Wirkung von Kunst ist unberechenbar, unberechenbarer jedenfalls als die Wirkung eines Elektromotors.

Jedes Buch, jede Skulptur, jeder Bereich von Kunst und Kultur ist ein Feld für die Phantasie und Identität einer Gesellschaft, weil es ein Bild von der Welt und deren Möglichkeiten enthüllt

Wieder einmal sind es die Japaner, die sich als erste auf die Ressource Kultur besinnen. Noch vor wenigen Jahren wurden Österreichs Musikhochschulen von japanischen Studenten förmlich überrannt.

Mittlerweile kommen schon nicht mehr so viele—das Land im Fernen Osten schickt sich an, eine eigenständige Tradition der Pflege europäischer Musik zu entwik-keln. Mitgeholfen hat dabei ein japanischer Musikgerätehersteller, der, über das ganze Land verteilt, Musikhochschulen einrichten ließ. Jeder Volksschüler hat heute in Japan die Möglichkeit, Klavier spielen zu lernen.

In Österreich gibt es kein vergleichbares Verständnis für die Ressource Kunst.

Das ist ein Problem des Geldes: Es braucht die Symbiose. Nicht zuletzt die Literatur vermag uns Auskunft darüber zu geben, welche. Geld hat die Werte verschoben und austauschbar gemacht — vielleicht ist deshalb der Zeitpunkt so günstig wie nie zuvor, die richtigen einzufordern.

Der Autor ist Generaldirektor der Zentralsparkasse und Kommerzialbank, Wien. Das Buch Wertpapier - Literatur und Geld“,prS-sentiert von Karl Vak, ist vor kurzem im Verlag der Osterreichischen Staatsdruckerei erschienen.

ERRATA FURCHE 45/1987. Seite 8: In der Glosse „Verzerrte Wirklichkeit“ sollte der Absatz richtig lauten:

Auch der Börsenkrach vom Oktober wird den Kindern mundgerecht serviert. Hauptsächlich, so orakelt der „Klex“-Chef, sei daran der Iran-USA-Konflikt schuld. Es gab „eine Menge Leute, die ihre billig eingekauften Aktien sowieso demnächst teuer verkaufen wollten. Wegen der Iran-Krise taten sie es schon jetzt. Da alle zugleich so dachten, ließ das den Kurs abermals sinken.“ Die wirklichen...

Wir bitten um Entschuldigung.

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